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Kapitel Elf

Obgleich Eleasar darauf drang, daß ich wieder bei ihm wohnen solle, konnte ich dieses Angebot nicht annehmen. Es war das Heim von braven Leuten, von frommen Juden, und ich fühlte mich nicht länger als einer der Ihren. Ich mußte mich auf meine eigene Weise mit Gott versöhnen und mir selbst einen neuen Lebensinhalt schaffen. Als Eleasar mir eine Lehre in seinem Käseladen anbot, lehnte ich abermals ab. Als mein Vater mich bat, nach Magdala zurückzukehren und dort mein eigenes Fischerboot zu betreiben, schlug ich auch das aus.

Eines Tages ging ich aus der Stadt hinaus und begab mich zu dem Haus des Olivenhändlers, dessen Wein ich damals mit Saul getrunken hatte. Ich erzählte ihm alles, was in diesen sechs Monaten geschehen war, und machte ihm einen Vorschlag. Da er ein kinderloser Witwer war und einen Olivenhain und eine Ölpresse zu bewirtschaften hatte, würde ich für ihn zu einem Lohn arbeiten, der weit unter dem Durchschnittsverdienst eines Tagelöhners lag. Er war froh über mein Angebot, denn er hatte schon etwas Zuneigung zu mir gefaßt und erinnerte sich an die Tage, an denen ich ihm die einsamen Stunden vertrieben hatte. Aber er wollte mir keinen Sklavenlohn bezahlen. Was immer ich auch getan hatte, war geschehen. Die Sünden der Vergangenheit waren vorbei. Wir würden nicht zurückblicken.

Und so kam es, daß ich schweren Herzens von Eleasar Abschied nahm und in der bescheidenen Behausung des Olivenhändlers eine neue Bleibe fand. Ich sah Rebekka selten, aber ich träumte jede Nacht von ihr. Eines Tages, als wir allein miteinander waren und ich es wagte, ihre Hände in die meinen zu nehmen, schwor ich ihr meine Liebe und versprach ihr, daß der Tag kommen werde, an dem ich einen würdigen Ehemann abgäbe. Doch bis dahin mußte ich mich vor Gott und den Menschen bewähren. Ich mußte mich als würdig erweisen, wieder unter Juden leben zu können.

Mit Saul traf ich häufig zusammen. Er kam zur Ölpresse und aß Käse und Brot mit mir. Was er mir von Eleasar und der Schule erzählte, tat mir im Herzen weh, und es war, als ob ein Messer in meiner Brust umgedreht wurde. Und doch bat ich ihn nicht, darüber zu schweigen, denn von diesen Dingen zu hören war meine Strafe. Saul würde eines Tages den Titel des Schriftgelehrten erlangen und hocherhobenen Hauptes durch die Menge schreiten. Ich beneidete ihn darum, und gleichzeitig liebte ich ihn dafür. Eleasar betrachtete ich auch weiterhin wie meinen eigenen Vater. Ihn allein liebte ich mehr als irgendwen sonst, denn er war weise, gerecht und gütig. Auf eigene Faust fuhr ich damit fort, das Gesetz zu studieren, wußte ich doch, daß die Thora für die Juden das Mittel war, ihren Erwählungsauftrag auf Erden zu erfüllen. Wenn ich Fragen hatte, ging ich in die Stadt, setzte mich zu Eleasars Füßen und lauschte seinen Ermahnungen.

Ich war traurig und glücklich zugleich. Ich schwitzte unter der Sonne im Olivenhain und aß Fisch und Käse. Die Abende waren ruhig und mild, und in Gedanken weilte ich oft bei der sanften Rebekka. Möglicherweise hätte ich mit diesem Leben für den Rest meiner Tage zufrieden sein können, doch sollte es anders kommen.

Ich erzähle Dir dies, mein Sohn, damit Du weißt, daß unsere größten Pläne ganz einfach zunichte gemacht werden können. Gott allein plant unser Schicksal, und wir haben keinen Einfluß darauf. Das Leben ist wie ein Fluß, der ständig in Bewegung ist, und du kannst deine Hand nicht zweimal an derselben Stelle eintauchen.

Wieder einmal sollte mein Leben eine Wendung nehmen. Es trat etwas ein, das im Grunde nur einen weiteren Schritt hin zu der unausweichlichen Stunde darstellte, über die ich Dir bald berichten werde. Das Verbrechen, das ich letzten Endes beging und von dem Du zweifellos bereits gehört hast, war das Endergebnis von vielen derartigen Umwegen und Änderungen in meinem Leben. Mein ganzes Planen und meine ganze Macht hätten mich nicht daran hindern können, in dieser verhängnisvollen Stunde so zu handeln.

Ebenso, wie mein Leben einen anderen Verlauf nahm, als mein Vater mich von Magdala zum Studium nach Jerusalem schickte, ebenso, wie ich in Ungnade fiel und von der Schule gewiesen wurde, so brachte mich ein drittes Ereignis wieder auf die Straße, an deren Ende das Verhängnis wartete.

Ich war dabei, Öl von unserer Presse zum Verkauf auf den Marktplatz zu bringen. Ich wartete mit den Eseln, die die fünf Tonkrüge trugen, geduldig in der Schlange, die sich langsam durch das Goldene Tor wand. Und als ich müßig in der Sonne stand und zufällig aufsah, erspähte ich ein bekanntes Gesicht in der Menge. Es war Salmonides, der Grieche.

Ein aufgeregtes Klopfen drang von der Tür her zu Ben.»Lieber Himmel!«rief er, als er aufsprang. Er riß die Tür auf.»Judy!«

«Hallo, ich wollte gerade.«

«Bin ich vielleicht froh, Sie zu sehen!«Ben nahm sie bei der Hand und zog sie in die Wohnung.»Er hat Salmonides gefunden!«

«Was?«

«David hat Salmonides gefunden! Kommen Sie, wir können es zusammen lesen!«Er zog Judy hinter sich her ins Arbeitszimmer und bedachte sie mit einem strahlenden, breiten

Lächeln.»Können Sie das glauben? Was meinen Sie, wie sich David wohl verhält? Hoffentlich haut er dem Griechen gehörig die Hucke voll!«Ben verstummte, als er ihren ernsten Gesichtsausdruck bemerkte. Als nächstes gewahrte er die zusammengefaltete Zeitung in ihrer Hand.»Was ist das?«

«Haben Sie es noch nicht gesehen?«

«Es gesehen? Was gesehen?«

Mit zitternden Fingern schlug Judy die Zeitung auf und breitete sie vor Ben aus. Dieser starrte ungläubig auf die Titelseite. Die Schlagzeile lautete:

JESUS-HANDSCHRIFTEN GEFUNDEN?

«Was zum Teu. «Er riß ihr die Zeitung aus der Hand.»Jesus-Handschriften! Was zum Henker soll das für ein schlechter Scherz sein!«

«Es ist kein Scherz.«

«Jesus-Handschriften! Jesus-Handschriften! Ach, um Gottes willen!«Er hielt die Zeitung mit ausgestreckten Armen von sich und starrte entgeistert darauf. Dann fiel er rücklings in seinen Sessel.»Jesus-Handschriften gefunden! Und noch dazu mit einem Fragezeichen versehen! Gott, ist das vielleicht billig!«

Unter der Überschrift war das Foto einer Nachrichtenagentur abgedruckt, das Dr. John Weatherby mit einem der großen Tonkrüge in den Armen am Rande der Ausgrabungsstätte zeigte. Die Unterschrift des Bildes lautete:»Archäologe Dr. John Weatherby aus Südkalifornien hält einen Tonkrug, der eine der in Khirbet Migdal gefundenen Schriftrollen enthielt.«

Ben starrte ungläubig auf die Zeitung, als wäre er vom Blitz getroffen worden.

«Lesen Sie die Geschichte«, forderte Judy ihn auf. Sie räumte sich einen Platz auf dem Schreibtisch frei und setzte sich auf die Kante. Ihr Gesicht wirkte blaß und traurig. Sie hatte ihm diese Neuigkeit nur sehr ungern überbracht.

«Das ist verheerend«, murmelte Ben.»Ich kann es einfach nicht glauben!«

«Nun, das mußte ja irgendwann passieren. Sie können nicht erwarten, daß sich so etwas lange geheimhalten läßt. «Ben zitierte aus dem Artikel.»Hören Sie sich das an: Daß es sich dabei um einen bedeutenderen Fund handeln könnte als bei den Qumran-Handschriften vom Toten Meer, wurde heute von einem Archäologen vor Ort angedeutet, der wörtlich sagte: >Das hier wird ein bedeutenderer Fund sein als die Qumran-Handschriften vom Toten Meer.<«Ben schaute zu Judy auf.»Ach du lieber Himmel, was ist denn das für ein Journalismus?«Er las weiter.»Zum Inhalt der Schriftrollen wollte sich Dr. Weatherby bislang noch nicht äußern. Er teilte mit, der Text werde erst dann veröffentlicht, wenn die Übersetzung abgeschlossen sei. Die Rollen werden gegenwärtig von drei Experten auf dem Gebiet der Handschriftenkunde in Amerika und Großbritannien übersetzt. Bislang kann man über Bedeutung und Inhalt des Fundes nur Vermutungen anstellen. «Ben schleuderte die Zeitung auf den Boden.»Vermutungen anstellen, ja, aber um Gottes willen. Jesus-Handschriften!«