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Ängstlich betrachtete sie die beiden fremden Männer. »Ich kann Euch aber nur bis zu meiner Herrin bringen«, schränkte sie ihre bisherigen Zugeständnisse ein.

»Warum sagst du mir das erst jetzt?«, fragte Uthman wütend. »Ich werde dich heute Abend im Pavillon strafen und dir ein wenig Schmerz zufügen müssen.«

Juliette kicherte. Sie schien keine Furcht vor einer Bestrafung dieser Art zu haben.

Als ob wir nicht andere Sorgen hätten, dachte Henri. Er öffnete seinen Geldbeutel und ließ einige Münzen in die bereitwillig geöffnete Hand des Mädchens gleiten. »Wer ist denn deine Herrin?«

»Ich bin eine der Kammerzofen Ihrer Majestät, der Erbprinzessin Johanna von Navarra, der Gattin unseres gnädigen Königs.«

Uthman ließ seinem Zorn freien Lauf. »Konntest du nicht eher mit diesen Überraschungen herausrücken? Heute Abend werde ich dir zeigen müssen, wie man bei uns ungehorsame Frauen bestraft.«

Henri griff wieder in seine Schatulle. Dieses Mädchen durfte man nicht unterschätzen. »Statt einer Strafe wirst du eine Belohnung erhalten, wenn du uns jetzt zu deiner Herrin führst.«

Juliette machte vor ihm einen tiefen Knicks. Sie hatte erkannt, wer bei diesen drei Männern das Sagen und einen gefüllten Geldbeutel hatte. Ungehindert durchquerten sie ein Vorzimmer. Die Zofe klopfte an eine breite Flügeltür und wartete, bis von drinnen die Erlaubnis zum Eintreten ertönte. Sie gab den drei Männern ein Zeichen, vor der Tür zu warten. Obwohl Uthman ein Ohr gegen die vergoldete Holzfüllung presste, konnte er von dem Wortwechsel drinnen nichts verstehen. Er sah aus, als ob er Juliette am liebsten an Ort und Stelle verprügelt hätte.

Henri mahnte zur Geduld. Er wusste, dass Johanna von Navarra dem König als Mitgift nicht nur diesen Pyrenäenstaat, sondern auch die Champagne eingebracht hatte. Darum mutmaßte er, dass ihr Einfluss bei dem König nicht gering sein konnte.

Schließlich öffnete sich die Tür, und Juliette gab ein Zeichen, dass die Königin die drei Fremden empfangen wolle. Sie lagerte auf einer Chaiselongue und zeigte freigebig ihre Reize. Henri und Joshua verbeugten sich tief, Uthmann starrte auf ihren üppigen Busen.

»Tretet näher, meine Herren!«, gestattete ihnen Johanna von Navarra. »Zeigt mir Eure Lederwaren! Vielleicht gefällt mir etwas davon, und ich werde Euch erlauben, mir dies oder jenes als Geschenk zu überreichen.«

Henri beobachtete, dass Uthman sich nur mühsam beherrschen konnte. Darum trat er selbst als Wortführer vor. »Es ist uns eine große Ehre, Majestät, dass wir Euch unsere bedeutende Kollektion vorführen dürfen. Aber wir müssen zunächst an Eure bekannte Großmut appellieren. Es ist von größter Wichtigkeit, dass Ihr uns zu Eurem Gemahl führt, damit wir ihm ein geheimes Dokument überreichen können. Denn wir sind nicht nur Lederwarenhändler, sondern auch Geheimnisträger, da wir von Ort zu Ort durch ganz Frankreich und die umliegenden Länder reisen. Bei dieser Gelegenheit sind wir Mitwisser einer unerhörten Begebenheit geworden.« Er beugte sich tief zu der Königin hinab und flüsterte ihr zu: »Es handelt sich um den Schatz der Templer.«

Johanna von Navarra erbleichte und lief danach so rot an, dass Henri einen Schlaganfall befürchtete. Sie ließ sich von der Zofe aufhelfen und streckte gebieterisch die Hand aus. »Gebt mir dieses Billett!«

Henri zögerte. Er hatte den Verdacht, dass die Königin das Papier behalten und für sich ausnutzen wollte. »Nur zu gern, Majestät, würde ich Euch das Dokument überreichen. Aber es ist in einer Geheimsprache abgefasst, die nur dem König zugänglich sein wird.«

Johanna von Navarra stampfte mit den Füßen auf. Sie geriet ins Stolpern und wäre rücklings auf die Chaiselongue zurückgefallen, wenn Uthman sie nicht aufgefangen hätte. Er hielt sie etwas länger als notwendig in den Armen, was sich die Königin widerstandslos gefallen ließ. Sie zögerte, ob sie ein Schäferstündchen mit dem dunkellockigen jungen Mann der Preisgabe des Geheimnisses vorziehen solle. Aber nach kurzer Überlegung entschloss sie sich für den in Aussicht gestellten Schatz. »Ich werde Euch begleiten«, gab sie ihren Entschluss bekannt. Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.

»Du bleibst hier!«, befahl sie ihrer Zofe und rauschte würdevoll durch endlose Gänge voran. Wir müssen sie irgendwie loswerden, dachte Henri. Denn sie wird ein lautes Zetermordio anstimmen, wenn wir uns anschicken, ihrem Gemahl die Kehle durchzuschneiden.

Die Königin schob einen Soldaten beiseite, der vor der Tür des Königs Wache hielt, und betrat, ohne anzuklopfen, den Audienzsaal. Philipp sah ihr unwillig entgegen. »Was führt Euch zu mir, meine Liebe? Wer sind diese Männer? Ich war soeben dabei, wichtige Papiere durchzusehen.«

Johanna von Navarra zeigte ihr Selbstbewusstsein. Es war spürbar, dass sie ihrem Gemahl zu einem stattlichen Erbe verholfen hatte. »Deine Papiere können warten. Denn ich bringe Euch ein Dokument, das alle diese Papiere aufwiegt. Diese drei Männer tragen die Lösung eines Rätsels bei sich, das Euch schon lange beschäftigt. Die Entdeckung des Templerschatzes ist greifbar nahe.«

König Philipp sprang so ungestüm auf, dass die eben noch so wichtigen Papiere zu Boden flatterten. Ungestüm riss er Henri das Billett aus der Hand und starrte ratlos auf die Schrift. »Was soll das bedeuten? Wollt Ihr etwa Euren König lächerlich machen? Ich werde Euch arretieren und foltern lassen. Dann wird sich schon herausstellen, ob Ihr das Versteck des Templerschatzes wirklich kennt.«

»Verzeiht, Sire«, sagte Henri unterwürfig. »Der gelehrte Mann hier an meiner Seite kann Euch versichern, dass es sich um keinen bösen Scherz, sondern um ein so genanntes Kryptogramm handelt. Der Fünfzeiler liefert uns, wenn es uns gelingt, die Bedeutung der einzelnen Zeilen zu entziffern, das gesuchte Lösungswort.«

»Ein Kryto was?«, fragte die Königin verständnislos.

»Mischt Euch nicht in Staatsangelegenheiten ein, von denen Ihr nichts versteht«, wies sie der König unhöflich zurecht. »Es gibt andere Dinge, von denen Ihr mehr versteht.«

König Philipp legte das Billett auf den Audienztisch, glättete es mit beiden Händen und ließ sich in einem Sessel nieder, während Joshua sich neben ihn stellte. »Jede Zeile ergibt einen Buchstaben, Majestät. Was könnte es sein, das ein Gesunder nicht haben möchte?«

»Natürlich Reichtum!«, rief die Königin laut. »Wenn unsere Diener gesund ihrer Arbeit nachgehen können, brauchen sie kein Geld. Das hat mir gerade erst unser Hausgeistlicher bestätigt.«

»Meine Liebe, Ihr stört! Dieser Buchstabe ergibt absolut keinen Sinn«, rief der König ärgerlich. »Verlasst den Raum und nehmt diesen jungen Kerl mit, der hier absolut entbehrlich ist. Er soll Euch ein wenig die Zeit vertreiben.«

Henri zog Uthman auf die Seite. »Folge dem Befehl des Königs! Sonst werden wir gezwungen sein, auch seine Gemahlin zu töten. Das aber tue ich nur ungern. Sie ist unschuldig.«

»Kennt Ihr auch diesen Fünfzeiler?«, wandte sich Johanna von Navarra an Uthman, der unwillig nickte. »Dann werden wir beide uns ebenfalls an die Lösung des Rätsels machen. Glaubt mir, mein Gemahl, dass wir dem Geheimnis schneller auf die Spur kommen werden als Ihr und die beiden Gelehrten.«

Im Gemach der Königin saß Juliette mit einem bitterbösen Gesicht und putzte die silbernen Bürsten ihrer Herrin.

»Du kannst gehen«, ordnete die Königin an. »Dieser junge Lederwarenhändler ist nahe daran, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen.«

Juliette schmiss zornig die silbernen Bürsten zu Boden, warf Uthman einen drohenden Blick zu und verließ an den Wachen vorbei geräuschvoll den Raum.

Die Königin schüttelte den Kopf. »Diese Dienstboten werden von Jähr zu Jahr unverschämter. Ich werde sie in ihr Heimatdorf zurückschicken müssen. Da darf sie dann wieder auf dem Feld arbeiten und sich von dünner Gerstensuppe ernähren.«