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Mit heruntergelassenem Schleier und niedergeschlagenen Augen wünschte mir Sara einen guten Tag und erklärte, sie habe Rebekka und mir einen Korb voll Honigkuchen mitgebracht. Süße Honigkuchen, die sie gerade gebacken hatte und die noch warm waren. Als ich ihr sagte, daß Rebekka das Haus verlassen habe und ich allein sei, schlug Sara ihre Augen zu mir auf, und mein Herz begann zu singen.

«Nimm einen Kuchen«, forderte sie mich auf und hielt mir den Korb hin.»Sie sind mit Honig, geriebenem Johannisbrot und den feinsten Nüssen bereitet.«

Aber ich konnte nicht essen. Mein Mund war trocken und mein Hals wie zugeschnürt. Mein Herz raste wie das eines kleinen Jungen.»Komm, setze dich in den Schatten«, lud ich sie ein und nahm ihr den schweren Korb ab.

Wir gingen eine Weile und genossen die sommerliche Wärme und die frische Luft. Zuweilen blieben wir stehen, um die Vögel zu beobachten oder den Duft einer Blume einzuatmen.»Es ist so ruhig hier«, bemerkte Sara, als wir ein Stück gegangen waren.»Nicht wie in der überfüllten Stadt, wo immer Lärm herrscht. Hier zwischen den Bäumen ist es friedvoll. «Wir beschlossen, uns eine Weile im Schatten einer Pinie niederzulassen, deren schwere Zweige tief herunterhingen und die ihre Arme weit ausbreitete, um den Himmel zu umarmen. Als wir uns setzten, stellte ich fest, daß wir uns außer Sichtweite des Hauses befanden.

«Saul hat jetzt einen Schüler«, berichtete Sara mit gesenktem Blick. Sie saß auf der Seite, wobei sie ihre kleinen Füße sittsam unter sich gezogen hatte.»Er ist der Sohn eines armen Krämers, der es sich nicht leisten kann, ihn zu einem bekannteren Rabbi zu schicken. «Ich erwiderte:»Alle berühmten Männer haben einmal bescheiden angefangen. Die Zeit wird kommen, da Saul ebenso begehrt sein wird wie Eleasar.«

Dann saßen wir eine Zeitlang schweigend da. Ich fragte sie:»Wann ist die Hochzeit, Sara?«

«In zwei Monaten, denn bis dahin kann Saul ein kleines Haus in der Stadt kaufen. Es ist ein recht einfaches, aber immerhin wird es unser eigenes sein.«

Zwei Monate, dachte ich. Wird es leichter sein, gegen diese Leidenschaft anzukämpfen, wenn sie erst eine verheiratete Frau ist, oder macht es keinen Unterschied?

Als wir einigen Vögeln beim Spiel zusahen, lachte Sara, so daß ihr Schleier zurückfiel. Der Anblick ihres langen, schwarzen Haares, das ihr über Schultern und Brust fiel, schürte meine Leidenschaft.»Sara«, sprach ich zu ihr,»es ist schwer für mich, so mit dir zusammen zu sein.«

«Mir geht es nicht anders«, erwiderte sie.

«Saul ist mein bester Freund und mein Bruder. Ich kann ihn nicht hintergehen.«

Sie flüsterte:»Ich weiß.«

Und trotzdem konnte ich nicht anders. Ich zitterte von dem Kampf, der in meinem Innern ausgetragen wurde, versuchte verzweifelt, den Drang, der über mich kam, zu besiegen. Doch ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Einer plötzlichen Regung folgend, griff ich mit beiden Händen nach ihrem Haar und küßte es. Tränen standen ihr in den Augen. Plötzlich sagte sie mit gepreßter Stimme:»Saul wird nie etwas davon erfahren. «Ich war wie vom Donner gerührt.»Aber meine Liebe«, entgegnete ich,»du mußt doch als Jungfrau zu deinem Mann gehen. Das Gesetz ist ganz klar. Und es steht ganz unmißverständlich geschrieben: >Wenn eine Jungfrau mit einem Mann verlobt ist, und ein anderer Mann trifft mit ihr innerhalb der Stadt zusammen und schläft bei ihr, so sollt ihr die beiden zum Tor der Stadt hinausführen und sie beide zu Tode steinigen.««

Ich sagte:»Das Gesetz ist klar. Ich fürchte dabei nicht für mich selbst, sondern um deinetwillen, meine Liebe. «Ihre Hand lag auf meiner, und alle Treue zu Saul war dahin. Sara saß dicht neben mir; ihr kleiner Körper bebte; ihre Lippen lösten sich voneinander.

Da fuhr ich fort:»Im fünften Buch Mose steht auch folgendes geschrieben: >Wenn aber der Mann das verlobte Mädchen auf freiem Felde antrifft, es mit Gewalt nimmt und bei ihr schläft, so soll der Mann allein sterben, der bei ihr geschlafen hat.<«Doch Sara widersprach:»Nein, mein Geliebter! Wenn man uns ertappt, so soll man uns auch beide bestrafen. Vergiß das Gesetz und die Stadt und das Land. Es führt kein Weg darum herum. Wir müssen die Gelegenheit ergreifen. Wenn man uns entdeckt, dann ist es nur gerecht. Wenn man uns nicht entdeckt, dann müssen wir auf ewig mit unserem schlechten

Gewissen leben. «Niemand sah uns an jenem Tag, und es kam auch nie heraus. Für den Moment war es wie ein flüchtiger Blick ins Paradies. Aber danach, am Abend und an den folgenden Tagen, trieb mich mein schlechtes Gewissen an den Rand der Verzweiflung. Es gab auf der Welt kein niedrigeres Geschöpf als mich, der ich ein verabscheuungswürdiger Betrüger war. Ich hatte meine Frau Rebekka hintergangen, ich hatte meinem besten Freund Saul die Treue gebrochen, und ich hatte Verrat an Gott begangen. Es gab für diese Tat keine Entschuldigung, und ich suchte auch nicht danach. Ich hatte meinem besten Freund gestohlen, was rechtmäßig ihm gehörte. Ich würde ihn nie mehr ansehen können, ohne die tiefste Scham zu empfinden. Zweimal in meinem Leben hatte ich nun die Thora beschmutzt. Wie konnte ich erwarten, bei der Rückkehr des Meisters zu den Auserwählten zu zählen, wenn ich Gottes heiliges Gesetz nicht in Ehren hielt? Es konnte nun jeden Tag ein König in Zion Einzug halten, und ich war nicht mehr würdig. In meiner Bedrängnis wandte ich mich an Simon um Rat. Ich schilderte ihm keine Einzelheiten, sondern gestand nur, daß ich eine verbrecherische Tat begangen hatte. Ich warf mich vor ihm auf die Knie und bat ihn um seine Belehrung. Zu meiner Überraschung sagte Simon folgendes:»Indem du dich um Läuterung bemühst, wirst du geläutert, denn Gott kann in dein Herz sehen. Bist du in deiner Zerknirschung aufrichtig, dann wird dir sofort vergeben. «Darauf antwortete ich:»Ich bin kein Jude, der würdig genug wäre, den Messias zu empfangen.«

Und Simon erwiderte:»Erinnere dich an das Gleichnis vom Hochzeitsfest. Setze dich niemals auf den besten Platz, denn es könnte vorkommen, daß der Gastgeber einen Bedeutenderen eingeladen hat als dich und zu dir sagt: >Bitte stehe auf und gib ihm diesen Platz.< Dann wärest du beschämt und müßtest dich auf einem geringeren Platz niederlassen. So gehe hin, wenn du eingeladen bist, und setze dich statt dessen auf den niedrigsten Platz, so daß dein Gastgeber sagen kann: >Komm höher, Freund, und setze dich dort oben hin.< Dies wird dir vor den anderen Gästen zur Ehre gereichen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.«