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Henri rückte ein wenig näher an seinen Knappen heran. »Du musst wissen, dass die Templer nur erwachsene Männer im waffenfähigen Alter aufnahmen. Denn ein Templer war nicht nur Mönch eines Ordens, sondern vor allem ein Kämpfer.«

Der Junge erhob sich aus seiner liegenden Stellung und stützte sich auf seine Ellbogen. »Das finde ich gar nicht recht. Ich wäre ein guter Soldat gewesen.«

»Es gab allerdings zuweilen Ausnahmen«, erklärte Henri. »Manche Ritter schenkten sich dem Orden mit all ihren Ländereien. Dazu gehörten auch die Leibeigenen, die für sie arbeiteten. Die Ritter erhofften sich dadurch geistliche Wohltaten, aber auch den Schutz ihrer Güter.«

»Und wenn sie nun Söhne hatten? Gehörten die mit zu dem Geschenk an den Templerorden?«, fragte Sean wissbegierig.

Henri blieb ernst, obwohl er gerne gelacht hätte. »So lässt sich das nicht ausdrücken. Sie übergaben ihre Söhne den Templern, um sie vor Feinden zu schützen und damit die Templer die ritterliche Erziehung der Jungen vollendeten.«

Sean ließ sich wieder zurückfallen. »Das gefällt mir schon besser. Seid auch Ihr von den Templern zum Ritter erzogen worden? Waren die Erzieher streng?«

»Das kann man wohl sagen«, bekräftigte Henri. »Wer Ordensritter werden wollte, musste eine harte Prüfungszeit durchmachen und nicht nur körperliche, sondern auch seelische Belastungen ertragen können.«

Henri dachte an die strengen Bestrafungen, denen die Jungen schon bei geringen Verfehlungen unterworfen wurden. War das wirklich nötig gewesen? Hatte ihn diese Behandlung so hart werden lassen, sodass er später seine Feinde, die Muselmanen, ohne Mitleid niedermetzelte? Heute schämte er sich für das, was er getan hatte. Möglichst schnell verscheuchte er jedoch diesen Gedanken.

»Ich werde dir jetzt von dem wichtigsten Tag eines Templers erzählen, von der Aufnahme in den Orden. Aber dazu muss ich ziemlich viel über die Artikel unserer Ordensregeln sprechen. Hoffentlich wird dir das nicht langweilig!«

Sean schüttelte energisch den Kopf. »Niemals!«

»Also: Als ich den Wunsch geäußert hatte, in den Templerorden aufgenommen zu werden, und die Probezeit bestanden hatte, wurde ich in eine kleine Kammer neben der Kapelle geführt. Zwei Brüder traten auf mich zu und fragten mich gemäß dem Wortlaut der Ordensregeclass="underline" Begehrt Ihr die Gemeinschaft des Templerordens, und wollt Ihr an seinen geistlichen und weltlichen Werken teilhaben?

Ich bejahte das laut und deutlich. Danach ergriff einer der Ordensbrüder wieder das Wort: Ihr begehrt, was groß ist, und Ihr kennt die harten Vorschriften nicht, die in diesem Orden befolgt werden. Ihr seht uns mit prächtigen Gewändern, schönen Pferden, großer Ausrüstung, aber das strenge Leben des Ordens könnt Ihr nicht kennen; denn wenn Ihr auf dieser Seite des Meeres seid, so werdet Ihr auf die andere Seite des Meeres geschickt, und umgekehrt; wollt Ihr schlafen, so müsst Ihr wachen, und hungrig müsst Ihr fortgehen, wenn Ihr bleiben wollt. So befiehlt es unsere Regel. Ertragt Ihr all dies zur Ehre, zur Rettung und um das Heil Eurer Seele willen?

Auch dies bejahte ich, und zwar, ohne zu zögern.

Aber der Ordensbruder stellte noch viele weitere Fragen: ob ich katholischen Glaubens sei; ob ich mich in Übereinstimmung mit der römischen Kirche befände; ob ich einem Orden verpflichtet oder aber durch Ehebande gebunden sei; ob ich Ritter und Spross einer legitimen Ehe sei; ob ich aus eigener Schuld oder aus anderen Gründen exkommuniziert sei; ob ich einem Ordensbruder etwas versprochen oder eine Schenkung gemacht hätte, um aufgenommen zu werden; ob ich kein verborgenes körperliches Gebrechen hätte, das meinen Dienst im Ordenshaus und die Teilnahme im Kampf unmöglich mache; ob ich auch nicht verschuldet sei.«

Henri hatte die vielen Artikel ein wenig eintönig zitiert, denn er kannte die Ordensregel seit seiner Aufnahme mit 14 Jahren auswendig. Es blieb ihm nicht verborgen, dass Sean eingeschlafen war. Vergeblich hatte der Junge immer wieder versucht, seine Augen aufzureißen. Schließlich waren ihm die Lider zugefallen.

Aber Joshua war wach geblieben. »Berichte weiter!«, bat er.

Henri zog sanft eine wärmende Decke über die Schultern seines Knappen, legte noch einige Äste auf das langsam verglimmende Feuer und fuhr in seinem Bericht fort:

»Alle diese Fragen konnte ich zur Zufriedenheit beantworten. Gelegenheit, in der Kapelle zu beten. Nach ihrer Rückkehr fragten sie mich, ob ich auf meinem Begehren beharre. Als ich auch dieses bejahte, zogen sie sich erneut zurück, um den Meister über meinen festen Willen zu informieren.

Daraufhin wurde ich barhäuptig vor den Meister geführt. Ich kniete mit zusammengelegten Händen nieder, wie es Artikel 667 der Ordensregel forderte, und sprach folgende Bitte aus:

Herr, ich bin vor Euch und vor die Brüder getreten, die mit Euch sind, um Aufnahme in die Gemeinschaft des Ordens zu erbitten.

Der Meister erklärte mir eindringlich, dass ich aus dem Orden ausgestoßen würde, falls sich später herausstellen sollte, dass ich in irgendeinem Punkt gelogen hätte. Darauf schwor ich auf ein gewisses Buch.«

»Aha«, sagte Joshua, beließ es aber bei dieser Bemerkung.

Henri schüttelte nur den Kopf und fuhr fort: »Ich musste bei Gott und der Jungfrau Maria schwören und versprechen, dass ich dem Großmeister des Ordens stets gehorchen würde, dass ich Keuschheit, die guten Sitten und Gebräuche des Ordens stets einhalten, dass ich besitzlos leben und nur das behalten würde, was unser Oberer gegeben hätte, dass ich alles täte, was in meiner Kraft stünde, um das zu bewahren, was im Königreich Jerusalem erworben worden sei, dass ich niemals vom Orden aus dorthin gehen würde, wo man Christen unrechtmäßig töten, ausrauben und um ihr Erbe bringen würde.«

Joshua gestikulierte heftig mit beiden Armen. »Einen Christen zu töten muss ja wohl das schlimmste Verbrechen gewesen sein.«

»Da hast du nicht einmal so ganz Unrecht«, gab Henri zu. »Auch das ist in den Ordensregeln festgelegt. Der Konvent entschied in einem solchen Fall auf Ausstoßung, Peitschung durch die Straßen von vier größeren Städten und lebenslängliche Einkerkerung.«

»Das ist aber gar zu grausam und außerdem ungerecht. Wer einen Juden tötet, wird nicht so schwer bestraft«, warf Joshua ein.

Henri dachte an die Zeit, als man ihn mit dem Schutz der Pilgerstraßen beauftragt hatte. Manchmal war er gezwungen gewesen, einen muselmanischen Wegelagerer zu töten, der sich als christlicher Kaufmann ausgegeben hatte. Es war gar nicht so leicht gewesen, christliche Kaufleute von den Ungläubigen zu unterscheiden.

Er zog es vor, in seinem Bericht fortzufahren. »Ich musste schwören, sorgsam über die Güter der Templer zu wachen, die mir anvertraut worden waren; dass ich auf Gedeih und Verderb den Orden niemals verlassen würde ohne die Einwilligung unserer Oberen. Denn so verlangten es die Artikel unserer Ordensregel.

Alles dies beschwor ich, und daraufhin ergriff der Meister wieder das Wort: So nehmen wir dich auf vom Anfang bis zum Ende deiner Tage, im Namen Gottes, der heiligen Jungfrau Maria, des heiligen Petrus von Rom, im Namen unseres apostolischen Vaters und aller Brüder des Tempels.

Nach diesem feierlichen Spruch legte der Meister mir den Mantel um, und der Kaplansbruder sang dazu den Psalm Ecce quam bonum. Danach sprach er das Heiliggeistgebet. Der Meister richtete mich mit eigener Hand auf, küsste mich auf den Mund und nach mir auch den Kaplan und die anwesenden Ritter.«

Joshua starrte in das Feuer. »Es ist ein großes Unrecht, dass man Euch verfolgt. Ich kann an diesen Regeln nichts Lasterhaftes erkennen.«

»Im Gegenteil! Der Meister legte mir noch die Ordensregeln im Einzelnen dar, erklärte mir ernsthaft, welche Vergehen die Verstoßung aus dem Orden oder der Verlust des Habits nach sich zöge.«