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Am Abend loderten die Lagerfeuer auf dem Plateau, in der Schlucht und im Hohlweg. Pater Cristobal gab einen Militärgottesdienst. Zwei Sanitätsgefreite sprangen als Meßdiener ein, der fast blinde alte Pepe Garcia hockte hinter dem Altar und spielte auf einer alten Mund-harmonika die Kirchenlieder, so wie er sie noch im Gedächtnis hatte. Es war nicht mehr viel Erinnerung, die Lieder klangen mehr nach einem Tänzchen.

In der Nacht schlich Pebas zur >Burg<. Er umging die Wachen und Patrouillen. Auf halber Höhe, an den Felsen entlang, auf einem Pfad, der kaum einen halben Meter breit war, kroch er ins Nebental. Dort stieß er auf die Posten der >Burg<.

«Wenn das stimmt«, sagte Novarra und blickte Pebas böse an. Er war aus dem ersten Verteidigungsring herausgekommen und saß mit Pebas auf einem Steinhaufen.»Wenn das wirklich stimmt.«

«Du kannst mich zerhacken.«

«Man sagt über seine Schwiegersöhne oft nur Gutes, selbst wenn es nach Dreck stinkt!«

«Warum sollte ich? Wäre das ein Grund, unter Lebensgefahr hierher zu kommen?«

«Das ist logisch. «Dr. Novarra strich mit gespreizten Fingern durch seinen Bart.»Fassen wir zusammen: Major Gomez wird uns nicht angreifen. Er wird morgen wieder abziehen und die 170 Mulis nach Penasblancas zurückbringen. Dort wird er sich Christus Revaila und seine Privatarmee kaufen. Er wird auch >Mamas< Etablissement ausräuchern, den Laden auflösen und die Mädchen entweder nach Bogota transportieren oder nach Muzo. Perdita Pebas soll zu dir geschafft werden.«

«So ist es. «Pebas nickte.»Ich werde sie erschlagen, wenn sie ankommt.«

«Du wirst weinen vor Freude und Glück, du sturer Bock! Weiter: Das Militär wird die Straße offen halten und Transporte ungehindert in die Berge lassen. Die überall lauernden Aufkäufer der Smaragdhändler werden kassiert. Die Macht von Don Camargo wird so an der Wurzel gebrochen. Pebas, das sind Phantastereien! Das ist nie durchführbar! Weißt du, was geschieht? Camargo wird einen Minister zum Abendessen einladen. Dann wird man Major Gomez zum Oberstleutnant befördern und zum Kommandanten irgendeines Militärstützpunktes ernennen. Weg ist der unbequeme Mann aus Muzo. Sein Nachfolger wird wieder hinter dem Rücken die Hand offen halten, und alles bleibt beim alten! Solange es grüne Steine gibt, so lange sind die verflucht, die sie ausgraben!«

«Warten wir es ab. Wenn Gomez die >Burg< nicht angreift.«

«.dann wird der Doctor zu einem Heiligen«, unterbrach Novarra.»Er wird der mächtigste Mann in den Bergen werden. Eine Sagengestalt.«

«Bis Bandilla gesund wird«, sagte Pebas dunkel.»Und der Doctor macht ihn gesund. So dämlich ist er!«

«So ehrgeizig. «Dr. Novarra erhob sich und gab Pebas die Hand.

«Wir werden uns bald entscheiden müssen, wer wichtiger für uns ist: Bandilla oder Dr. Morero.«

«Das ist keine Frage mehr. «Pebas zog wie frierend die Schultern nach vorn.»Bandilla war ja bereits für alle tot.«

Novarra nickte. Man hatte die gleichen Gedanken. Es wäre Selbstmord, wenn hier die Menschlichkeit über die kalte Vernunft siegte.

Gomez griff die >Burg< nicht an.

Aber er ließ es sich nicht nehmen, sie zu besichtigen. Allein mit Dr. Mohr ritt er auf einem Muli in das Nebental und stand dann vor dem hohen Steinwall, der das geheimnisvolle Felsenlabyrinth umgab. Dr. Novarra hatte alle Posten zurückgezogen. Er ließ Major Gomez die Freude, ein unerreichbares Ziel zu betrachten.

«Man könnte mit Artillerie die Bude sturmreif schießen«, sagte Gomez leise, als halle in der Stille um sie herum seine Stimme wie durch einen Lautsprecher.»Mit Raketen ist das kein Problem. Und Raketenwerfer bekomme ich bis hier herauf.«

«Major. «Dr. Mohr lächelte mahnend.»Wir wollten uns nur den Naturschönheiten hingeben.«

«Tue ich ja. «Gomez grinste.»Meine Liebe gehört der Gartenarchitektur. Ich gestalte gern um. Mich stört zum Beispiel der Steinwall da. Er ist nicht natürlich gewachsen wie der Fels. Wenn man ihn wegsprengt, ist die Natur wieder sauber.«

«Was hätten Sie in Muzo davon?«

«Da haben Sie wieder recht, Doctor. «Gomez lehnte sich an sein Muli, das geduldig und reglos hinter ihm stand und wartete.»Sie verlangen viel, wissen Sie das?«

«Wieso?«

«Jeden Offizier reizt die Einnahme einer angeblich uneinnehmbaren Festung. Militärisch gesehen gibt es keine uneinnehmbaren Stellungen. Dafür gibt es aus dem letzten Weltkrieg massenhaft Beispiele. Die Maginot-Linie, der Westwall, der Atlantikwall, die Alpenfestung. lauter legendäre Stellungen, die butterweich wurden, als man sie richtig nahm.«

«Vergessen Sie die >Burg<, Gomez. Sie und ihr Bataillon sind weit weg in Muzo, aber diese Männer sind neben mir. Ich brauche sie. Sie schützen mich. Das können Sie nicht, Major.«

«Zugegeben, das ist auch der einzige Grund, warum ich plötzlich unmilitärisch denke. Eine verrückte Lage: Gesuchte Halunken bauen ein Hospital und bekommen dafür einen Strafaufschub! Das darf man gar nicht laut sagen! Aber mehr ist es nicht, Pete, das muß ich Ihnen ganz klar sagen: Nur ein Aufschub! Keine Generalamnestie! Heute bin ich nur gekommen, um zu sehen, ob der Krankenhaustransport bei Ihnen gelandet ist. Er ist es — also rücke ich morgen wieder ab und schnappe mir auf dem Rückweg einige kleine Gauner! Als billigen Ersatz. Aber ich komme wieder, muß wiederkommen, denn ich habe meinen Auftrag!«

«Melden Sie sich bitte frühzeitig an, Major. Ja?«

«Sie verdammter Seelenmasseur!«

«Nur wegen des Bratens. Das nächstemal braten wir einen jungen Ochsen am Spieß. Diesmal mußte alles so schnell gehen.«

«Hätte ich Sie doch nie getroffen, Doctor!«Major Gomez kletterte auf sein Muli und blickte zur >Burg< zurück. Er wußte, daß viele Augen ihn beobachteten.»Was passiert, wenn ich näher heranreite?«fragte er.

«Nichts! Sie sind ja allein.«

«Das da vorn sieht aus wie ein Todesstreifen.«

«Es ist auch einer. Wenn mehr als drei Mann ihn betreten, gibt es drei Gräber mehr.«

«Und keinen sieht man! Eine phantastische Tarnung. Wer führt die Bande an?«

«Keine Ahnung«, sagte Dr. Mohr. Es kam ihm glatt von den Lippen.»Ich habe ja schon erwähnt: Namen nennt keiner. Die Männer arbeiten stumm, wie Roboter. Manchmal ist es unheimlich.«

Gomez konnte das nachfühlen. Er gab seinem Muli einen Hak-kentritt und ritt langsam an. Dr. Mohr folgte ihm. Irgendwo in den zerklüfteten Felsen hockte Dr. Novarra und blickte ihnen nach. Ganz fern, vom Plateau her, ertönten Trompetensignale. Das Bataillon sammelte sich zum Abmarsch.

«Er hat es tatsächlich erreicht«, sagte Dr. Novarra und atmete auf.»Jetzt haben wir bei ihm eine Schuld, die wir nie bezahlen können. «Er räusperte sich und blickte sich um.»Was wird nun aus Jose Bandilla?«

Drei Wochen dauerte es noch, bis das Hospital auch nach Ansicht Dr. Mohrs voll funktionsfähig war. Die Türen und Fenster waren eingesetzt, die einzelnen Abteilungen eingerichtet. Im Laborraum glänzten auf zwei langen Tischen die Glaskolben, Reagenzgläser, zwei Mikroskope und andere technische Geräte; im Röntgenraum war der Apparat endlich aufgebaut, im abgedunkelten Entwicklungsraum war alles zum Einsatz bereit. Der OP hatte jetzt alle Einrichtungen, die man für mittelgroße Operationen brauchte, aber wie man Dr. Mohr jetzt kannte, genügte das für ihn vollauf, um auch große Chirurgie zu betreiben. Das Narkosegerät arbeitete ebenfalls. Der erste Patient war ein Hund, dem Simpson eine Kugel aus dem Rücken operierte. Ein Nachbar, der sich von dem Gebell belästigt fühlte, hatte dem Kläffer drei Schüsse zugedacht, von denen einer traf. Der vierte Schuß erfolgte vom Hundebesitzer, und den überlebte der Nachbar nicht.

Alltag in den Bergen oberhalb Penasblancas.