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Nach dem Willen des Königs hatte sich diesmal in Fontainebleau keine Jagdgesellschaft versammelt, sondern sein Ratskollegium. Dazu gehörten die unmittelbaren Vasallen, auch Lehnsfürsten mit ausgedehnten Ländereien, Herzöge, Grafen, Bischöfe, hohe Offiziere, Juristen, Beamte und natürlich sein Kanzler Nogaret und der Kämmerer.

Als besonderer Gunstbeweis des Königs waren auch viele niedere Ritter und sogar ein einfacher Hospitaliterbruder geladen worden.

Denn der König brauchte Geld. Vor allem der Krieg mit Flandern hatte zu einem steigenden Geldbedarf geführt. Als die Rede auf die Notwendigkeit des Krieges kam, meldete sich einer der Offiziere zu Wort. »Wenn auch dieser Krieg viel Geld gekostet hat, so durften wir uns doch nicht die Unverschämtheiten der Brügger Handwerker gefallen lassen.«

Ein anderer der Offiziere stimmte ihm zu. »Wer von uns wird jemals die Brügger Frühmette vergessen, bei der unsere Leute überfallen und niedergemetzelt wurden?«

Nach diesen anklagenden Worten erhob sich allgemeiner Tumult, den Philipp mit einer herrischen Handbewegung zur Ruhe brachte. Es fehlte noch, dass man ihn an seine vernichtende Niederlage in der Goldene-Sporen-Schlacht gegen die Handwerkerschaft und die Flandrischen Truppen erinnerte. Er hatte diese Demütigung niemals vergessen und seine Rache umsichtig vorbereitet.

Natürlich ging es ihm auch darum, die immensen Geldausgaben zu rechtfertigen. »Wir haben die flandrische Flotte versenkt, das Heer geschlagen und den Flamen harte Friedensbedingungen auferlegt.«

An dieser Stelle meldete sich der Kämmerer. »Neben einer erdrückenden Entschädigung mussten die Flamen Besatzungskosten und eine Rente an die königliche Schatzkammer zahlen.«

»Und selbstverständlich wurden die Mauern der großen Städte geschleift«, warf einer der Ritter ein.

Der eigentliche Anlass zur Einberufung des Ratskollegiums war in Gefahr, vergessen zu werden. Darum ergriff der Kämmerer wieder das Wort. »Wir wollen doch nicht vergessen, dass uns große Einnahmen verloren gingen, weil Papst Bonifacius VIII. die Besteuerung der Kirche verbot. Er hat uns ja regelrecht mit seiner Bulle Unam Sanctam den Krieg erklärt.«

Die anwesenden Bischöfe schauten schweigend zu Boden.

Einer der Vasallen konnte seine Empörung nicht länger zurückhalten. Er sprang auf und verschaffte sich Gehör. »Wir sollten nicht vergessen, dass der Papst mit seiner Bulle unseren König beleidigt hat. Da wagte er doch zu behaupten, dass die Macht der Kirche über der Macht der Fürsten stehe.«

Wieder entstand Tumult.

»Wie konnte Bonifacius so etwas behaupten?«, fragte einer, dem das Problem unverständlich erschien. Man war doch zusammengekommen, um neue Geldquellen zu erschließen.

Jemand gab ihm Antwort. »Weil angeblich die vom heiligen Petrus übertragene geistliche Autorität auch auf das weltliche Königreich übergegangen sei.«

»Unerhört!«, empörte sich einer der niederen Ritter. »Soll sich doch der Papst um das Seelenheil kümmern und sich nicht zum Richter unseres Königs aufspielen!« Der Zurufer erhielt Beifall.

»Diesem größenwahnsinnigen Bonifacius habe ich es aber gegeben!«, rief Sciarra Colonna, ein nach Frankreich geflüchteter Kardinal. »Als uns zu Ohren gekommen ist, dass unser König exkommuniziert werden sollte, haben wir gehandelt und sind in den päpstlichen Palast eingedrungen.«

»Aber bei dem Handgemenge hätte der Papst beinahe sein Leben verloren«, murmelte einer der Bischöfe.

»Na und? Ich hatte sogar seine Hinrichtung gefordert!«, rief Sciarra Colonna.

Des Königs Kanzler, Guillaume de Nogaret, verbot ihm, solche Reden weiterzuführen. »Schluss jetzt! Ich habe Bonifacius in aller Form eine Vorladung überbracht. Aber wie wir alle wissen, starb er kurz darauf. Durch seinen Tod ist unserem König Genugtuung widerfahren, und Philipp wurde rechtmäßig alleiniger Herrscher in seinem Reich.« Nogaret zog es vor, seine Mitwirkung zu verschweigen. Er hatte nämlich dem Mob die Türen zum Palast des Papstes geöffnet.

Alle erhoben sich und huldigten dem König. Aber an dieser Demonstration war Philipp gar nicht gelegen. Er benötigte die Hilfe der Anwesenden, um neue Geldquellen zu erschließen.

Nogaret beobachtete, wie sich die Miene seines Herrn mit Zornesröte überzog. Er musste möglichst schnell das Gespräch auf das eigentliche Anliegen des Königs bringen und setzte zu einer längeren Rede an. Kein anderer sollte vorläufig zu Wort kommen. »Es ist für uns alle doch kein Geheimnis, dass unser verehrter Papst Clemens V. ehemaliger Erzbischof von Bordeaux, die richtige Entscheidung getroffen hat. Zu Recht hat er den Templerorden aufgehoben und verboten.«

Der Kanzler, ein geschulter Jurist, verschwieg wohlweislich, dass Philipp einen erheblichen Druck auf den Papst ausüben musste, ehe dieser nicht nur hierzu bereit gewesen war, sondern auch dazu, seine Residenz nach Avignon zu verlegen. Babylonische Gefangenschaft nannte man allgemein den Aufenthalt in Avignon.

Um den Papst unter Druck zu setzen, hatte Nogaret die bei Hof einlaufenden Anklagen gegen die Templer gesammelt. Noch einmal schilderte er deren Gräueltaten, sprach mit erhöhter Stimme von Götzendienst, Ketzerei und Sodomie. Ehe jemand Stellung nehmen und sich zu Wort melden konnte, gelangte Nogaret auf den von ihm geplanten Höhepunkt, die Verteilung des beträchtlichen Ordensvermögens.

Er lehnte sich genüsslich zurück und starrte dem Abgesandten der Hospitaliter fest in die Augen. »Wie jedem von uns bekannt ist, ging der größte Teil des Templervermögens an den Hospitaliterorden, der dadurch einen erheblichen Machtzuwachs erzielte. Da fragt man sich allerdings, mit welchem Recht? Gab es vielleicht eine enge Verbindung zwischen den beiden Orden?«

Der Abgesandte der Hospitaliter wechselte die Farbe. Er war nur ein einfacher Bruder des Ordens und nicht darauf vorbereitet, auf die Rede eines hochgebildeten Legisten zu antworten. Darum schwieg er, während alle anderen ihn anstarrten. Eigentlich wollte er etwas sagen zu den Aufgaben der Hospitaliter, die sich vor allem im Kranken- und Herbergswesen für Pilger verdient gemacht hatten. Aber ehe er noch den Mund aufmachen konnte, hatte einer aus der Ratsversammlung gefragt, ob ihm das Maul eingefroren und ihm vielleicht kalt sei. Wenn das so wäre, könnte man ihm doch einheizen wie den Templern zu Paris.

Es war, als hätte dieser Zuruf eine Schleuse geöffnet. Obwohl Nogaret sehr gut wusste, dass zwischen Hospitalitern und Templern eine dauernde Rivalität bestanden hatte, die schließlich in offene Feindschaft gemündet war, ließ er zu, dass nun beide Orden auf eine Stufe gestellt wurden. Da er beobachtete, dass Philipp immer vergnügter den Schmähungen zuhörte, griff er nicht ein.

Jeder wollte den anderen durch hämische Bemerkungen übertreffen.

»Treibt man in eurem Orden auch Sodomie?«

»Küsst ihr euch auch gegenseitig auf das Hinterteil?«

»Sicher gibt es bei euch auch eine Geheimlehre, die zu den Götzendiensten gehört.«

»Natürlich habt ihr, genau wie die Templer, gewaltige Schätze angehäuft, die ihr irgendwo versteckt haltet. Ihr wollt doch sicher nicht etwa dasselbe Schicksal erleiden wie die Templer?«

Auf diese Bemerkung hatte Nogaret gewartet. Vielleicht ließe sich hier eine Verbindung herstellen, um weitere Geldquellen ausfindig zu machen. Er schlug einen gemäßigten Ton an. »Niemand von uns wird die Hospitaliter verdächtigen, die doch durch ihren Pflegedienst unendlich viel Gutes bewirkt haben. So mancher Pilger verdankt diesem Orden sein Leben.«