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Nur wenige Jahre nach der ersten Enteignung und Vertreibung der Juden schielt Philipp nach dem immensen Vermögen und der Macht des reichsten geistlichen Ordens seiner Zeit, des Templerordens. Längst schon spielen die einstmals armen Ritter auf der weltpolitischen Bühne; Philipp wird besonders geärgert haben, dass sie den Krieg seines Feindes, des englischen Königs Edward I. gegen Frankreich mitfinanzieren. Aber die Templer haben zudem ungeheure Mengen an Grundstücken angehäuft (Adelige vermachten ihnen Liegenschaften, um ins Himmelreich zu kommen), und sie kontrollieren das Bankwesen in ganz Europa. Philipp ist bei ihnen tief verschuldet. Er zwingt den ihm gehorsamen Papst zur Ächtung des Ordens. Ein paar Vorwürfe – darunter Anbetung eines Idols, Sodomie, Gemeinschaft mit den ungläubigen Muslimen – sind schnell aus dem Hut gezaubert. Insgesamt 127 Punkte umfasst die Anklageschrift letztlich. Die Mitwirkung des Papstes nötigt alle christlichen Könige Europas, sich an der Verfolgung der Templer zu beteiligen, obwohl der Orden als Bild der Frömmigkeit und christlichen Rittertugend gilt und niemand überhaupt die Vorwürfe glaubt. Ab Freitag, dem 13. Oktober 1307, werden in ganz Frankreich sämtliche Templer verhaftet – insgesamt 5000. Die Aktion läuft innerhalb eines Tages ab – die restlichen Länder Europas aber folgen eher widerwillig, und in Spanien, in Italien, England und im Deutschen Reich dauert es Monate, bis die vom französischen König betriebenen Erlasse des Papstes umgesetzt werden. Dennoch: Kerker und Folter folgen, und nicht wenige Mitglieder des Templerordens gestehen unter Pein die ihnen angedichteten Verbrechen und Ketzereien. Im März 1314 wird dann der Großmeister der Templer, Jacques de Molay, auf einer Seine-Insel in Paris verbrannt – das infame Ende einer gewaltigen Verschwörung, mit dem dieser Roman beginnt. Jacques de Molays letzte Worte, nachdem er sich geweigert hat, seine »Sünden« zu bekennen, sind: »Lass Übel über all jene kommen, die uns verdammt haben. Gott wird unseren Tod rächen. Gott wird uns Gerechtigkeit widerfahren lassen. Unsere Feinde sollen das erleiden, was wir erlitten haben, für das, was sie uns angetan haben.« Vermutlich entgingen in Frankreich nur 20 Templer der Vernichtung, der – historisch fiktive – Henri de Roslin unseres Romans ist einer davon.

Das Ende des Templerordens

Die Tempelritter waren 1118 gegründet worden, um das Leben der Pilger im Heiligen Land zu schützen – die Kriegermönche kamen dabei zu Wohlstand und zogen sich, als Palästina für die Christenheit verloren war, nach Europa zurück. Nichts deutete auf ihr Ende hin, das sich über sieben lange Jahre hinzog.

Das Ende der Tempelritter beginnt am 14. September 1307 mit dem Befehl des französischen Königs, alle Templer in Frankreich zu verhaften, und erreicht mit der offiziellen Auflösung des Ordens durch die päpstliche Bulle Vox in excelso vom 22. März 1312 einen ersten Höhepunkt. Die Organisation existiert längst nicht mehr, aber noch leben die Würdenträger des Ordens, die unter der Folter schon 1307 alle die Ungeheuerlichkeiten bekannt haben, die dem Orden als Ganzes und seinen Mitgliedern in der Anklageschrift vorgeworfen werden. Eine weitere päpstliche Bulle mit dem Titel Considerantes dudum vom 6. Mai 1312 bestimmt, dass die im Laufe des Prozesses für unschuldig befundenen oder nach ihren Geständnissen »mit der Kirche versöhnten« Ordensmitglieder unterstützt durch finanzielle Zuwendungen in den ehemaligen Häusern des Ordens leben dürfen. Diejenigen, die standhaft geleugnet oder ihre Geständnisse widerrufen haben, werden mit harten Strafen bedroht.

Die Aburteilung der hohen Würdenträger, insbesondere des Großmeisters Jacques de Molay, hat sich Papst Clemens V. selbst vorbehalten. Der Großmeister hat immer betont, dass er allein dem Papst gegenüber Rechenschaft abzulegen gedenke, dem er völlig vertraut. Doch der Papst verrät dieses Vertrauen.

Am 23. Dezember 1313 beruft er endlich eine päpstliche Kommission zur Vernehmung des Großmeisters und der anderen Ordensoberen ein; unter den drei berufenen Kardinälen ist auch Nikolaus von Fréauville. Diesem Mann des Königs hat Jacques de Molay schon 1309 gegenübergestanden, als dieser Mitglied der von König Philipp IV berufenen Kommission zur Untersuchung der Vorwürfe gegen den Orden gewesen ist. Der Angeklagte hat von der für den 18. März 1314 festgelegten Sitzung der päpstlichen Kommission also nichts zu erwarten. Und so wird er an diesem Tag auch nicht befragt, es gibt auch keine Verhandlung, allein der Urteilsspruch wird verlesen. Der Großmeister, der Präzeptor der Normandie, Geoffrey de Charney, sowie Hugues de Pairaud und Gottfried von Gonneville werden zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt.

»Doch während die Kardinale glaubten, damit sei alles in dieser Angelegenheit abgeschlossen, erhoben sich ganz unversehens und unerwartet zwei von diesen Männern, der Großmeister und der Meister der Normandie, die sich starrsinnig dem Kardinal, der den Beschluss vorgetragen hatte, und dem Erzbischof von Sens widersetzten und ihr Geständnis und alles, was sie bis dahin gesagt hatten, widerriefen…« [zit. n. Demurger, 1992, S. 260]

Die Hinrichtung

Mit dem Widerruf gelten die beiden Angeklagten als »Relapsi«, als Rückfällige, was in einem Inquisitionsprozess dieser Zeit zwangsläufig zum Tod auf dem Scheiterhaufen führen muss. Beide Männer wissen also von vornherein, was ihnen droht, doch hat Jacques de Molay schon 1307 unter Berufung auf eine zuvor erfolgte Folterung seine ersten, den Orden belastenden Aussagen widerrufen. Das bleibt ohne Folgen, und entweder hofft de Molay darauf, wieder mit dem Leben davonzukommen, oder er hat den Kampf endgültig aufgegeben. Was ihn in seinem Entschluss zu widerrufen wirklich bestärkt, ist nicht bekannt. Und zunächst scheint die Rechnung des Großmeisters aufzugehen. Die päpstliche Kommission will nach diesem überraschenden Widerruf für den nächsten Tag eine weitere Sitzung einberufen, doch König Philipp IV. nimmt den kirchlichen Würdenträgern die Entscheidung aus der Hand:

»Am selben Tag zur Vesperstunde wurden sie auf einer kleinen Seineinsel zwischen den königlichen Gärten und der Augustinerkirche zum Feuertod abgeführt… Man sah sie so entschlossen, den Feuertod zu erleiden, mit einer solchen Willenskraft, dass sie bei allen, die bei ihrer Hinrichtung anwesend waren, Bewunderung und Erstaunen wegen ihrer Standhaftigkeit im Sterben und im Leugnen im Angesicht des Todes hervorriefen.« [Continuation de Guillaume de Nangis, Bd. I, S. 402-403; zit. n. Demurger, 1992, S. 261]

Gottfried von Paris, der als Augenzeuge die Hinrichtung miterlebte, berichtet in der »Pariser Reimchronik« von den letzten Momenten im Leben Jacques de Molays:

»Der Großmeister, der das Feuer angezündet sah, entkleidete sich ohne Zögern. Ich erzähle es, wie ich es gesehen habe. Ganz nackt in seinem Hemd kam er heran, mit leichtem Schritt und froher Miene, ohne irgendwie zu zittern, trotzdem man ihn zog und stieß. Man nahm ihn, um ihn an den Pfahl zu binden, und wollte ihm die Hände fesseln, aber er sagte zu den Henkern: ›Ihr Herren, lasst mich wenigstens die Hände falten und Gott mein Gebet darbringen, es ist wohl der Augenblick dazu gekommen. Ich werde sterben. Gott weiß, dass es zu Unrecht geschieht. Ihr Herren wisst, daß alle jene, die gegen uns waren, für uns werden leiden müssen. In diesem Glauben sterbe ich. Dreht mich, bitte, mit dem Gesicht zu der Jungfrau, die unseren Herren Jesus Christus geboren hat.‹« [Gottfried von Paris, zit. n. Loos, 1997, S. 112-113]