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Dieses Ereignis sprach sich schnell herum. Hinzu kam, daß es einen Überlebenden des ersten Trupps gab. Henry Duk, der kleine, dicke, glatzköpfige Teufel präparierte — so nannte er es — den nur leicht Verletzten: Er schnitt ihm die Ohren ab, kappte ihm die Nasenspitze und ließ ihn dann mit einer Botschaft laufen: Wer den Transport angreift und lebend in unsere Hände fällt, wird nicht am Ohr amputiert, sondern entmannt! Es gab keinen in den Bergen, der das nicht vorbehaltlos glaubte. Henry Duks Ruf flog durch die Guaquero-Niederlassungen: Da ist ein Glatzkopf, so klein wie ein unten Abgeschnittener, der mit einem fröhlichen Lächeln Körperteile abschneidet. Den muß man zuerst erledigen. Erst dann kann man an die Mulis heran.

Kritisch wurde die erste Nacht. Es war vorauszusehen gewesen, daß der Transport nicht innerhalb eines Tages bei Dr. Morero eintreffen würde; man rechnete vielmehr mit drei Tagen. Also trieb man bei Einbruch der Dunkelheit die Mulis zusammen, entlud sie nicht, was für zehn Mann ja auch unmöglich gewesen wäre, sondern ließ sie beladen stehen, was natürlich auf die Leistung der Tiere am nächsten Tag großen Einfluß hatte. Auch ein Muli ist nur eine Kreatur, dessen Kräfte nachlassen. Henry Duk veranschlagte eine Ausfallquote von 10 %, das wären also 17 Tiere, deren Lasten man verteilen mußte.

In dieser ersten Nacht geschah wider Erwarten nichts. Die Mulis standen eng beisammen, die zehn Mann lagerten um sie herum wie Schäferhunde, in den Jeeps rührte sich nichts. Hunderte Augen beobachteten das Lager von allen Seiten. Man studierte die Taktik des Glatzkopfes. Aber dieser hatte keine Taktik. Er ließ fünfMann schlafen und fünf Mann wachen, davon einer in der Nähe des ersten Jeeps mit dem schweren MG. Es war schußbereit, der Patronengurt eingespannt.

«Es müßte nächste Nacht klappen«, sagte John Berner und drehte sich zur Seite. Berner war ein Mann, der seit sieben Jahren in den Bergen lebte, noch nie geschürft hatte, eine Mannschaft von 40 Mann besaß und >Schutzgelder< von den Guaqueros nahm; Rackett in den Smaragdminen nach amerikanischem Muster.»Vier Mann greifen zum Schein von hinten an, und wenn sie das MG umschwenken, kommen wir von der Seite und decken sie zu. Den Glatzkopf hebe ich für mich persönlich auf..«

Die Nachricht von dem Riesentransport gelangte natürlich auch zu Dr. Mohr. Ein Guaquero, der mit einer Handquetschung auf dem Pebas-Plateau erschien und der erste Patient war, der in dem neuen >Operationssaal< des Hospitals behandelt wurde — einem großen, lichtdurchfluteten Raum, in dem jetzt nur der selbstgezimmerte Tisch aus Pebas' Vorraum stand —, dieser Mann, der vier Stunden durch die Felsen gewandert war und nun mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Tischkante hockte, sagte:

«Da ist was für Sie unterwegs, Doctor. Ich kann's nicht glauben, aber die quatschen von fast 200 Mulis. Schwer beladen. Sollen ein ganzes Krankenhaus herumschleppen!«

«Endlich!«rief Dr. Mohr. Er übergab den Verletzten zunächst Dr. Simpson und rannte hinaus zu Dr. Novarra, der mit zwei Kolonnen die letzten Handgriffe an das Bettenhaus legte und Pater Cristobal half, seine Kirche zu vollenden. Zwei finster blickende, nar-bengesichtige Männer aus der >Burg< zimmerten an einem großen Holzkreuz. Im Altarraum sollte es von der Decke hängen, als einziger Schmuck, als einziger Gegenstand, auf den sich die Gläubigen konzentrieren sollten.

«Sie sind da!«rief Dr. Mohr schon von weitem.»Von Penasblancas sollen rund 200 Mulis mit der Einrichtung heraufkommen! Camargo hat sein Wort gehalten!«

«Nennen Sie in meiner Gegenwart nicht seinen Namen!«bellte Dr. Novarra zurück.»Wenn dieser Blutsauger Ihnen ein Krankenhaus schenkt, dann spielen da andere Überlegungen eine Rolle als Humanität!«Er kam näher, schob sich an Dr. Mohr vorbei und betrat den Operationsraum. Dr. Simpson war gerade dabei, die gequetschte Hand aus einem schmutzstarrenden Verband zu wickeln. Der Guaquero verzog vor Schmerzen sein Gesicht zu einer Fratze.

«Wo ist der Transport?«brüllte Dr. Novarra.

Der Verletzte zuckte zusammen und starrte den Bärtigen entsetzt

«Ich habe das auch nur gehört.«, stotterte er.

«Wo?«

«Auf dem geraden Weg hierher.«

«Durch das Gebiet von John Berner also?«

«Natürlich. Kennen Sie einen anderen Weg?«

Dr. Novarra wandte sich ab und prallte an der Tür mit Dr. Mohr zusammen.

«Das geht schief!«sagte er düster.»John Berner ist der größte Halunke im ganzen Kordillerengebiet. Amerikanische Schule! Wir müssen da unbedingt den Verkehr regeln. Simpson?«

«Ja?«Dr. Simpson hatte die Hand ausgewickelt. Sie sah böse aus. Eine offene Quetschung mit beginnender Blutvergiftung.

«Ist Ihr dämlicher Minenwerfer einsatzbereit?«

«Mein dämlicher Minenwerfer kann jederzeit Ihre große Fresse einstampfen«, antwortete Simpson beleidigt.

«Man kann ihn doch montiert und schußbereit transportieren?«

«Mit drei Mann schon.«

«Dann los! Wir ziehen dem Transport entgegen. Und wenn Berner wild wird, blasen wir ihm eine Mine unter den Hut! Simpson, ich glaube, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

Dr. Novarra sah die Aktion als so wichtig an, daß er sogar die beiden Schürftrupps aus den Stollen holen ließ und sie gegen die frischen Bautrupps austauschte. Dann zogen 52 Mann, die gefürchtete Einsatztruppe der >Burg<, dem Transport entgegen; unter ihnen Dr. Simpson mit seinem Minenwerfer, zwei Kisten Werferminen und einem Verbandkasten für etwaige Verwundete.

Margarita hatte den Mann mit der Handquetschung übernommen, reinigte die Wunde und hielt den Arm fest, als Dr. Mohr die Verletzung behandelte und eine Penicillinspritze gab. Wie fast alle der besonders wild und stark aussehenden Burschen verdrehte auch dieser Guaquero beim Einstich die Augen und sank gegen Marga-ritas Busen. Sie hielt den Mann fest und lächelte dabei Dr. Mohr an.

«Jetzt hast du es geschafft, Pete«, sagte sie.

Die Zärtlichkeit ihrer Stimme berührte ihn immer wieder. Er beugte sich vor und gab ihr über den Kopf des Ohnmächtigen hinweg einen Kuß.

Es war ein dummer Zufall, daß gerade in diesem Augenblick Adolfo Pebas in der Tür stand. Sie hatten ihn nicht kommen hören. Durch die offenen Fenster schallte der Baulärm vom Bettenhaus und der Kirche herein. Das Hämmern und Sägen übertönte alles.

Um so mehr schraken sie zusammen, als Pebas' laute Stimme durch den Raum dröhnte.

«Aha!«brüllte er.»Am hellichten Tag! Vor aller Augen!«

Margarita stieß einen spitzen Schrei aus und umklammerte den ohnmächtigen Guaquero, als könne dieser ihr helfen. Unsagbare Angst lag in ihren Augen. Mit wiegendem Gang kam Pebas näher und baute sich vor Dr. Mohr auf.

«Was habe ich dir gesagt, Pete? Einmal eine Tochter verlieren, das ist genug. Meine zweite wird keine Hure, eher schlage ich sie und dich zusammen tot!«

«Spiel nicht den wilden Mann, Adolfo!«sagte Dr. Mohr ruhig.»Du weißt seit langem, daß ich Margarita liebe!«

«Du hast versprochen, sie nicht anzurühren!«

«Dieses Versprechen habe ich gehalten.«

«Und was habe ich gesehen?! Küßt man sich in aller Öffentlichkeit, wenn man nicht mehr voneinander weiß?«

«Warum fragst du nach Dingen, die dir längst klar sind? Ich bin mit dir in die Berge gezogen, um euer Leben kennenzulernen. Ich bin hiergeblieben und baue jetzt ein Hospital. Alles nur, weil ich mir als Arzt sage: Hier wirst du gebraucht? Diese Menschen am Rande der Welt und der Menschlichkeit brauchen einen Hauch von Liebe, wenngleich ich diese Liebe nur mit Skalpell und Spritze bringen kann? Nein, nicht allein deshalb bin ich mitgekommen. Hätte ich Margarita nicht gesehen, vielleicht wäre ich in Penasblancas geblieben.«

«Wir haben darüber schon gesprochen«, knurrte Pebas.»Und ich habe dir gesagt, daß meine Tochter kein Spielzeug reicher Herren ist! Ob du jetzt hier lebst oder in Bogota, du bist ein studierter Herr, du bist reich — und was ist Margarita?«