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John Berner, der mit seiner Truppe seitlich den Transport begleitete und auf eine gute Gelegenheit wartete, fluchte fürchterlich, als Dr. Novarra mit seinen Männern in einem Hohlweg die Karawane erwartete.

«Oh, das war nötig!«sagte Henry Duk, der dicke Glatzkopf, und schüttelte Novarra die Hände.»Einen Überfall haben wir schon hinter uns. Und ich habe so ein komisches Gefühl im Nacken, als ob uns viele Augen beobachteten. Vor der zweiten Nacht hatte ich ein Jucken in der Hose.«

Dr. Novarra wußte genau wie Duk, daß um sie herum die Gefahr lauerte. Um zu demonstrieren, was den Gegner erwartete, sagte er zu Dr. Simpson:»Zeigen Sie mal Ihren Minenwerfer her. Oder besser noch, bringen Sie ihn in Stellung.«

Simpson nickte, ließ den schußbereit montierten Werfer von drei Mann zwischen zwei Bäume tragen und öffnete einen der Munitionskästen. Er schob eine der länglichen, grau glänzenden Minen in das dicke Rohr und richtete den Werfer dann auf den gegenüberliegenden Felsen.

Hier lag Brenner in Deckung und begann plötzlich unruhig zu werden.»Auch das noch!«stieß er hervor.»Zurück in Deckung! Sucht euch Überhänge und Höhlen. Schnell!«

«Was soll'n das?«fragte der Mann neben ihm.»Bauen die'n Ofenrohr auf? Wollen wohl in aller Gemütlichkeit kochen?«

«Das ist ein Minenwerfer, du Rindvieh!«keuchte Berner.»Wenn der hinhaut, bist du Gulasch! In Deckung, Männer.«

Berner und seine Kumpane krochen eilig fort, suchten sich kleine Bergaushöhlungen und preßten sich an den Stein. Da krachte es schon, der Donner hallte als Echo mehrfach wider, dann explodierte in den Felsen die Mine und schleuderte eine Wolke von Steinen und Stahlsplittern durch die Luft.

«Hervorragend, Simpson!«sagte Dr. Novarra.»Sie haben da wirklich ein Höllending geklaut! Wer jetzt noch angreifen will, muß kein Hirn mehr haben. Das Krankenhaus ist uns sicher!«

John Berner befahl den Rückzug. Sein altes Geschäft, die Erpressung, war sicherer und risikoloser. Auch da gab es Aufsässige, aber sie wehrten sich nur mit Revolvern, nicht mit Minenwerfern.

In der zweiten Nacht zog sich ein Postenring um die 170 Mulis, aber es blieb alles still. Der Weg zu Dr. Morero war frei.

«Wenn Sie zu nichts nütze wären, Simpson«, sagte am frühen Morgen Dr. Novarra,»gestern hatte Ihr Dasein einen Sinn!«

«Und eines Tages trete ich Ihnen noch in den Hintern, Novarra!«sagte Dr. Simpson beleidigt.»O Gott, wäre das schön, wenn Sie mal als Patient vor mir auf dem Tisch lägen.«

Gegen Mittag erreichte der Trupp das Hochplateau.

Männer, Frauen und Kinder aus der ganzen Umgebung waren versammelt und winkten mit beiden Armen, riefen >Hoch! Hoch!< und gebärdeten sich wie toll vor Freude. Unter ihnen die Männer von der >Burg<, der fast blinde Pepe Garcia, die Familie Pebas und Juan Zapiga mit seiner Frau Nuria und seinen zehn Kindern. Pater Cristobal gab dem Boxer Miguel ein Zeichen. Mit seiner dröhnenden Stimme stimmte er einen Choral an. Schüchtern, mit dünner Stimme, fielen die anderen ein, aber dann sangen sie aus voller Kehle, je mehr schwerbeladene Mulis auf das Plateau getrieben wurden.

Henry Duk, der kleine, fette Glatzkopf, tastete mit den Blicken die Menge ab. Dann fixierte er einen Mann, der in der ersten Reihe stand und seinen Arm um die Hüfte eines hübschen Mädchens gelegt hatte.

Das ist er, dachte Duk. Das ist Dr. Morero. Freue dich nur, mein Junge, in einer Stunde bist du steif.

Henry Duk sollte sich täuschen.

Es dauerte länger als eine Stunde.

Dr. Mohr war nie so ungeschützt, daß Duk seinen Auftrag ausführen konnte. Inmitten der 170 Mulis, der Männer aus der >Burg< und der Guaqueros half er beim Abladen mit, schleppte die wertvollen Kisten voll Medikamente zusammen mit Dr. Novarra, Dr. Simpson, Pater Cristobal und Miguel in das Hospital und überwachte den Transport des auseinandergenommenen Röntgengerätes, des Narkoseapparates und anderer unersetzbarer OP-Einrichtungen.

«Heute abend werden wir uns einen ansaufen!«sagte Dr. Novarra. Er saß auf einer Kiste mit Ersatzteilen des benzinbetriebenen Generators, der den Strom für die elektrischen Geräte erzeugen sollte.

Die Männer hatten eine Pause eingelegt. Ihre Rücken schmerzten vom Kistentragen. Dr. Mohr, schwitzend, das Hemd bis zum Gürtel offen, rauchte eine Zigarette. Auch andere diverse Dinge hatte man mitgeschickt: Tee, Kaffee, Zigaretten aus Amerika, Whisky und kolumbianischen Kognak.»Doctor, sind Sie sich bewußt, daß durch Sie hier ein neues Zeitalter begonnen hat?«fragte Novarra.

«Ich würde das nicht so hymnisch benennen.«

«Aber es ist so. Um diesen Teil der Welt hat sich keiner mehr gekümmert. Über 30.000 Menschen existierten nicht mehr. Sie waren höchstens nur noch Maden, die über die Steine krochen. Ein Leben galt nichts — und da kommen Sie des Weges, bekleidet mit der Unbekümmertheit eines Idioten.«

«Danke.«

«Lassen sich nieder und sagen ganz schlicht: Hier baue ich ein Hospital und behandele diese armen Lebewesen, die außerhalb der Menschheit stehen! Und es gelingt Ihnen sogar: Sie stellen ein Krankenhaus auf die Beine!«Dr. Novarra klopfte sich auf die Schenkel.»Kaum zu glauben! Verraten Sie mir einmal, was den Erzgauner Camargo bewogen hat, Ihnen das alles zur Verfügung zu stellen.«

«Er hat es mir versprochen.«

«Natürlich! Aber mit welchem Hintergedanken? Ein Don Alfonso krümmt nicht mal den kleinen Finger, wenn nicht wenigstens etwas dabei herausspringt. Da er die Guaqueros jetzt ärztlich betreuen läßt, kann das doch nur eines heißen: eine verstärkte Tätigkeit in den Minen. Ein Gesunder schafft mehr als vier Schwache, das ist eine Regel. Dieses wiederum bedeutet: Es kommen viel mehr Smaragde ans Tageslicht.«

«Das mag sein.«

«Sie Trottel vom heiligen Geist! Mehr Smaragde, mehr Tote — das ist die Satansformel. Begreifen Sie das nicht? Auf dem Wege von hier bis Penasblancas, und von Penasblancas bis Bogota lauern die Aufkäufer, die nicht mit Pesos, sondern mit Bleikugeln bezahlen! Und wem es gelingt, Bogota zu erreichen, der muß erst noch die Emerald-Street überleben, denn hier ist die Endstation. Hier muß er seine Steinchen absetzen, sonst sind sie so wertlos wie Kiesel. Dann stehen sie sich gegenüber: Die Dealer mit den Ausbeulungen in ihren Jacketts und die Schürfer mit ihrem grünen, glitzernden Vermögen in verknoteten, dreckigen Taschentüchern. Das ist eine geradezu elementare Situation! Sie wird in Zukunft in verstärktem Maße stattfinden, dank Ihrer ärztlichen Tätigkeit. Sie päppeln Menschen hoch, damit man sie später erschießen oder erdolchen kann. Kom-men Sie da nicht in einen Gewissenskonflikt, Doctor?«

«Ich will nur den Kranken helfen, Ramon. Was sie aus ihrem Leben machen, ist ihre Sache.«

«Sie ähneln den Ärzten im Krieg, die auch nicht mit ihrem Gewissen klarkommen. Vom ärztlichen Ethos angehalten, flicken sie jeden Verwundeten wieder zusammen, nur mit dem Ziel, den Gesunden dann wieder an die Front zu schicken, damit er die Chance hat zu sterben. So wird der Arzt Gehilfe eines Völkermordes, so furchtbar das klingt! Auf der einen Seite muß er helfen und heilen, auf der anderen Seite versorgt er damit den Nachschub für den Tod. Jeder Geheilte ist ein neues Opfer! Doctor, ich möchte kein Arzt sein, der die Zurechtgeflickten beglückwünscht und mit dem Wissen entläßt, daß ein neues Sterben auf sie wartet! Wie haltet ihr das bloß aus?«

«Eine böse Frage, Dr. Novarra. «Dr. Mohr trat seine Zigarette aus.»Ich habe das Glück gehabt, nicht mehr in diese Zeit hineinzukommen. Ich glaube, man rettet sich in die Phrase: Es ist fürs Vaterland!«

«Und hier?! Hier ist es für Camargo… für die Smaragde… für die teuflischen grünen Steine. Sie arbeiten auch nur für die Ausbeutung, für die Vernichtung. Erkennen Sie das jetzt?«