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«Aldi, wir ziehen die Luxation vor!«sagte Dr. Mohr.»Ich sehe gerade da hinten einen Karton mit elastischen Binden und Schienen. Her damit! Kümmern Sie sich um die Herrichtung des Instrumentariums für die Schußverletzung. Die Luxation richte ich mit Miguel allein. Wo der festhält, rührt sich kein Bulle mehr.«

Spät in der Nacht saß Dr. Mohr dann auf einem Hocker neben dem Operationstisch und sah mit hohlen Augen zu, wie Miguel mit einem einfachen Reisigbesen, der aller Hygiene und Sterilität Hohn sprach, den OP ausfegte. Er war todmüde. Maria Dolores hatte ihm einen starken Tee gekocht, aber auch der Schnaps, den sie dazwischenmischte, konnte ihn nicht mehr aufmuntern. Margarita stand hinter ihm und massierte ihm die Nackenmuskeln, ein altes Hausmittel, das sonst immer half. In diesem Stadium der Erschöpfung war es nur wie ein dumpfes Streicheln.

Dr. Simpson, der begonnen hatte, neben der Patientenkartei auch noch eine Operationskartei anzulegen, hockte vor einem kleinen Tisch mit emaillierter Blechplatte und reckte sich mit einem langgezogenen Seufzen.

«Das waren heute in der chirurgischen Ambulanz 49 Fälle. Morgen werden es 80 sein, übermorgen 100 und mehr. Chef, dabei gehen wir vor die Hunde. Das ist zeitlich nicht zu schaffen, medizinisch überhaupt nicht! In ein paar Tagen werden wahre Wanderungen stattfinden. Da schleppen sie die Kranken auf Mulis oder auf dem Rücken zu uns und legen sie uns vor die Tür, wenn wir sagen: Schluß! Es geht nicht mehr! Wir können hier zehn Ärzte gebrauchen.«

«Dann wird es eben Wartezeiten geben. «Dr. Mohr hielt Marga-ritas Hände fest. Ruhe. jetzt brauche ich Ruhe, dachte er. Schlafen möchte ich. rund um die Uhr. Die Ohren und die Augen verkleben, nichts mehr hören und sehen. nur schlafen.»Nur die wirklich dringenden Fälle werden angenommen.«

«Jeder, der hierher kommt, betrachtet seine Krankheit als dringend behandlungsbedürftig. Sagen Sie denen maclass="underline" Jungs, geht wieder nach Hause. Ihr seid nicht so krank, um behandelt zu werden. Gießt euch kaltes Wasser über den Leib, das hilft auch! Wissen Sie, was dann passiert?«

«Ein großes Geschrei.«

«Wenn's nur das wäre!«Simpson wischte sich mit beiden Händen über das zerknitterte Gesicht.»Je nach Temperament werden die einen Sie bespucken, andere Ihnen in den Hintern treten, ganz Rabiate stürmen das Hospital und zwingen Sie mit gezogener Pistole, sie zu untersuchen, und wenn das alles nicht hilft, schlagen sie hier alles kurz und klein, damit auch den anderen nicht geholfen werden kann. Hier reagiert niemand wie ein vernünftiger Mensch! Der Berg, die kleinen grünen Steine haben das Gehirn aufgefressen! Das glaubt keiner, aber es ist so! Wer monatelang oder gar jahrelang in den Minen gelegen hat und sich in den Fels wühlte, der hat die Mentalität eines Hammers und eines Meißels. mehr nicht!«

«Dann geben wir Nummern aus.«

«O Himmel, das ist ja noch schlimmer!«Dr. Simpson schlug die Hände zusammen.»Stellen Sie sich vor: Da bekommt einer die Nummer 378 und weiß, daß er fünf Tage warten muß. Fünf Tage fallen aus. In diesen fünf Tagen könnte er vielleicht auf eine Smaragdader stoßen und Millionär werden. Daran glauben sie ja alle! Und da ist jemand vor einem, der hat die Nummer 27 und kommt schon morgen dran. Ein mickriger Bursche, der sich die Schwindsucht aushustet. Was wird passieren, Chef? Die Nummer 378 wird die Nummer 27 ohne ein Wimpernzucken umbringen, um das Zettelchen 27 zu erben! Das wird jeder mit jedem machen, der vor ihm steht! Ein Massenmorden wird das werden, vor unserer Tür, und jeder wird sich im Recht fühlen! Moral? Skrupel? Was ist das? Sind das neue Tabakmarken?!«

«Haben Sie eine Lösung parat, Simpson?«

«Es müssen noch Kollegen her!«

«Woher nehmen?«

«Sprechen Sie mal mit Ihrem Gönner Don Camargo. Er hat einen Idioten wie Sie gefunden, möglich, daß es auch noch andere Idioten gibt!«

«Danke. «Dr. Mohr erhob sich und legte den Arm um Margari-tas Schulter.»Ich werde jetzt schlafen. Ich bin für nichts mehr aufnahmefähig, selbst nicht für Massenmorde! Was machen Sie noch, Aldi?«

«Ich packe weiter aus. Morgen haben wir eine tolle Phlegmone des linken Oberschenkels. Da müssen wir weit ausschälen. Eine konservative Behandlung ist da nicht mehr möglich. Der Knabe liegt um 9 Uhr auf dem Tisch.«

«Simpson, ich bin ein durchtrainierter Kerl und habe heute gestrichen die Schnauze voll. Sie sind ein Wrack und sind nicht kleinzukriegen. Wie schaffen Sie das?«

«Es sind zwölf Kisten mit Whisky angekommen«, sagte Dr. Simpson fröhlich.

«Aldi!«Dr. Mohr starrte den ausgelaugten Arzt an.»Wieviel haben Sie bereits gesoffen?«

«Genau eine halbe Flasche! Chef. meckern Sie nicht! Kein Motor läuft ohne Sprit und Öl! Betrachten Sie mich als einen Motor, dann hat alles seine Richtigkeit!«

«Wenn bei der Operation Ihre Hände zittern, jage ich Sie zum Teufel!«

«Sie werden zittern, wenn ich nicht saufe!«Dr. Simpson gähnte mit weit offenem Mund.»Da haben Sie's! Ihr verdammtes Antialkohol-Geschwätz erzeugt bei mir Müdigkeit! Sie werden sehen: Morgen früh jongliere ich mit dem chirurgischen Besteck wie Rastelli! Der konnte es mit sieben Bällen, ich kann es mit zehn Venenklemmen.«

Dr. Mohr war zu erschöpft, um mit Dr. Simpson wieder in eine Auseinandersetzung zu geraten. Er winkte nur ab und verließ, auf Margarita gestützt, den OP.

Sein Wohntrakt war noch nicht fertig. Er schlief nach wie vor bei den Pebas in einer Nebenhöhle, aber ab heute lag Margarita neben ihm, nicht als Geliebte, sondern von ihm getrennt, in eine Decke gewickelt. Aber sie lag an seiner Seite, sie demonstrierte, daß sie zu ihm gehörte. Wenn sie die Hand ausstreckte, konnte sie ihn berühren, und das genügte ihr. Viel Trotz war dabei. Der Wille, erwachsen zu sein. Eine Frau.

Irgendwann in dieser Nacht stand Adolfo Pebas vor ihnen und blickte auf die beiden Schlafenden hinunter. Er schlug ein Kreuz über seine Tochter, seufzte verhalten und tappte zurück in seine große Wohnhöhle.

Zwei Tage lang geschah genau das, was Dr. Simpson prophezeit hatte: Eine wahre Völkerwanderung setzte ein, nachdem sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen hatte, daß das Hospital geöffnet sei.

Was an Krankheiten zu Dr. Mohr gebracht wurde, war unvorstellbar.»Davon kann eine Universitätsklinik leben«, sagte er zu Simpson.»Wir müssen sehen, daß wir so schnell wie möglich voll fankti-onstüchtig werden.«

Die Männer von der >Burg< packten weiter die Kisten aus, stellten die Betten auf, bauten Regale und Schränke zusammen, zogen Leitungen von dem Generator in den Raum, wo das Röntgengerät stehen sollte, und montierten nach der beiliegenden Anleitung das Narkosegerät zusammen, während die beiden Ärzte untersuchten, injizierten, verbanden oder gar operierten. Das geschah noch mit Äther. Der süßliche, widerliche Geruch wälzte sich über das ganze Felsplateau und über die Menge der vor dem Hospital Wartenden.

Es zeigte sich, daß Novarra nicht übertrieben hatte: Die Männer aus der >Burg< setzten sich aus vielen Fachleuten zusammen. Elektriker waren dabei, Monteure, sogar zwei Ingenieure, die sich um das Röntgengerät kümmerten, als hätten sie nichts anderes getan, Schreiner und Klempner und sogar ein ehemaliger Radiotechniker, der sich mit dem Narkosegerät auseinandersetzte und es tatsächlich einsatzbereit machte.

In den wenigen Pausen kümmerte sich Dr. Mohr um die Einrichtung der Apotheke und des Ambulanzzimmers, packte die Medikamente aus und sortierte sie nach Gruppen. Ab und zu kam auch Pater Cristobal herüber und machte sich nützlich. Er räumte die Schränke ein, trug die Matratzen herum und half beim Einsetzen der Fenster.

«Noch eine Woche, Pete«, sagte er und rieb sich die Hände,»dann ist beides fertig: das Hospital und die Kirche.«