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Sie nötigte Uthman, auf der Chaiselongue Platz zu nehmen, und holte ein zierliches Tintenfass und eine spitze Feder herbei. »Schreibt jetzt diesen Fünfzeiler auf!« Sie setzte sich neben ihn und schaute ihm über die Schulter, während Uthman schrieb. Ihre Haare kitzelten seine Wange.

Wenn ich es fertig bringe, dachte er, der Königin irgendeinen Ort vorzugaukeln, ehe Henri und Joshua dem König das Wort Malta enträtselt haben, komme ich noch rechzeitig genug, um Philipp den Dolch in die Kehle zu stoßen. Denn das wird mir eine größere Lust verschaffen als die, welche die Königin mir offensichtlich bereiten will.

»Ich hatte schon richesse herausgefunden«, sagte die Königin nicht ohne Stolz. »Die zweite Zeile heißt: Im Orient ist seine Heimat. Da gibt es doch nichts zu überlegen. Das ist Amor, amour. Wir können uns eine kleine Pause erlauben. Denn die nächsten drei Buchstaben werden wir genauso schnell gelöst haben wie die ersten.«

Sie ließ sich nach hinten fallen und zog Uthman mit sich. »Es ist schrecklich heiß hier«, stöhnte sie. »Öffne mir das Gewand und löse mir die engen Schnüre meines Rocks.«

Je schneller ich ihre Wünsche erfülle, dachte Uthman, umso eher kann ich zum Audienzsaal zurückeilen, um meine Damaszenerklinge zum Einsatz zu bringen. Denn ich bin, wie Allah weiß, nicht in das Palais gekommen, um den Liebeshunger der Königin zu stillen. Er half ihren kundigen Fingern nach und bettete sie unter sich auf die Kissen der Chaiselongue. Er war bereit, alles zu tun, wonach sie verlangte.

In diesem Augenblick wurde leise die Tür geöffnet, und Juliette erschien auf der Schwelle. Sie brauchte nicht lange, um zu erkennen, was sich da ihren Augen bot. Dann ging alles sehr schnell.

»Zu Hilfe! Hilfe!« Die Stimme der Zofe kippte über. »Wachen hierher! Ein Mörder will unsere Königin töten.« Sie tobte, schrie und lief die Gänge auf und ab. »Rettet den König und die Königin! Zwei Mörder sind in den Audienzsaal eingedrungen! Die Königin liegt halbtot in ihrem Gemach! Zu Hilfe! Zu Hilfe!«

Dröhnende Stiefeltritte und Waffengeklirr ertönte. Lanzenträger stürmten durch die Gänge, Leibwachen, die mit Schwertern bewaffnet waren, rissen Türen auf und verteilten sich in allen Räumen.

Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Uthman hatte die Absicht, den Audienzsaal zu erreichen, um Henri und Joshua mit der Damaszenerklinge auf ihrem Rückzug zu decken. Aber er hatte die Orientierung verloren. Am Ende des Ganges erwarteten ihn drei Schwertträger. Ehe sie ihre schweren Waffen erheben konnten, hatte er alle drei mit seinem Dolch niedergestreckt. Ihr Gebrüll hallte durch den Treppenaufgang. Am Fuß der Treppe hatten Wachen mit Lanzen Aufstellung genommen. Er sprang einem von ihnen von der fünften Stufe aus auf den Kopf, durchstach ihm die Kehle und ergriff seine Lanze. Die beiden anderen wichen zur Wand zurück. Uthman erstach sie fast gleichzeitig, indem er mit der rechten Hand die erbeutete Lanze führte, den einen mit der Spitze an die Wand nagelte und dem anderen mit der Damaszenerklinge die Kniekehle durchschnitt. Wo waren Henri und Joshua? Waren sie von den Wachen überwältigt worden?

Oben an der Treppe erschien Juliette. »Schwein! Geiler Bock!«, rief sie zu ihm herab. »Jetzt ist dein letztes Stündlein gekommen. Du wirst keine Frau mehr beglücken können.«

Ganz langsam kam sie ihm mit einem Messer in der Hand auf der Treppe entgegen. Auge in Auge standen sie sich gegenüber. »Weißt du, wo deine Gefährten jetzt sind? In der Küche. Die Köche sind soeben dabei, sie zu Saufutter zu verarbeiten.«

Uthman spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Rote Wellen tanzten vor seinen Augen. Er entwand dem Mädchen das Messer und schlug kräftig zu. Ohne einen Schmerzensschrei sank sie ohnmächtig zu Boden und stürzte die Treppe abwärts, wo sie leblos mit starr geöffneten Augen liegen blieb.

Sein klarer Verstand kehrte zurück. Uthman glaubte nicht daran, was Juliette über seine Gefährten gesagt hatte. Zu einer solch scheußlichen Tat waren die Köche niemals fähig. Aber er stürmte dennoch in das Souterrain, wo die Schlossküchen untergebracht und unbewacht waren. Das Herdfeuer loderte, und es dauerte eine Zeit lang, bis er in dem Qualm und den Schwaden Henri und Joshua erkannte, die sich hinter dem großen Herd verschanzt hatten. Auf der Flucht vor den Wachen und der vergeblichen Suche nach einem Ausgang waren sie hier in eine Falle geraten.

»Hier bin ich!«, brüllte Uthman laut, um das Prasseln der Flammen zu übertönen. Er griff in die Glut, ergriff ein Holzscheit und warf es einem der Köche ins Gesicht. Es roch nach verbranntem Fleisch, und es kümmerte ihn nicht, ob das sein eigenes oder das des getroffenen Kochs war. Ohne zu zögern, packte er einen der eisernen Töpfe und schüttete die heiße Brühe einem der Angreifer über den Leib. Der verbrühte Koch schrie wie ein verwundetes Tier. Damit hatte er jedoch Henri und Joshua von den vordersten Angreifern befreit und ihnen Raum zur eigenen Verteidigung geschaffen.

»Nimm den leeren Topf und knall ihn dem Kleinsten auf den Kopf!«, rief er Joshua zu. Zu seiner Befriedigung sah er, dass Joshua bei weitem nicht so schwach war, wie es den Anschein hatte. Er hatte nicht gewusst, wozu Henri fähig war, wenn es der Kampf erforderte. Denn Henri hatte mit beiden Fäusten zwei Köche erfasst und stieß sie mit den Gesichtern auf die Herdplatte. Ein grauenvolles Gebrüll kündigte von ihren Schmerzen. Zwei kleine Küchengehilfen verschonte er vor dem Schlimmsten und gab ihnen nur mit einem glimmenden Holzscheit einige Streiche aufs Hinterteil.

Die Küche hatte sich geleert. »Wir müssen weg!«, mahnte Henri. »Vielleicht sind einige der Köche entkommen und holen die Wachen herbei.« Sie entwichen durch eine schmale Luke. Vom Schloss her ertönte Geschrei. Offenbar vermutete man sie immer noch im Palais und durchsuchte alle Räume.

Draußen im Garten herrschte Stille. Sie eilten zu der kleinen Pforte und fanden sie unverschlossen. Die Pferde waren noch immer draußen angebunden und knabberten an dem jungen Grün, das über die Mauer ragte. Wenige Augenblicke später befanden sie sich auf der Straße zum Süden.

Sie ritten Tag und Nacht, gönnten nur ihren Pferden ab und zu eine kurze Rast, um sie zu tränken und zu füttern. Sie wagten nicht einmal, im Sattel zu schlafen, ohne dass einer von ihnen Wache hielt und die Straße beobachtete. Henri hatte vorgeschlagen, die Seine zu meiden und durch die Wälder bis nach Auxerre zu reiten. Sie waren überzeugt, dass Nicholas ihnen für eine Nacht Quartier geben würde, damit sie sich gefahrlos ausschlafen konnten.

Erst am dritten Tag sprachen sie darüber, dass es ihnen verwehrt geblieben war, ihr Gelöbnis zu erfüllen. »Ich schäme mich, dass es uns nicht gelungen ist, Philipp für seine Verbrechen zu bestrafen«, bekannte Henri. »Er hat den Tod verdient.«

Uthman klopfte auf seinen Gürtel, in dem er seine Damaszenerklinge stecken hatte. »Es wäre mir sehr hart gewesen, wenn einer von euch beiden ihm den Todesstoß versetzt hätte. Wie weit wart ihr denn mit der Auflösung des Rätsels?«

»Damit hatten wir uns Zeit genommen«, sagte Joshua. »Denn wir hofften auf deine Rückkehr.«

Uthman konnte trotz der Schmerzen seiner verbrannten Hände schon wieder lachen. »Da hättet ihr euch noch eine Weile gedulden müssen. Die Königin war gerade bei dem Buchstaben A angelangt und hatte Amor und Amour vorgeschlagen.«

»Das ist doch gar nicht so dumm«, gab Joshua sein Urteil ab.

Uthman lachte abermals. »Aber leider wollte sie den Einsatz dieses Buchstabens auch mit der praktischen Anwendung bekräftigen.«

»Soll das etwa heißen…?«, erkundigte sich Joshua ahnungsvoll.

Henri übernahm die Antwort. »Du kennst doch unseren allseits bei den Damen beliebten Uthman. Natürlich wollte sie von ihm beglückt werden.«

Joshua war empört. »Eine Königin? Eine Erbprinzessin aus adeligem Geblüt sollte sich in Grund und Boden schämen, einen fremden jungen Burschen zu verführen.«