Schon am nächsten Morgen, es war Freitag, reagierten die Diamantenbörsen in Antwerpen, wo nahe des Bahnhofs auf etwa einem Quadratkilometer mehr als eintausendfünfhundert Diamantenfirmen und vier Diamantenbörsen angesiedelt sind. In dem streng bewachten Viertel arbeiten Tausende hoch qualifizierter Diamantenexperten, um dem weltweiten Image des seit fünf Jahrhunderten existierenden Qualitätslabels »Cut in Antwerpen« entsprechen zu können. An den Börsen, wo so weltberühmte Schmuckfirmen wie Cartier, Arpels und Van Cleef ihren Vorrat an Diamanten einkaufen, fielen binnen weniger Stunde die Großhandelspreise von Einkarätern in hochfeinem Weiß um bis zu fünfundzwanzig Prozent. Die Meldung von neuen, unvorstellbar großen Diamantenfunden in Indien führte zu Turbulenzen bei den Händlern. Die Börsenaufsicht sah sich kurzfristig gezwungen, keine weiteren »Cachettes« zu akzeptieren, da sich die auf dem Umschlag vermerkten Angebotspreise zwischen Händler und Käufer binnen Kürze dramatisch veränderten. Gegen Mittag beruhigten sich Großhändler und Einkäufer wieder. Solche Meldungen von riesigen Diamantenvorkommen, die Profis in Antwerpen wussten das, gab es immer wieder einmal. Nachhaltige Auswirkungen auf die Preisgestaltung für Diamanten hatten die wenigsten dieser Meldungen, hinter denen sich zumeist miese Spekulanten verbargen.
Nur Jonathan Oppenheimer war extrem beunruhigt. Nervös schritt der Sohn des legendären Nicky Oppenheimer durch das Penthousebüro in der DeBeers Diamond Trading Company in London und wartete auf die Ankunft von Gregory Marsh. Der dickliche Sicherheitschef hastete ohne anzuklopfen in das Büro. Er hatte die Tür noch nicht hinter sich geschlossen, als sein Chef bereits zu reden begann.
»Was diese Ärsche da in Indien vorhaben, kann uns an den Bettelstab bringen! Nicht nur das, das kann die gesamte Weltwirtschaft in Turbulenzen versetzen! Schon die neusten Nachrichten aus Antwerpen gehört, Greg?«, fauchte er. Seine Nervosität war nicht zu übersehen.
»Ja, habe ich. In Antwerpen haben sie mal wieder die Flöhe husten gehört, aber es hat sich wieder alles beruhigt. Die Frage ist nur, wie lange. Denn dahinter stecken mit Sicherheit die Verfasser des Briefes, diese Fantasten!«
»Sorgen Sie dafür, Greg, dass morgen früh in der Samstagsausgabe der International Herold Tribune eine Anzeige in genau jenem Wortlaut erscheint, wie sie damals gefordert wurde! Und nächsten Samstag auch. Und in drei Wochen noch einmal! Und danach, Gregory, lassen Sie alles andere stehen und liegen und gehen Sie auf die Suche!«
»Was soll ich suchen, Mr. Oppenheimer?«
»Suchen – besuchen Sie die Brüder Kasliwal! Suchen Sie diese Akuti Asha oder wie die heißt. Diese Prinzessin der Hoffnung. Ich lasse mich doch nicht von einer indischen Prinzessin auf der Erbse verarschen! Und, Greg: suchen Sie, und zwar mit allem, was Sie an Leuten zusammentrommeln können, Informationen über die Geschehnisse von Florenz und Bayern. Besorgen Sie mir alles, absolut alles, was verfügbar ist. Ich will wissen, was es mit diesen beiden Sancys auf sich hat. Und mit diesem Florentiner! Zwischenzeitlich werde ich veranlassen, dass unsere Rechtsabteilung die Gründung einer Stiftung vorbereitet. Und unsere PR- und Presseabteilung sollen eine Verlautbarung vorbereiten, dass DeBeers sich aus Verbundenheit mit dem indischen Volk veranlasst fühlt, Not leidenden Menschen in Indien über eine Stiftung zu helfen, so nach dem Motto: Indische Diamanten waren die Basis für den Erfolg des Diamantenkonzerns DeBeers – dafür möchten wir die Armen Indiens an unserem Erfolg partizipieren lassen.«
»Chef?«
»Ja?«
»Wollen Sie wirklich …?«
»Ja, verdammt noch mal! Was bleibt uns anderes übrig? Wir werden sehen, wie sich das weiter entwickelt. Für Sie, Gregory, gilt fortan allerdings höchste Geheimhaltungsstufe! Finden sie den Florentiner, Greg! Wie auch immer das alles zusammengehört, weiß ich nicht. Finden Sie ihn schnell! Sein Fluch entwickelt sich zum Fluch für das Haus DeBeers. Aber ich glaube nicht an Flüche. Ich glaube nur an Diamanten – schnöder Kohlenstoff, der ein paar Millionen Jahre alt ist. Aber an jeder neuen Legende verdiene ich gut. Dann haben wir jetzt eben die Legende von der sagenumwobenen indischen ›Prinzessin der Hoffnung‹ und ihrem Gemahl.«
Danksagung
Die Geschichte des legendären Florentiner-Diamanten zu recherchieren, hat mir unendlich viel Freude bereitet. Es war eine faszinierende Herausforderung, historisch gesicherte Fakten und Legenden zu einem spannenden Buch zusammenzufügen. Ohne die Mithilfe kompetenter Helferinnen wäre dies kaum möglich gewesen.
Mein ausdrücklicher Dank gilt meiner Frau Béatrice, die viele noch als Frau Mag. Keminger kennen. Als gebürtige Wienerin und historisch versierte Archäologin – und als Kennerin der Geschichte des Hauses Habsburg – hat sie mir mit ihrer wissenschaftlichen Betrachtungsweise und ihren Insidertipps aus Wien viele tolle Anregungen gegeben.
Mein besonderer Dank gilt der intensiven Unterstützung durch das Auktionshaus Christie’s, allen voran Herrn Frederik Schwarz, Experte für historischen Schmuck des Auktionshauses Christie’s, sowie Angela Baillou vom Christie’s-Büro in Wien.
Mein Dank auch an Herrn Dipl.-Ing. Alexander Pachta-Reyhofen, Grevier des Ordens der Ritter vom Goldenen Vlies in Wien. Herrn Dr. Franz Kirchweger, Kustos der Kunstkammer, Weltliche und Geistliche Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Wien, möchte ich für die historisch gesicherten Informationen über den Florentiner-Diamanten im Zusammenhang mit dem Hause Habsburg danken. Dank auch an Frau Mag. Irina Kubadinow, Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Kunsthistorischen Museums Wien, die mir ermöglichte, meine intensiven Recherchen in der Schatzkammer Wien problemlos durchzuführen.
Herbert Ohrlinger vom Zsolnay Verlag Wien hat mir mit seinen sehr aufschlussreichen Hintergrundinformationen über das Buch Vitrine XIII sehr geholfen. Allen Experten, die mich unterstützt haben, möchte ich nochmals in Erinnerung rufen: Es ist ein Roman.