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Zwei Stunden später hörten sie auf dem Plateau von weitem die ersten Schüsse. Dann knatterte es in der Luft. Ein Hubschrauber überflog die Gegend, drehte ab, kam zurück und kreiste über dem Hospital und der Kirche. Pater Cristobal sah deutlich, wie der Pilot in der Glaskanzel in sein Mikrofon sprach und die Soldaten zu dem Plateau lenkte.

Mit dem Spähtrupp, also als erster, erreichte Major Luis Gomez die einsame Schlucht und stieg den Hohlweg hinauf. Er sah die Herde der über 170 Mulis in der Niederung weiden und atmete auf. Der Transport ist also angekommen, dachte er. Meine Befürchtungen waren umsonst. Ein Glück haben die Kerle! Wäre der Transport nicht angekommen, ich hätte jeden, bei dem ich auch nur eine Spritze gefunden hätte, an die Wand gestellt.

Dr. Mohr und Pater Cristobal standen in dem Bettensaal, als Major Gomez das Hospital betrat. Daß um ihn herum alles still war, wie ausgestorben, wunderte ihn nicht. Wohin er bisher gekommen, war es nicht anders gewesen. Sein Ruf, entgegen seiner Vorgänger unbestechlich zu sein, weder mit Smaragden noch mit Mädchen, fegte die Plätze leer.

Gomez ließ das Plateau absichern, brachte zwei MGs in Stellung und betrat dann mit ausgestreckten Händen und breitem Grinsen das Ziel seiner militärischen Aktion.

«Freunde!«rief er begeistert, als er Dr. Mohr und den Pater sah.»Welch ein Wiedersehen! Nach so langer Zeit! Madonna, was ist alles passiert in diesen Wochen! Das werden wir feiern!«

Er rannte auf die beiden zu, umarmte die beiden, drückte ihnen Küsse auf die Wangen und klopfte ihnen die Schultern. Dann drehte er sich um, überblickte die lange Bettenreihe und klatschte in die Hände.»Welch eine Galerie von Halunken! Mindestens 500 Jahre Gefängnis vereint! So etwas sieht man selten! Pater, wie sehen Sie denn aus? Muß man hier das Wort Gottes mit der MPi predigen? Solche Kerle sind das? Ich bewundere Sie beide.«

«Das sind Patienten, Major!«sagte Dr. Mohr. Die freudige Begrüßung ließ ihn aufatmen und neue Hoffnung sehen.»Sie sind unantastbar.«

Major Gomez zog das Kinn an. Der berühmte Feldherrnblick sprang in seine Augen.»Verhören muß ich sie! Sind Kerle aus der >Burg< darunter?«

«Ich unterstehe der Schweigepflicht, Major.«

«Darum bin ich jetzt hier! Ich werde die >Burg< stürmen und endlich diese Pestbeule ausbrennen!«Draußen hörte man, wie das Gros des Bataillons heranmarschierte. Hunderte Stiefel knirschten über den Boden. Kommandos ertönten. Mulis schrien.

«Ich betrachte Sie als meinen Gast, Major«, sagte Dr. Mohr ruhig.»Wir alle stehen hier, einen alten Freund zu empfangen, keinen Feind, der vernichten will. Ich bitte Sie um Frieden.«

In Dr. Mohrs Ordinationszimmer war der Tisch gedeckt. Adolfo Pebas hatte drei Metalltische zusammengeschoben, ein Bettuch darüber gebreitet und das Geschirr aufgestellt, das Don Camargo mitgeschickt hatte: Steingutschüsseln, flache Teller und Becher. Über einem offenen Feuer, vor dem noch fehlenden Fenster, bruzzelte ein Lamm. Der Duft zog aufreizend durch das ganze Hospital, als Dr. Mohr die Tür, die gerade einen Tag alt war, aufstieß.

Major Gomez blieb verblüfft stehen. Sein Blick fiel auf die beiden Frauen in Schwesterntracht. Pebas, mit seiner OP-Gummischürze, begoß aus dem Fenster heraus den Braten.

«Träume ich?«fragte Gomez.»Freunde, wo bin ich denn hier? Schwestern! Richtige Schwestern! Das gibt's doch gar nicht! Schwester Maria Dolores und Schwester Margarita.«

Gomez, als galanter Spanienabkömmling, begrüßte die beiden Frauen mit einem Handkuß, ahnungslos, wem er diese Ehre zuteil werden ließ. Pebas, der am Fenster stand, beobachtete die Szene und vergaß vor Entgeisterung, daß er so wenig wie möglich auffallen sollte. Ein Offizier küßt Maria Dolores Pebas die Hand. Das gilt als das unverschämteste Märchen, wenn man es später jemandem erzählt. Für solch dickaufgetragene Lügen kann man Prügel bekommen. Aber es war Tatsache! Maria Dolores lächelte sogar dabei, als habe man ihr zeit ihres Lebens nur die Hände geküßt.

«Auch von Don Camargo exportiert?«fragte Gomez.

«Nein, selbst angelernt, Major«, sagte Dr. Mohr.

«Und das alles in so kurzer Zeit? Doctor, pfuschen Sie Gott nicht ins Handwerk und spielen Sie Schöpfer! Lassen Sie dem Pater auch noch etwas übrig!«Er lachte dröhnend, setzte sich an den Tisch und schwieg, weil der Hubschrauber wieder sehr tief über sie hinwegknatterte.

Ein junger Leutnant kam herein und knallte die Hacken zusammen.»Das Bataillon ist vollzählig eingetroffen!«meldete er.

Gomez winkte ab.»Lassen Sie biwakieren! Wachen im Umkreis. Spähtrupps nach allen Seiten. Absicherung. In einer Stunde Offiziersbesprechung.«

Der Leutnant wiederholte die Befehle und ging hinaus. Major Gomez sah zu Dr. Mohr hinauf. Er erwartete eine Anerkennung.

«Zufrieden? Ich hätte auch den Weitermarsch zur >Burg< befehlen können.«

«Ohne die Männer aus der >Burg< wäre ich gescheitert, Major. Das weiß ich jetzt. Man kann mit schönen Worten keine Bäume fällen oder Steine zerklopfen. Hospital und Kirche sind ihr Werk.«

«Das hat sich sogar bis Muzo herumgesprochen. Wir haben alle die Maulsperre vor Staunen bekommen. Hospital, na gut, davon profitieren auch diese Kerle. Aber die Kirche! Was wollen die Halunken mit Gottes Wort?«

«Sich erholen«, sagte Pater Cristobal.»Ich habe nie eine gläubigere Gemeinde gehabt als hier in den Bergen.«

Pebas beugte sich aus dem Fenster, schnitt das Lamm an, probierte und meldete mit verstellter Stimme, als kenne man seine richtige Stimme und sie gehöre zu seinem Steckbrief:»Das Lämmchen ist gar.«

Pater Cristobal setzte sich. Er legte die Maschinenpistole neben sich auf den Tisch, als gehöre sie zum Besteck. Gomez schielte zu ihr hinüber und sah, daß sie schußbereit war.

«Pater, Sie trauen den Lämmern aber nicht besonders«, sagte er säuerlich.»Sind sie wirklich so zäh, daß man sie auseinanderschießen muß? Oder wird aus dem Weihwasserwedeln in den Bergen eine MPi?«

«So ist es, Major. «Der Pater lächelte freundlich.»Es gibt Situationen, in denen Gott sich daran erinnert, die Mauern von Jericho umgeblasen zu haben.«

«Der hatte es gut. «Gomez betrachtete mit kauendem Unterkiefer das Stück Lamm, das ihm Margarita servierte.»Er stieß ins Horn, und schon hatte er gesiegt. Ich wünschte, auf diese Art könnte man an die >Burg< heran!«Er schnitt ein Stück Braten ab, kaute genußvoll und nickte zufrieden, als Pebas ihm Wein einschenkte.»Doctor, stimmt es, was man munkelt? In der >Burg< soll sich Jose Ban-dilla verborgen halten?«

«Ich kenne keinen Bandilla. «Dr. Mohr bekam seinen Braten und schnitt ihn an. Woher weiß er das, grübelte er dabei. Wie konnte das nach außen dringen? Wer wurde hier zum Verräter? Novarra selbst? Aus Angst vor einem gesunden Bandilla? Das war unlogisch, denn damit lockte der ja seinen eigenen Untergang herbei. Wo also war hier eine Lücke in der >Burg<?

Gomez kaute mit vollen Backen.»Sie kennen Bandilla nicht? Sie auch nicht, Pater? Haben Sie die Politik der letzten Jahre verschlafen?«

«Ich war im Ausland«, gab Dr. Mohr zu bedenken.

«Ach ja. Vergaß ich, Doctor. Und Sie, Pater, hören im Kloster nur die Glocken läuten, was? — Bandilla ist momentan Staatsfeind Nummer eins! War plötzlich spurlos verschwunden. «Er sah Dr. Mohr forschend an.»Sie wissen wirklich nichts, Pete?«

«Die Männer aus der >Burg< haben mein Hospital gebaut, aber keine Politik mit mir getrieben.«

«Sie waren nicht in der >Burg<?«

«Nein!! Soweit geht unsere Freundschaft nicht. Die Männer kamen am Morgen und gingen am Abend. Ich kenne nicht einmal einen einzigen Namen von ihnen.«

«Eine Bande, sage ich Ihnen, eine Bande! Ich habe die Berichte meiner Vorgänger gelesen. Haarsträubend! Es sollte mich nicht wundern, wenn Bandilla wirklich bei ihnen untergekrochen ist. Ein besseres Versteck kann er sich nicht suchen.«