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Als sie eintraf, wurde Ben vor Aufregung beinahe ohnmächtig. Er zitterte so heftig, daß Judy den

Empfangsschein unterschreiben und Ben dann die Treppe hoch bis in die Wohnung helfen mußte.»Du schwitzt ja«, bemerkte sie, als sie drinnen waren,»und da draußen war es kalt.«

«Ich dachte schon, sie würde niemals kommen. Ich dachte, sie würde niemals kommen.«

«Jetzt ist sie ja da, die letzte Rolle. Wir wollen sie gleich lesen, Ben.«

Den Fotos lag kein Begleitschreiben bei, und zu Bens grenzenloser Freude stellte er beim schnellen Überfliegen fest, daß die Papyrusrolle lang und ziemlich gut erhalten war.»An diesen beschädigten Ecken hier können wir wahrscheinlich recht genau raten, was dort geschrieben stand. Problematisch wird es nur, wenn ganze Textpassagen fehlen. So, fangen wir jetzt an zu lesen. O Gott. ich dachte schon, sie würde niemals kommen. «Er griff blindlings nach ihrer Hand und drückte sie fest.»Bete, Judy, bete, daß diese Rolle allem ein Ende setzen möge. «Ich hoffe es, dachte sie verzweifelt. Gott, wie sehr ich es hoffe.

Rebekka und ich waren seit einem Monat verheiratet und genossen die Glückseligkeit und die neuen Erfahrungen aller Frischvermählten. Sie war eine sanfte, liebevolle Ehefrau, wie ein ruhiges Kind in meinen Armen, und ich dankte Gott täglich für das Glück, das mir durch sie zuteil wurde. Ich brachte dem Herrn gegenüber auch meine Zufriedenheit zum Ausdruck und dachte, daß ich so für immer und ewig weitermachen könnte, mit der sittsamen Rebekka an meiner Seite und unseren stets ertragreichen Olivenbäumen. Doch dann, eines Abends, als wir gerade einen Monat verheiratet waren, kam Saul vorbei, um uns zu besuchen und mit uns zu Abend zu essen. Ich hatte ihn mehrere Tage zuvor eingeladen, und er hatte angekündigt, daß er uns zu diesem Anlaß eine Überraschung mitbrächte.

Die Überraschung war folgende: Saul hatte sich verlobt. Und er hatte seine zukünftige Frau mitgebracht.

Mein Sohn, ich hatte keine Möglichkeit, mich auf diesen Augenblick vorzubereiten. Das hat wohl kein Mensch. Ebenso, wie es dir vielleicht eines Tages ergehen wird, erging es mir an diesem Abend, als ich meinem Freund die Tür öffnete.

Mir verschlug es die Sprache. Es kam mir vor, als wäre ich vom Blitz getroffen worden. Saras Blicke trafen die meinen, und in Sekundenschnelle drangen sie durch mich hindurch und spalteten meine Seele in zwei Hälften. Was ich in diesem Moment empfand, läßt sich mit Worten nicht beschreiben. In demselben Augenblick, als Saul uns begrüßte und uns stolz seine Braut vorführte, verliebte ich mich in Sara. Und als ihre Augen sich in meine vertieften, als ihr Gesichtsausdruck erstarrte und ihr Mund sich leicht öffnete, da wußte ich, daß Sara für mich dasselbe empfand. Dergleichen hören wir normalerweise nur in Märchen und Legenden und rechnen nicht im Traum damit, daß es uns selbst einmal so ergehen könnte. Doch es packte mich, mein Sohn, und traf mich mit einer solchen Wucht, daß ich bereits damals, in jenem flüchtigen Augenblick, wußte, daß mein Leben nie mehr so sein würde wie früher.

Weder Saul noch Rebekka bemerkten, was zwischen uns vorging. Ich wusch meinem Freund Hände und Füße und teilte mit ihm gewässerten Wein, während Sara und Rebekka sich in der Küche zu schaffen machten. Und während Saul munter darauflosschwatzte und mir allerlei Neuigkeiten aus der Stadt berichtete, war ich die ganze Zeit taub und blind. Ich konnte nur an Sara denken, den Inbegriff geheimnisvoller Schönheit, der den Männern sonst nur im Traum erscheint.

Ich war den ganzen Abend verlegen, aber Saul und Rebekka nahmen keine Notiz davon. Beim Essen unterhielten wir uns und lachten und genossen die Gesellschaft guter Freunde. Ich fürchtete mich davor, Sara anzusehen. Ich wußte, wenn ich es täte, würde ich wie eine Feuersäule auflodern. Ein- oder zweimal trafen sich unsere Blicke, und wir waren sogleich wie erstarrt. Sie blickte mich keck an mit leicht geöffneten feuchten Lippen, als ob sie mir etwas mitteilen wollte.

Als Saul und Sara sich schließlich verabschiedeten, war ich völlig betäubt. In dieser Nacht rührte ich Rebekka nicht an, sondern gab vor zu schlafen. Und in den Stunden der Finsternis sah ich das Bild die ganze Zeit vor meinen Augen: Saras weit aufgerissene, forschende Augen, ihr voller Mund, ihr glänzendes schwarzes Haar und ihr anmutiger Körper. Sie war mehr als eine Schönheit, sie war eine Märchenfee, die gekommen war, mich zu peinigen. Noch Tage danach konnte ich den Gedanken an Sara nicht loswerden. Ich schenkte meiner Arbeit nur wenig Aufmerksamkeit und mußte oft zweimal angesprochen werden, bevor ich Antwort gab. Ich weiß nicht, ob Rebekka es bemerkte, jedenfalls machte sie diesbezüglich keine Andeutung. Doch Rebekka war ohnehin eine stille und gehorsame Ehefrau, die mein Handeln niemals in Frage gestellt hätte.

Eines Tages konnte ich es nicht länger aushalten. Statt meinen Verwalter zu den Geldhändlern zu schicken, wie ich es üblicherweise tat, ging ich selbst und ließ ihn zurück, um im Olivenhain nach dem Rechten zu sehen. Ich zog meine feinste Tunika und meinen besten Umhang an, rieb wohlriechendes Öl in meinen Bart und machte mich mit klopfendem Herzen auf den Weg nach Jerusalem.

Saul stand kurz vor dem Ende seines Studiums und wohnte daher nicht länger bei Eleasar. Er war wieder zu seinem Vater zurückgekehrt und würde dort nach der Hochzeit mit seiner jungen Ehefrau so lange wohnen, bis er sich ein eigenes Heim leisten konnte.

Saul war noch nicht zu Hause, aber ich wurde von seiner Familie herzlich empfangen. Als Saul dann kurze Zeit später aus dem Tempel zurückkam, freute er sich über meinen Besuch und bemerkte in seiner Begeisterung gar nicht den Anflug von Enttäuschung, der sich auf meinem Gesicht zeigte. Sara war nicht bei ihm.

Und was hatte ich auch erwartet? Bis zur Hochzeit würde sie natürlich nicht allzu häufig in seiner Gesellschaft sein. Ich mußte einen anderen Weg ersinnen.

Was ich mir ausdachte, war folgendes: Ich lud die beiden für den Vorabend des Sabbat erneut zum Abendessen ein und bat sie, bis zum nächsten Tag zu bleiben.

Ich sagte:»Rebekka fühlt sich einsam in diesem Haus am Olivenhain, denn sie kommt selten mit gleichaltrigen jungen Frauen zusammen. Saras Gesellschaft würde ihr sicherlich guttun. «Und Saul nahm die Einladung bereitwillig an. Mein Sohn, ich betrog meinen besten Freund und benutzte ihn, um meine eigenen Ziele zu erreichen. Doch in meinem glühenden Verlangen, Sara wiederzusehen, kam mir nichts von alledem in den Sinn. Ein Mann, der von der Liebe getrieben wird, von einer verzehrenden Leidenschaft, ist kein vernunftbegabter Mensch mehr.

Als Saul und Sara kurz vor Sonnenuntergang eintrafen, war ich ganz außer mir. Ich stand auf, um zu beobachten, wie sie den Pfad heraufkamen. Ich hörte Saras Lachen zwischen den Bäumen schallen, ich sah, wie sich das Sonnenlicht in ihrem herrlichen, im Abendwind wehenden Haar verfing. Als sie indes an unserer Schwelle anlangte, zeigte sie sich schüchtern und ließ den Schleier wieder herunter. Und doch spürte ich, wie ihre dunklen Augen mich durch den Schleier hindurch anblitzten, und die Knie wurden mir weich. Niemand vermag das Gefühl der Liebe zu erklären, woher es kommt, warum es überhaupt existiert, wodurch es zu bestimmten Zeiten hervorgerufen wird. Man weiß nur, daß es die erhabenste aller Empfindungen ist.

Von deinen Lippen, o Braut, träuft Honigseim; Milch und Honig birgt deine Zunge, und der Duft deiner Kleider gleicht dem Duft des Libanon!

Ich kann mir vorstellen, wie König Salomo zumute war, als er dieses Lied schrieb, denn in Saras Gegenwart war ich schwach, von glühender Leidenschaft verzehrt und erfüllt von dem Verlangen, sie in meinen Armen zu halten.

Tags darauf kehrte Saul in die Stadt zurück, um in den Tempel zu gehen. Ich begleitete ihn nicht, denn wir von den Armen hielten unseren Gottesdienst nicht am Sabbat, sondern einen Tag später ab. Und so erbot ich mich, Sara in meinem Olivenhain herumzuführen, damit sie all meine Besitztümer sehen und die frische Morgenluft genießen könnte. Rebekka zog es vor, im Haus zu bleiben, und so wanderten Sara und ich allein zwischen den Olivenbäumen einher.