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«Was darin steht?«wiederholte er. Dann dachte er an Salomon Liebowitz und die Zeit, die sie zusammen in Brooklyn verlebt hatten. Wie lange her, wie traumhaft ihm das alles nun erschien. Als hätte es sich niemals wirklich zugetragen.

«Kommen Sie. «Ben nahm das Heft mit der Übersetzung und reichte es Judy. Sie überflog die Übersetzung, die Anmerkungen am Rand und die dazwischenliegenden Leerräume. Dann las sie es nochmals genauer und ließ schließlich das Heft sinken und schaute zu Ben auf.

«Danke«, murmelte sie.

«Tut mir leid, daß es nicht ordentlicher geschrieben ist.«

«Es ist gut. Einfach gut.«

«Meine Handschrift. «Ben schüttelte den Kopf. Judy starrte wie gebannt auf das Foto.»David Ben Jona hat wirklich gelebt«, sagte sie.»Es könnte erst gestern gewesen sein, denn die dazwischenliegende Zeit bedeutet nichts. Wir könnten ihn beinahe gekannt haben.«

Ben lachte kurz auf.»Mir kommt es allmählich auch so vor, als würde ich ihn schon persönlich kennen.«

«Hoffentlich kommen noch weitere Rollen.«

«Es kommen noch weitere. Vier weitere, um es genau zu sagen. «Judy riß den Kopf hoch.»Vier weitere! Dr. Messer!«

«Ja, ich weiß. «Er wandte sich unvermittelt um und verließ das Arbeitszimmer, wobei er im Gehen Lichter anmachte.»Möchten Sie etwas Wein?«rief er ihr über die Schulter zu.

«Nur wenn es billiger Wein ist«, gab sie zurück, während sie ihm ins Wohnzimmer folgte.

«Oh, dessen können Sie sicher sein. Nehmen Sie doch Platz. Ich bin gleich wieder da.«

Ben machte sich in der Küche zu schaffen, wo es in letzter Zeit zunehmend unordentlicher und schmutziger geworden war. Während er für gewöhnlich ein ordentlicher Mensch war, der stets hinter sich aufräumte, hatte Ben die Küche in diesen letzten paar Tagen völlig verkommen lassen. Hier sah es fast so schlimm aus wie im Arbeitszimmer. Nachdem er zwei saubere Gläser aufgespürt hatte, schenkte er den Wein ein und ging zurück ins Wohnzimmer. Judy Golden saß auf der Couch und streichelte Poppäa Sabina.

«Ich wußte gar nicht, daß Sie eine Katze haben«, sagte sie und nahm den Wein entgegen.»Danke.«

«Gewöhnlich sieht sie auch kein Besucher. Poppäa ist menschenscheu und kommt daher niemals hervor, um Freundschaft zu schließen. Sogar vor meiner Verlobten versteckt sie sich. Das ist auch ganz gut so, dann Angie ist allergisch auf Katzen.«

«Das ist wirklich zu schade. Diese hier ist einfach niedlich. «Ben beobachtete verwundert, wie sich seine sonst so launische und hochnäsige Katze auf Judys Schoß zusammenrollte und zufrieden die Augen schloß.

«Wußten Sie, daß Ihr Telefonhörer neben der Gabel liegt?«

«Ja, das habe ich absichtlich getan. Ich wollte nicht gestört werden.«

«Na, großartig. Wenn es jetzt nur noch eine Möglichkeit gäbe, Ihre Tür einfach neben die Gabel zu legen.«

Er lachte leise.»Keine Sorge. Ich habe das noch nie zuvor gemacht. Ich glaube eigentlich nicht, daß das richtig ist. Jemand könnte versuchen, mich in einem Notfall zu erreichen.«

«Da stimme ich Ihnen zu. Danke für den Wein.«

«Ist er billig genug für Sie?«

«Wenn er Sie mehr als neunundachtzig Cent gekostet hat, ist er zu teuer für mich.«

Ben lachte wieder. Er fühlte sich sonderbarer Weise ganz entspannt in ihrer Gegenwart. Seine Unruhe während des Nachmittagsunterrichts — die Art und Weise, wie sie ihn aus der Fassung gebracht hatte — war nun vergessen.

«Warum haben Sie ihr den Namen Poppäa gegeben?«erkundigte sie sich, während sie die Katze kraulte.

Ben zuckte die Schultern. Er hatte nie ernstlich darüber nachgedacht. Der Name war ihm ganz spontan eingefallen, als er sie vor zwei Jahren als junges Kätzchen kaufte.»Ist ihr Name Poppäa Sabina?«fragte Judy weiter.»In der Tat, ja.«

«Die Gattin des Kaisers Nero. Lebte um fünfundsechzig nach unserer Zeitrechnung, glaube ich. Interessanter Name für eine Katze.«

«Sie ist ein verführerisches, eigensinniges, eingebildetes und verwöhntes kleines Aas.«

«Und Sie lieben sie.«

«Und ich liebe sie.«

Sie nippten beide eine Zeitlang an ihrem Wein, ohne ein Wort zu wechseln. Judy ließ ihren Blick in der Wohnung umherschweifen und bewunderte die geschmackvolle und teure Einrichtung. Sie glaubte, die persönliche Note Benjamin Messers darin zu erkennen, die seiner lässigen, südkalifornischen Art entsprach. Dann schoß ihr ein Gedanke durch den Kopf, eine plötzliche, brennende Neugierde packte sie. Sie rang einen Augenblick mit sich selbst, ob sie die Frage stellen sollte.

Sie musterte den Mann an ihrer Seite, sein gefälliges, attraktives Gesicht, sein ungekämmtes, blondes Haar, seinen Körper, der sie an den eines Schwimmers erinnerte. Sie war über sich selbst überrascht, als sie mit gedämpfter Stimme fragte:»Sind Sie praktizierender Jude?«

Ihre Offenheit verblüffte ihn.»Wie bitte?«

«Entschuldigen Sie. Es geht mich ja nichts an, aber ich bin immer neugierig, die religiösen Ansichten von Leuten zu erfahren. Das war unhöflich von mir.«

Ben wandte seinen Blick von ihr ab und fühlte, wie er in Verteidigungsstellung ging.»Es ist kein Geheimnis. Ich praktiziere die jüdische Religion nicht mehr. Schon seit vielen Jahren nicht mehr.«

«Warum?«

Er blickte sie erstaunt an und fragte sich zum wiederholten Male, welch sonderbare Eingebung ihn dazu veranlaßt hatte, ihr von der vierten Rolle zu erzählen. Und warum er ihr Wein angeboten hatte und warum er nun bereitwillig mit ihr hier saß, anstatt ihr die Tür zu weisen.

«Die jüdische Religion ist nicht die Antwort für mich, das ist alles. «Sie schauten sich einen Moment lang in die Augen — gefangen in einem Blick, der in diesem Augenblick dazu geschaffen schien, die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. Dann wandte sich Ben ab, während er langsam sein Weinglas in den Händen drehte. Er fing an, sich äußerst unbehaglich zu fühlen.

«Also dann«, Judy hob die Katze aus ihrem Schoß und stand auf,»Sie können es wohl kaum mehr abwarten, an das nächste Foto zu kommen.«

Ben stand ebenfalls auf.»Ich werde versuchen, an den Kodex zu denken.«

«Das wäre prima. «Sie warf ihr Haar nach hinten über die Schultern, so daß es ihr über Rücken und Taille fiel, und nahm ihre Schultertasche an sich.

Gemeinsam gingen sie zur Tür, wo Ben einen Moment verweilte, bevor er sie öffnete.»Ich lasse Sie wissen, was David zu sagen hat«, versprach er.

Sie warf ihm einen kurzen, etwas seltsamen Blick zu und meinte dann:»Danke für den Wein.«

«Gute Nacht.«

An seinem Schreibtisch las er nochmals das erste Foto. Danach machte er sich an die Übersetzung des zweiten.

Es war nicht leicht für uns, bei Rabbi Eleasar Gehör zu finden. Viele Tage lang warteten Saul und ich im Hof des Tempels, nur um. (Riß im Papyrus). Wir saßen zusammen mit anderen Jugendlichen im Schneidersitz in der glühenden Sonne, bis uns alles weh tat. Wir waren oft hungrig und erschöpft, wagten es aber nicht, uns von der Stelle zu rühren. Einer nach dem anderen gab auf, und mit der Zeit wurde unsere Gruppe immer kleiner. (Ecke an dieser Stelle herausgebrochen). Saul und ich. Nachdem wir eine Woche ausgeharrt hatten, um bei Rabbi Eleasar vorzusprechen, wurden wir in seinen Kreis in die überdachte Vorhalle gerufen. Meine Kehle war trocken und meine Knie weich. Dennoch zeigte ich meine Furcht vor dem großen Mann nicht. Demütig fiel ich zu seinen Füßen auf die Knie. (unleserlicher Satz).

während Saul stolz aufrecht stehenblieb. Die Augen Eleasars waren wie die eines Adlers. Sie durchbohrten mich, als wollten sie sehen, was auf der anderen Seite meines Körpers war. Ich hatte Angst, und dennoch hielt ich unabänderlich an meinem Entschluß fest. Ich vermochte nicht zu lächeln; Saul hingegen zeigte dabei keine Scheu. Rabbi Eleasar fragte Sauclass="underline" »Warum möchtest du ein Schriftgelehrter werden?«Und Saul antwortete:»Und alle Leute versammelten sich geschlossen auf der Straße vor der Schleuse, und sie sprachen zu Ezra, dem Schriftgelehrten, er möge das Gesetzbuch Mose bringen, das der Herr dem Volk Israel zur Vorschrift gemacht hatte. Und am ersten Tag des siebten Monats brachte der Priester Ezra das Gesetz vor die Gemeinde aus Männern und Frauen und allen, die hören und verstehen konnten. «Saul sagte:»Rabbi Eleasar, ich möchte gerne werden wie Ezra und Nehemia vor mir. «Dann wandte sich Rabbi Eleasar an mich und fragte:»Warum willst du ein Schriftgelehrter werden?«Und ich konnte zuerst nichts sagen, denn Sauls Antwort war so vollkommen gewesen, daß ich mich ihm nicht ebenbürtig fühlte. Dann schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und erwiderte:»Ich möchte wissen, Meister, woher Kains Frau kam, wenn sie nicht von Gott geschaffen wurde.«