Выбрать главу

«Ich weiß es auch nicht«, flüsterte Judy, als die Katze sich an sie schmiegte.»Ich kenne ihn erst seit kurzem, aber ich weiß, daß er sich verändert hat. Oder vielleicht noch dabei ist, sich zu verändern. Ist es schon geschehen oder geschieht es noch? Und dann muß man sich wieder fragen. was geht hier eigentlich vor?«

Als Ben aus dem Arbeitszimmer trat, hatte er das Gesicht eines Menschen, der gerade eine innere Wandlung durchgemacht hat. Er war nicht derselbe Mann, der sich zwei Stunden zuvor hingesetzt hatte, um die Schriftrolle zu Ende zu lesen, obgleich die Veränderungen kaum auffielen. Es war, so dachte Judy bei sich, als ob er sich jedesmal, wenn er eine Rolle las, ein wenig veränderte.»Ich bin froh, daß Sie noch hier sind«, sagte er. Als ob mit jeder der Rollen ein wenig von Ben Messer verlorenginge und ein wenig von etwas anderem an seine Stelle träte.»Ich konnte nicht gehen, ohne Rolle sieben gelesen zu haben«, erwiderte sie ruhig. Ja, es hatte sich tatsächlich eine Wandlung mit ihm vollzogen. Seine seltsam gesteckte Sprechweise war jetzt noch ausgeprägter.

Er nahm ihr gegenüber neben dem Kaffeetischchen Platz und schaute sie mit strahlend blauen Augen an.»Danke, daß Sie mir in dieser schwierigen Lage beistehen.«

«Mochten Sie jetzt etwas essen?«

«Noch nicht. Lesen Sie das zuerst. «Er reichte ihr die Blätter, auf die er seine Übersetzung gekrakelt hatte.»Meine Handschrift wird immer schlimmer.«

Als sie ihm die Seiten aus der Hand nahm und den Text überflog, sah sie, wie er den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen.»Worum geht es?«

Er zögerte.»In dieser Rolle gibt es eine neue Entwicklung, Judy. Eine, die, wie ich fürchte, zu Problemen führen wird.«

«Zu Problemen?«

Er stieß einen Seufzer aus.»David erwartet vermutlich eine bestimmte Reaktion von uns, aber das weiß ich nicht genau. Alles, was ich sagen kann, ist, daß es eine Katastrophe gibt, wenn die Zeitungen Wind davon bekommen. Dann wird ein Massenansturm auf Magdala einsetzen.«

Dann tat Ben etwas Merkwürdiges. Sowie er das letzte Wort gesprochen hatte, drehte er den Kopf nach einer Seite, als ob er jemandem zuhörte. Er blickte starr auf die Wand hinter Judy und schien sich auf irgend etwas zu konzentrieren. Ben lächelte und schüttelte den Kopf.

«David will mir keinen Hinweis über den Inhalt der nächsten Rolle geben.«

«David?«

«Ich denke, wir werden unser Lehrgeld bezahlen müssen.«

Judy schauderte unwillkürlich. Bens Stimme klang eigentümlich scharf, so daß es ihr plötzlich ganz kalt wurde.

«Wie dem auch sei, lesen Sie, was ich geschrieben habe, und sagen Sie mir, was Sie davon halten.«

Während ich dastand und zu Salmonides hinüberstarrte, brachte ich keinen Ton heraus. Ich konnte ihn nicht ansprechen, so gelähmt war ich. Jener Abend vor acht Monaten, jene Nacht meines schändlichen Falls, erschien mir nun wie ein Traum. Ich hätte nie erwartet, den skrupellosen Griechen je wiederzusehen. Ich hatte sogar den Vertrag zerrissen, für den ich ihm in meiner Torheit mein ganzes Geld gegeben hatte. Ihn dort am Goldenen Tor stehen zu sehen, so leibhaftig, als wäre ich ihm erst gestern begegnet, traf mich so unerwartet, daß es mir die Sprache verschlug. Aber ich mußte auch gar nicht sprechen. Sowie Salmonides mich erblickt hatte, erhellte sich sein Gesicht zu meiner großen Überraschung, und er kam auf mich zu, als ob wir Freunde gewesen wären, die lange nichts voneinander gehört hatten.»Seid gegrüßt, junger Herr!«rief er mir zu und kam mir mit ausgestreckten Armen entgegen. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück.»Vergebt mir, junger Herr«, entschuldigte er sich.»In meiner Freude, Euch zu sehen, hatte ich ganz vergessen, welch frommer Jude Ihr seid und daß Euch die Berührung durch einen Heiden verhaßt ist. Aber, bei den Göttern, ich bin froh, Euch zu sehen!«

«Warum?«fragte ich stumpfsinnig.

«Warum? Weil ich die ganze Stadt nach Euch abgesucht habe, Meister. Ich bringe Euch gute Nachrichten und reichlich Gewinn.«

«Was?«fragte ich, immer noch begriffsstutzig.»Die Schiffe sind sicher und ohne ein einziges Korn Verlust in Ostia angekommen. Die Schekel, die Ihr pflanztet, sind tatsächlich zu Sesterzen gewachsen.«

Ich war abermals sprachlos. Salmonides hatte sich also nicht nur getreu an unser Abkommen gehalten, sondern war überdies auch noch bestrebt, mir mein Geld zu geben. Er hatte daran gedacht, daß ich vielleicht nochmals bereit wäre, Geld zu verleihen, und so hatte er alles darangesetzt, mich zu finden. Ich vertraute meine Esel der Obhut eines Freundes an und begleitete Salmonides in die Straße der Geldverleiher, wo man ihm auf seine schriftliche Anweisung zweihundert Denare ausbezahlte. Von dort aus begaben wir uns zu den Geldwechslern beim Tempel, wo die römischen Münzen unter dem wachsamen Auge meines griechischen Begleiters gewogen, geprüft und gegen zweihundert syrische Zuzim eingetauscht wurden. Fünf davon gab ich Salmonides, der sie sogleich mit einem entschuldigenden Achselzucken in Drachmen umwechselte. Danach kehrten wir in eine Schenke ein, wo wir uns im Schatten niederließen und über die Wirtschaft des römischen Reiches diskutierten. Daß ich von solchen Dingen nicht die leiseste Ahnung hatte, war für Salmonides ganz offensichtlich. Trotzdem war er geduldig mit mir. Er sagte:»Ihr habt eine seltene Eigenschaft, mein junger Herr, die ein scharfsinniger Mann wie ich auf Anhieb erkennt. Ihr besitzt eine schnelle Auffassungsgabe und seid gewandt im Umgang mit Zahlen. Seht selbst, mit welcher Leichtigkeit Ihr versteht, was ich Euch erkläre. Die meisten Menschen begreifen das nur langsam und langweilen sich dabei. Doch Ihr interessiert Euch für das, was ich sage, und könnt es leicht im Gedächtnis behalten. Ihr habt den falschen Beruf gewählt, mein junger Herr. Anstelle der Thora solltet Ihr besser den Geldhandel studieren. «So erzählte ich Salmonides, was nach der Nacht meiner Schande geschehen war, und es überraschte ihn, daß Eleasar so hart gegen mich gewesen war.

«Doch Ihr geht auch mit Euch selbst übermäßig hart ins Gericht. Welcher junge Mann verbringt nicht einmal im Leben eine solche Nacht? Und das nicht nur einmal, sondern oft. War denn Euer Verbrechen wirklich so groß — ein kleiner Rausch? Ihr solltet Rom besuchen, wenn Ihr einmal sehen wollt, was wirkliche Sünde ist.«

Doch ich hob abwehrend meine Hand.»Für Juden gelten andere Maßstäbe«, entgegnete ich,»denn wir sind Gottes auserwähltes Volk. Da wir dem Rest der Welt ein gutes Beispiel geben sollen, müssen wir eifrig darauf bedacht sein, das Gesetz zu befolgen. Was wären wir für ein Vorbild, wenn wir uns ebenfalls der Trunkenheit, der Unzucht und anderen schändlichen Taten hingeben würden?«

Ich wußte, daß Salmonides an meinen Worten zweifelte wie so viele Heiden, aber nur deshalb, weil sie noch nicht daran glauben, daß Gott uns zu den Erben der Welt erkoren hat. Im Laufe dieses Nachmittags gab ich Salmonides einhundert Zuzim und schloß einen weiteren Vertrag mit ihm. Diesmal ging es um den Ankauf einer Gerstenernte, die bald eingebracht werden sollte. Wäre die Ernte ertragreich, würde ich sie mit Gewinn verkaufen. Sollte sie sich dagegen als dürr erweisen, dann hätte ich mein Geld verloren. Aus diesem Grund gab ich ihm nur die Hälfte und sparte den anderen Teil für künftige Notlagen auf. An diesem Abend befragte ich Eleasar über die Sittlichkeit und Moral meines Gewinns.»Kann diese Art von Verdienst so ehrbar sein wie das Geld, das man mit seiner Hände Arbeit verdient?«fragte ich. Doch er erwiderte, daß ich ja auch arbeitete, wenn nicht mit meinen Händen, so doch mit meinem Geist. Das Geld hätte ich nicht auf unzulässige Weise verdient. Und ich hätte es auch nicht auf Kosten anderer Juden erworben. Aus diesen Gründen war mein Handeln in Eleasars Augen gerechtfertigt.