Die Henker sind gnädig, und so darf er mit dem Blick über die königlichen Gärten und die Sainte-Chapelle hinweg auf die Türme der Kirche Notre-Dame gerichtet sterben. Der Tod kommt, wie die Reimchronik berichtet, leicht und schnell, was großes Erstaunen unter den Zuschauern auslöst.
Hugues de Pairaud und Gottfried von Gonneville haben durch ihr Schweigen ihr Leben gerettet, sie finden ihr Ende im Gefängnis. Wenn man dem Bericht des Florentiner Chronisten Guillaume Villani Glauben schenkt, wurden die Asche und die Knochen der Verbrannten von einigen Nonnen und »heiligen Menschen« eingesammelt und als Reliquien verwahrt. [Demurger, 1992, S. 261]
Clemens V. überlebt die Hinrichtung des Großmeisters der Templer nicht lange. Bereits am 20. April 1314 stirbt der schon immer kränkliche Papst in dem Ort Roquemaure. Nach der Sächsischen Weltchronik gelten die letzten Gedanken des Sterbenden seiner Verwicklung in den Prozess gegen die Templer. Er beklagt, von seiner Habsucht dazu getrieben worden zu sein, die Templer zu verurteilen, und bereut.
Dem französischen König ist auch kein langes Leben mehr vergönnt. Philipp IV. der Schöne hat Anfang November 1314 während einer Jagd im Forst von Saint-Maxence einen Unfall, von dem er sich nicht mehr erholt. Am 29. November 1314 stirbt er in Fontainebleau.
Er hat den Thron Frankreichs 1285 als Nachfolger seines Vaters Philipp III. bestiegen. Es heißt von Philipp IV. er starre die Menschen nur an, ohne etwas zu sagen. Wenn er auch vieles von Menschen seines Vertrauens erledigen lässt, bleibt er dabei doch nicht abseits, sondern verfolgt aufmerksam den Verlauf der Vorgänge anhand der Akten. Entscheidungen trifft er gestützt auf die Vorarbeiten seiner Helfer. Der Jagd ist der König mit Leidenschaft zugetan. Durch seine Ehe mit Johanna von Navarra, die er aufrichtig liebt, hat er auch das spanische Königreich Navarra und die Champagne seinem Herrschaftsbereich hinzufügen können. Die Besetzung der englischen Besitzung Guyenne endet mit dem Vertrag von Paris im Jahr 1303, in dem der Friede mit England wiederhergestellt wird. Aber noch gehören Teile Frankreichs zu England. Auch Flandern okkupiert und konfisziert Philipp IV. Doch den Widerstand der Flamen kann er nicht brechen. Die flämischen Stadtmilizen siegen in der »Sporenschlacht« am 11. Juli 1302 über die französischen Truppen. In den folgenden Verhandlungen, die bis zum Tode des Königs andauern, wird keine Einigung erzielt. Dagegen gelingt es Philipp IV, die Fürstgrafschaft Burgund, die bisher zum deutschen Kaiserreich gehört hat, zu erhalten.
Ein schwerer Konflikt entsteht zwischen dem König und Papst Bonifaz VIII. Mit einem Verdikt hat der Papst jegliche Besteuerung des Klerus ohne seine Zustimmung verboten. Eine Einigung der beiden Parteien ist nicht möglich; schließlich fordert im März 1303 die königlich-französische Partei die Absetzung des Papstes wegen seines Beharrens auf dem Herrschaftsanspruch der Kirche. Dieser Konflikt findet seinen Höhepunkt und sein Ende im »Attentat von Anagni«. Guillaume de Nogaret, Thiery di Hirecon und Jacques de Jasseines nehmen den Papst im Auftrag des Königs gefangen, doch die Bürger der Stadt Anagni befreien Bonifaz VIII. wieder. Infolge einer Verletzung, die er sich während der Kämpfe zuzieht, stirbt der Papst wenig später. Das Konzil wählt einen Kandidaten, der sowohl der Partei Frankreichs wie den Feinden des französischen Königs genehm ist, Clemens V.
Seine ständige Geldnot versucht Philipp IV. zunächst durch Münzverschlechterungen, dann durch die Vertreibung und Ausplünderung zunächst der italienischen Bankiers, der »Lombarden«, und dann der Juden Frankreichs zu beheben. Verschiedentlich wird vermutet, auch die Vernichtung des Templerordens sei in der Hoffnung auf den Besitz des Ordens in die Wege geleitet worden. Doch kann sich der König nie die Hoffnung gemacht haben, die Besitztümer des Ordens, über die allein die Kirche bestimmen darf, in seine Hand bringen zu können.
Oder glaubt er, dass er Clemens so beherrscht, dass ihm das Geld zufallen wird? Sein Grab findet Philipp IV. in der Kirche Saint Denis in Paris, es ist von einer Steinskulptur des Königs gedeckt.
Der Orden der Templer war ein so genannter Ritterorden, der sowohl kämpfte wie betete. Seine Hauptaufgabe war der Schutz der Pilgerstraßen im Heiligen Land. Weil die Tempelritter in ihren Niederlassungen, den Komtureien, Wechsel für hinterlegtes Geld ausstellten, die der Besitzer dann in einer weiteren Templer-Niederlassung am Zielort wieder gegen Bares einlösen konnte, beherrschte der Orden den innereuropäischen Geldverkehr. Da er zudem als Inbegriff des christlichen Rittertums galt, vermachten viele Adlige den »armen Rittern« Land und Besitz. Tempelritter zu sein war eine ehrenvolle und erstrebenswerte Laufbahn.
Die Aufnahme in den Templerorden folgt einem genau festgeschriebenen Ritus. Der Kandidat hat nur eine Bedingung zu erfüllen: Er musste ein freier Mann sein. Das Hauptinteresse des Ordens liegt insbesondere darin, waffenfähige Mitglieder aufzunehmen, die im Heiligen Land gegen die Heiden kämpfen können. Wenn auch formal jeder beitreten darf, rekrutiert sich der Großteil der Mitglieder aber aus dem niederen und mittleren Adel. Die Bewerber müssen zunächst eine Probezeit hinter sich bringen, in der ihre Eignung zum Dienst für den Orden geprüft wird.
Eine Beschreibung des Ablaufs der Aufnahmezeremonie ist durch die Aussage des Templers Gerhard von Caux im Prozess erhalten geblieben. Aufgenommen wurde er zusammen mit zwei weiteren Postulanten am Kirchenfest der Apostel Peter und Paul. Nach der Feier der Messe am Morgen des Tages folgt die Aufnahme des neuen Mitglieds. Der Postulant findet sich in einer an die Kapelle anschließenden Kammer ein, wo ihm zwei Ordensbrüder die Frage stellen:
»Begehrt Ihr die Gemeinschaft des Templerordens und wollt Ihr an seinen geistlichen und weltlichen Weihen teilhaben?«, wie es Artikel 657 der Ordensregel vorschreibt.
Wird diese Frage bejaht, richtet man wieder das Wort an ihn:
»Ihr begehrt, was groß ist, und Ihr kennt die harten Vorschriften nicht, die in diesem Orden befolgt werden. Ihr seht uns mit schönen Gewändern, schönen Pferden, großer Ausrüstung, aber das strenge Leben des Ordens könnt Ihr nicht kennen. Denn wenn Ihr auf dieser Seite des Meeres sein wollt, so werdet Ihr auf die andere Seite des Meeres geschickt, und umgekehrt. Wollt Ihr schlafen, so müsst Ihr wachen, und hungrig müsst Ihr fortgehen, wenn Ihr essen wollt.«
Dieser Warnung folgt die Frage:
»Ertragt Ihr all dies zur Ehre, zur Rettung und um das Heil Eurer Seele willen?«
Auch dies muss der Postulant bejahen, worauf ihm die nächste Frage gestellt wird:
»Wir möchten von Euch wissen, ob Ihr katholischen Glaubens seid, Euch in Übereinstimmung mit der römischen Kirche befindet, ob Ihr in einem Orden verpflichtet oder aber durch Ehebande gebunden seid. Seid Ihr Ritter und Spross einer legitimen Ehe? Seid Ihr aus eigener Schuld oder sonstwie exkommuniziert? Habt Ihr etwas versprochen oder einem Ordensbruder eine Schenkung gemacht, um aufgenommen zu werden? Habt Ihr auch kein verborgenes körperliches Gebrechen, das Euren Dienst im Ordenshaus und die Teilnahme am Kampf unmöglich macht? Seid Ihr auch nicht verschuldet?« [Art. 658 und 669-673]
Die erste Frage soll sicherstellen, dass es sich bei dem Postulanten nicht um einen Ketzer handelt. Gleichzeitig darf auch niemand Mitglied in zwei Orden sein. Eine Aufnahme von Ehepaaren in den Orden kennen die Templer zwar, aber Paare gelten nur als assoziierte Mitglieder. Sie müssen zwar ein ehrenhaftes Leben führen, dürfen aber nicht im Konvent wohnen und sind auch nicht berechtigt, den weißen Mantel zu tragen, wie Artikel 69 der Ordensregel vorschreibt. Da der Orden ausgebildete Kämpfer für seine militärischen Aufgaben benötigt, ist die Ritterschaft eine der gestellten Bedingungen. Niemand wird aufgenommen, der aus der Kirche ausgeschlossen ist. Eines der schlimmsten Verbrechen innerhalb der Kirche ist die »Simonie«, der Kauf und Verkauf von kirchlichen Weihen und Ämtern. Daher die Frage nach den erfolgten Schenkungen. Großes Interesse hat der Orden daran, dass ihm einsatzfähige Männer zur Verfügung stehen – aus diesem Grund muss der Postulant über seinen körperlichen Zustand Auskunft geben.