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«Hinaus!«sagte er schroff zu Pebas.

«Ich will beichten, Pater.«

«Du hast dich mir in den Weg gestellt. Du hast verhindert, daß ich Duk rette.«

«Darum möchte ich beichten. Ich möchte auch für den Jungen hier beichten, der das Messer geworfen hat. Er weiß noch nicht, was beichten ist, er hat es nie gelernt. aber hätte er das Messer nicht geworfen, lebte Henry Duk jetzt noch. Tot wäre nur unser Medico. Mit einem Giftpfeil erschossen. Aber anscheinend wäre das richtiger gewesen, als Duk zu töten. Ich kenne mich da nicht mehr aus, Pater. Darum will ich beichten und Gottes Wort hören. Ist ein ermordeter Mörder mehr wert als ein gerettetes Opfer? Sie werden mir das erklären, Pater.«

«Er hatte noch nicht getötet!«sagte Cristobal laut.

«Ein Bruchteil einer Sekunde lag dazwischen. Er hatte die Backen zum Blasen gefüllt, als ihn das Messer traf. Für Duk war Dr. Mo-rero schon tot! Hätte man ihn schießen lassen sollen?«

«Adolfo! Welche Frage!«Der Pater kam näher. Pablo, der Junge, bedeckte noch immer das Gesicht mit der gesunden Hand und weinte leise in sich hinein.»Was willst du noch hier?«

«Ich wollte zu Gott sagen: Ich habe verhindert, daß man Duk rettete. Also habe ich ihn mitgetötet. Und ich bereue nichts, ich bin stolz darauf. Die Welt ist um eine Bestie ärmer. Nun, was sagt Gott dazu?«

«Er ist traurig, Pebas«, sagte Cristobal langsam.»Traurig über alle Menschen. Aber er verzeiht dir, wie er jedem verzeiht, auch diesem Toten da vor dem Kreuz. Verstehst du das?«

«Nein!«Pebas drehte sich weg.»Wer Blut sät, soll Blut ernten, das ist mein Spruch. Wer anders denkt, hat in den Bergen bei Penas-blancas nichts zu suchen. Pater, Sie werden vor leeren Bänken predigen.«

Er faßte Pablo sanft am Arm, zog ihn hoch, legte dann seinen Arm um die Schulter des Jungen und führte ihn aus der Kirche.

Dr. Mohr sah Pater Cristobal ernst an, als dieser zum Altarraum zurückkehrte.

«Wir werden es verdammt schwer haben, Cris«, sagte er und vermied es, den Toten anzusehen. Das Gift färbte seine Haut hellgelb.»Ich bin mir da noch nicht klar: Entweder denken wir zu normal oder zu anormal. Auf jeden Fall leben wir in einer Welt, für die wir noch kein Rezept haben.«

Am Abend, als die großen Feuer angezündet wurden und die Mulis getränkt und gefüttert waren, kam Dr. Novarra in die Kirche.

Pater Cristobal und Dr. Mohr saßen auf einer Liege neben dem Holzkreuz. Die Leiche von Henry Duk war vor einer Stunde begraben worden. Juan Zapiga hatte sie mit einem düster blickenden Nachbarn abgeholt und versprochen, sie zu verscharren. Aber er tat es nicht. Sie schleppten die Leiche zu einem Abhang und warfen sie in die Tiefe. Geier und Hyänen würden dafür sorgen, daß von Duk nichts mehr erhalten blieb als ein paar Knochen.

«Ihr Prunkstück ist soweit fertig, wie wir konnten«, sagte Novarra.»Die Betten stehen, um den ärztlichen Bereich müssen Sie sich schon selbst kümmern, Doctor. Auch der Generator ist schon Probe gelaufen. Wenn Sie wollen, Doctor, können Sie Ihr Hospital jetzt einweihen, und der Pater kann den Weihwasserwedel schwingen. Oder grollen die Herren noch immer?«Dr. Novarra machte eine weite Armbewegung.»Sie sollten sich das ansehen, Dr. Morero. Don Ca-margo hat an alles gedacht, sogar an eine schmucke Schwesterntracht mit Schürze und Häubchen. Und das hier! Aber alles, was recht ist: Ihre Margarita sieht in der Tracht aus wie ein weißer Engel. Darf ich Sie einladen, Doctor? Ihr Personal wartet auf den Chef..«

Kapitel 11

Es war ein verrückter Anblick, der sich Dr. Mohr bot, als er von der Kirche hinüber zu dem Hospital ging. Die Guaqueros bildeten eine Gasse und klatschten in die Hände, als sei Dr. Mohr ein berühmter Star, der soeben die große Bühne betreten würde.

Nicht anders war es aber auch. Ein makabres Stück, eine rührende Komödie, eine beklemmende Vision: Da standen in dem halbfertigen Bau, an dem noch die Türen und die Fensterscheiben fehlten, zwei Frauen in Schwesterntracht. Mit blauen langen Röcken, weißen, gestärkten Schürzen und kleinen Häubchen auf den schwarzen Haaren. Sie warteten an der Tür des Hospitals, Blumen in den Händen, und alle bewunderten Maria Dolores und Margarita ob ihrer Veränderung. Sie sahen direkt respektheischend aus.

Im OP, dem großen Zimmer, das die ganze Breite des Hauses einnahm, stand in der Mitte, einsam, aber dadurch besonders eindrucksvoll, der gerade montierte Operationstisch. Daneben hatte sich gleich einer Ehrenwache, ebenfalls in einem weißen Kittel, Dr. Aldous Simpson aufgebaut. Aus seiner Manteltasche baumelten die Gummischläuche eines Membranstethoskopes. Während Dr. Mohr langsam durch das Spalier der Schürfer schritt, überholte ihn der massige Miguel im Laufschritt, verschwand im Hospital und tauchte kurz darauf, breit grinsend, an der Seite Dr. Simpsons auf. Bekleidet mit einer bodenlangen Gummischürze, als wolle er im Blut rühren und mit amputierten Gliedern jonglieren.

«Ihr seid verrückt«, sagte Mohr mit zugeschnürter Kehle.»Ihr seid total verrückt!«Er nahm die Blumensträuße von Maria Dolores und Margarita entgegen, küßte beide auf die Wange und betrat dann unter dem Jubel der Guaqueros das Hospital. Vor dem OP hing an der Wand ein Schild, mit dicken Nägeln an das Holz gehämmert. Mit Kreide hatte Dr. Simpson darauf geschrieben:

Operations-Plan: Freitag

1) Septische Schußverletzung linker Oberarm

2) Carbunculi Nacken und linke Rückenhälfte

3) Luxation Schultergelenk links

4) chirurgische Ambulanz

Dr. Mohr blieb stehen. Miguel grinste noch breiter und streichelte seine rotbraune Gummischürze.»Guten Tag, Chef!«sagte Dr. Simpson fröhlich.

«Aldi, das ist Ihre Inszenierung?«

«Gemeinschaftsarbeit, Kollege. Das Leben hier draußen ist, wie Sie wissen, so beschissen, daß man glücklich über jede Feier ist. Und wenn das kein Anlaß ist, ein neues Hospital, das erste in dieser Gegend, solange die Welt besteht, dann gibt es überhaupt keinen Grund mehr zu feiern!«

Rührung überkam Dr. Mohr. Er sah sich im OP um. Die Kisten standen zwar geöffnet, aber noch unausgepackt an den Wänden. Vier Blechschränke mit weißer Emaillelackierung lehnten, noch nicht zusammengesetzt, daneben: die Instrumenten- und Medikamen-tenschränke. Im Nebenraum stapelten sich die schweren Kisten des Röntgengerätes. Das Narkosegerät, besonders empfindlich, war mit einer Plane abgedeckt.

Dr. Novarra, der draußen auf dem Vorplatz geblieben war, hob die Hand. Im gleichen Augenblick ratterte der Motor des Generators los. Eine armselige Glühbirne an der Decke des OPs begann zu flackern und zu zucken, dann brannte sie, hell leuchtend und eine neue Zeit verkündend.

Die Menschenmenge vor dem Hospital klatschte wieder in die Hände. Dr. Simpson wischte sich ergriffen über das Gesicht.

«Das ist wie eine zweite Schöpfung, Kollege. Licht! Elektrisches Licht! Man möchte sich darunter stellen und sich bestrahlen lassen, als sei's eine Dusche! Und Sie stehen da und sagen kein Wort.«

«Fangen wir an!«Dr. Mohr atmete tief auf. Miguel rannte los, riß einen weißen Arztkittel aus einem Karton, entfaltete ihn und hielt ihn auf. Dr. Mohr zog ihn an und hörte, wie hinter ihm ein Rollwagen hereingefahren wurde.

Margarita kam mit einem Arsenal von Instrumenten, alle noch steril in Plastikhüllen verschweißt. So, wie sie verpackt gewesen waren. Sie blieb neben dem OP-Tisch stehen und lächelte madonnenhaft.

«Ich weiß nicht, was du brauchst«, sagte sie.»Ich habe einfach von allem ein Stück genommen. War das falsch?«

Er schüttelte den Kopf. Die geschäftige Hilflosigkeit um sich herum fand er rührend. Ein Chaos von Kartons und Kisten umgab ihn, immer neue wurden von draußen hereingeschleppt, aufgeschnitten, Holzdeckel aufgestemmt… und zwischen diesen Materialbergen saßen geduldig die Patienten auf Kistenrändern oder Säcken und warteten auf ihren Medico.