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«Das glaube ich, du heilloser Idiot!«Fachtmann wartete, obgleich er deutsch sprach, bis der Boy gegangen war. Er hatte Kuchen und Tee serviert, dazu erfrischende Säfte und einen großen Korb mit exotischen Früchten.

«Ein einziger Arzt für 30.000 Menschen!«

«Wer hat mich mit dramatischen Briefen nach Kolumbien gelockt? Wer hat geschrieben: Wir brauchen dich. Hier verfault ein Teil der Menschheit ohne jegliche Hilfe! Hier wartet auf dich eine Aufgabe als Arzt, wie sie nie wiederkommen wird! — Na, wer hat das gesagt?! Und plötzlich bin ich ein Idiot?!«

Frachtmann nickte mehrmals, trank einen Schluck Tee und kaute an seinem Stück Butterkuchen, als sei es aus Gummi.»Man kann ja plötzlich Angst vor seiner eigenen Courage bekommen, Othello! Himmel ja, ich habe dir Enthusiasmus vorgetanzt, und Kolumbien ist auch ein Land, in dem man leben kann — falls man genug Geld hat und in Bogota wohnt. Im Hinterland aber herrscht noch das Gesetz der Banditen. Straßenräuberei ist fast ein Kavaliersdelikt. Wer mit einem Truck über Land fährt, hat neben dem Lenkrad immer schußbereit seine Maschinenpistole stehen. Es gibt Strecken, die selbst ausgekochte Fernfahrer nur noch im Konvoi befahren. Außerdem, ich habe nie geglaubt, daß du dich mehr für die Smaragdsucher interessierst, als es ein Abenteuer wert ist.«

«Das Hospital in Penasblancas interessiert mich«, sagte Dr. Mohr nachdenklich.

«Peter!«Fachtmann sah Mohr entsetzt an.»Hast du Don Alfonso zugesagt?!«

«Unter bestimmten Bedingungen.«

«Du hast Bedingungen gestellt? Bei Camargo?!«Fachtmann starrte zur Decke empor und streckte die Arme aus.»Nein! Der Himmel fällt nicht 'runter! Es muß wahr sein.«

«Ich bekomme alles, was ich brauche«, sagte Dr. Mohr.»Aber was ich brauche, kann ich erst an Ort und Stelle feststellen. Und das will ich unbefangen tun. Ich fahre zunächst nicht als Arzt nach Pen-asblancas, sondern als neuer Guaquero. Ich will mich umsehen. Vielleicht baue ich das Hospital in Muzo oder Chivor? Dort jedenfalls, wo es zentral liegt und am meisten gebraucht wird.«

«Das ist Penasblancas. Vom gegenseitigen Auslöschen her gesehen auf jeden Fall. - Und Hamburg? Du hast doch nur drei Monate unbezahlten Urlaub genommen.«

«Ich werde Professor Harrenbroich schreiben und die Situation erklären.«

«Und Gabrielle?«

«Die werde ich um Verzeihung bitten.«

«Der edle Mensch von Penasblancas! — Othello, ich muß noch einen trinken.«

«Ich bin übrigens ab sofort Pedro Morero.«

«Wie bitte?«

«Pedro Morero.«

«Nicht Doktor?«

«Beim ersten Ausflug zu den Minen nicht.«

«Gestrichen!«Fachtmann sprang auf.»Peter, das lasse ich nicht zu! Gut, ich habe dich hierher gelockt. Aber neben dem Abenteuer war der Grundgedanke, daß du als Arzt zu den Guaqueros gehst. Erinnere dich. Ich habe gesagt: Es gibt für dich keinen besseren Panzer, als überall zu sagen: Ich bin Arzt! Das ist wie eine schußsichere Weste!«

«Stimmt! Aber ich fange mit dem Abenteuer an und verwandle mich erst später in einen Arzt.«

«Dazu bleibt dir keine Zeit mehr. Du wirst gar nicht erst bis Penasblancas kommen. «Fachtmann goß sich einen Whisky ein. Seine Hand zitterte dabei.»Warum hat Camargo nicht schon längst ein Hospital gebaut, wenn er seine Schürfer so hochpäppeln will?«

«Er hat keine Ärzte dafür gefunden. «Dr. Mohr nippte an seinem heißen Tee, der nach fremdartigen Blüten schmeckte. Ein Hauch von Jasmin war auch darin.»Sie hatten alle Angst.«

Eine Woche später startete Dr. Mohr, der jetzt Pedro Morero hieß, zu seiner Fahrt in die Kordilleren. Allein. Ewald Fachtmann, der drei Tage mit sich gerungen hatte, ob er seinen Freund begleiten sollte, kapitulierte schließlich doch.»Meine Feigheit«, sagte er ehrlich.»Ich hab's dir schon erklärt, Othello. Große Fresse ist nicht gleichbedeutend mit großem Mut. Außerdem habe ich meine Aufgabe bei H. Strothfeld, Pharmazeutische Werke. Bin froh, diesen Direktorposten erobert zu haben. Hier bin ich mein eigener Herr.«

Dr. Mohr hatte sich aus Beständen des kolumbianischen Militärs einen alten amerikanischen Jeep gekauft und neu lackiert. Er wählte dafür eine erdbraune Farbe, fuhr den Jeep aus Bogota hinaus und stellte ihn an eine mit Büschen bewachsene Bergwand. Schon nach zehn Schritten war der Geländewagen als Auto nicht mehr erkennbar. er verschmolz mit seiner Umgebung. Fachtmann, der ihn dabei begleitete, schüttelte den Kopf.

«Halte die alten Profis in den Minen nicht für Kretins«, sagte er.»Die erkennen eine Baumschlange, auch wenn sie ruhig wie eine Liane herunterhängt und genauso aussieht. Außerdem: Mit einem Jeep bist du immer verdächtig. Ein echter Guaquero trampt, geht zu Fuß, reitet im Glücksfall auf einem Muli, und an der ersten Station — wenn er sie überhaupt erreicht — steigt er in den Bus. Aber selbst dort ist er nicht sicher. Da stehen sie so dicht an dicht, daß keiner umfallen kann. Nachher aber, in Bogota angekommen, ist es schon vorgekommen, daß jemand plötzlich umfiel, als sich das Gedränge lichtete, und mausetot war. Stich in den Rücken, oberhalb des ersten Lendenwirbels. Absolut und sekundenschnell tödlich. Natürlich fehlte dem Mann sein zusammengeknotetes Taschentuch mit den Smaragden. Ausbeute vielleicht eines halben Jahres Schwerstarbeit.«

Dr. Mohr ließ sich nicht davon abbringen, mit dem Jeep zu fahren. Er stellte sich die erste Ausrüstung zusammen: ein Zelt, Gaskocher mit Gasflaschen, ein paar kräftige Ersatzstiefel, zwei große Hüte aus geflochtenem Stroh, einige Hemden und einen großen metallenen Koffer, den er mit den nötigsten Medikamenten, Verbandszeug und Ampullen füllte. Hinzu kam ein chirurgisches Notbesteck, wie sie es auch in den Notarztwagen in Deutschland hatten. Alle Rechnungen schickte er an Don Alfonso.

Einen Tag vor seiner Abfahrt brachte ein Taxifahrer ein Paket zu Fachtmanns Haus. Er sagte, ein unbekannter Mann habe ihm das Paket mit dem Auftrag gegeben, es hierher zu bringen. Die Fahrt sei bezahlt. Gut bezahlt. Der Taxifahrer grinste zufrieden und brauste davon. Fachtmann trug das Paket ins Haus, als enthielte es eine Bombe.

«Für dich, Othello. «Er legte das Paket auf den Rand des Schwimmbeckens.»Wir können es ins Wasser werfen oder hinten im Garten in die Luft sprengen.«

Dr. Mohr kletterte aus dem Swimming-pool und setzte sich neben das Paket.»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: wir schnüren es einfach auf.«

«Und jubeln stückweise in die Luft!«

«Warum? Wer sollte ein Interesse daran haben, uns explodieren zu lassen? Ewald, deine Feigheit nimmt pathologische Formen an. «Er löste den leichten Knoten, wickelte das Papier ab und öffnete den Karton, der zum Vorschein kam. Fachtmann starrte ungläubig in das Paket.

«Eine Aktentasche. Gutes, schwarzes Leder mit zwei Klappverschlüssen. «Er nahm sie aus dem Karton und wunderte sich.»Die ist voll. Und schwer ist das Ding! Ha, da hat sich jemand einen dämlichen Scherz erlaubt. Die Tasche hat zwei Löcher. Da!«Er zeigte auf ein kreisrundes Loch an der Schmalseite und auf ein größeres Loch auf der Rückseite der Tasche. Es war eine Umhängetasche. Ein breiter Lederriemen mit Schulterschutz war in zwei goldfarbene Metallösen gehakt.»Wetten, da sind Steine drin! Wer will mich da auf'n Arm nehmen?!«

«Das Paket ist an mich adressiert«, sagte Dr. Mohr. Er nahm die lädierte Tasche und ließ die Klappschlösser aufschnappen.»Ich ahne etwas. Paß mal auf!«

Der Deckel klappte auf. Im Inneren der Tasche, in den Deckel eingebaut und durch geformte Hölzer gut und wackelfrei verklotzt, schimmerte das schwarze Metall einer kurzläufigen, sehr handlichen Maschinenpistole. Auffallend war das lange Magazin, bereits eingerastet, schußbereit. Quer dazu, in dem freien Raum unter Abzug und Lauf, waren zwei Ersatzmagazine festgeklemmt. Genug, um sich im Notfall den Weg freizuschießen. Jetzt waren auch die beiden Löcher erklärbar: An der Schmalseite der Aktentasche ratterte der Tod heraus. Das größere Loch auf der Hinterseite war gerade so groß, um den Zeigefinger hindurchzustecken und den Abzug zu betätigen.