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Sobald das Tier, ein Grauschimmel, herangeschafft war, schwang sich der Bärtige in den Sattel, ohne Hatfield noch eines Blickes zu würdigen, und gab dem Pferd die Sporen. Er galoppierte auf den die Farm umgebenden Waldgürtel zu und entfernte sich rasch. Die Waffen der anderen blieben auf Hatfield gerichtet.

»Kann ich den Mann hinter mir ins Haus bringen?« fragte der Arzt. »Er ist schwer verletzt.«

»Du wartest hier, bis Bloody Bill zurück ist«, sagte einer der Bewaffneten barsch. »Wenn er nicht zurückkehrt, wirst du niemanden mehr irgendwohin bringen!«

»Bloody Bill?« wiederholte Hatfield. »Etwa Bloody Bill Anderson?«

»Genau der.«

Von dem wilden, verwegenen Bloody Bill, der angeblich die Skalpe getöteter Feinde an der Koppel und am Sattel trug, hatte Hatfield schon gehört. Also gehörten die Männer hier tatsächlich zu Quantrill.

Der Arzt wußte nicht recht, ob er sich darüber freuen sollte. Einerseits hieß das, daß es nicht zu dem befürchteten Feuergefecht kam. Andererseits bedeutete eine so starke Rebellenhorde eine große Gefahr für Blue Springs.

Und aus Kansas City war keine Hilfe zu erwarten. Der Mann, der General Ewing informieren sollte, lag hinter ihm im Wagen und hatte nur noch soviel Leben in sich, daß er dem dunklen Lockruf des Todes so eben widerstehen konnte.

Aus dem Waldgürtel brachen Todds Reiter hervor, hielten auf die Farm zu und vereinigten sich hier mit ihren Kameraden. Todd und Anderson ritten Seite an Seite und zügelten ihre Pferde vor einem unauffälligen Mann, der die Uniform eines Südstaatenoffiziers trug. Das war Quantrill, wie Hatfield bald erfuhr.

Der ehemalige Schulmeister und jetzige Guerillaführer trat auf den Einspänner zu, stützte die Hände auf die Kolben der beiden an seinen Hüften hängenden Revolver, musterte Hatfield aus seinen blauen, ausdruckslosen Augen und fragte: »In Blue Springs erwartet man uns also, wie?«

»Sieht so aus«, meinte Hatfield mit einem Blick auf Gus Peterson. »Der Mann hier sollte Hilfe aus Kansas City holen. Jetzt kann ihm selbst vielleicht niemand mehr helfen, wenn ich mich nicht sofort um ihm kümmern darf.«

»Ach ja, Sie sind Arzt«, meinte Quantrill wie beiläufig.

»Er soll sich erst um unsere Verwundeten kümmern«, brummte Anderson.

Hatfield besah sich Bloody Bill genauer, konnte aber an seiner Koppel keine Spuren von menschlichen Haaren entdecken. Da er nicht sein eigenes Pferd ritt, war es müßig, den Sattel nach Skalps abzusuchen.

»Niemand hat ärztliche Behandlung im Augenblick so nötig wie Gus Peterson«, sagte Hatfield mit aller Bestimmtheit, deren er fähig war, und blickte Quantrill in die Augen. »Sobald ich ihn versorgt habe, kümmere ich mich um Ihre Männer.«

»Oder er läßt sie einfach krepieren«, meinte der >blutige Bill<.

»Ich bin Arzt und verpflichtet, jedem Menschen zu helfen. Gleichgültig, auf wessen Seite er kämpft.«

»In Ordnung«, sagte Quantrill. »Schaffen Sie Ihren Freund ins Haus und kümmern Sie sich um ihn. Meine Männer werden Ihnen helfen, ein behelfsmäßiges Lazarett einzurichten. Die Frauen von der Farm können Ihnen bei Ihrer Arbeit zur Hand gehen.« Er wandte sich an einen der Umstehenden. »Archie, kümmere dich darum.«

Der Angesprochene, ein nicht besonders großer Mann mit dunklem Haar und gleichfarbigen Schnurrbart, gab die entsprechenden Anweisungen.

Hatfield ließ den Einspänner bis zum Eingang des Wohnhauses rollen. Ein paar Guerillas halfen ihm, Peterson hineinzutragen. Der Eßtisch wurde zum Operationstisch umgewandelt.

Agnes und Cora Miller wurden von einem Rebellen hereingeführt und sahen sich ängstlich um. Ihre Mienen hellten sich ein klein wenig auf, als sie den Arzt erkannten.

»Wie geht es euch?« fragte er die beiden Frauen.

»Wir können uns wohl nicht beklagen«, sagte Agnes, die Frau des Farmers und sah dabei ihre neunzehnjährige Tochter an.

»Haben die Männer euch . etwas zugefügt?«

Mrs. Miller schüttelte den Kopf. »Nein, uns nicht.«

»Etwa Ben und Johnny?«

Johnny war Ben und Agnes Millers sechzehnjähriger Sohn.

»Sie wollten die Farm verteidigen, als die Reiter kamen«, sagte die Frau des Farmers. »Wir wußten nicht, daß es so viele sind.«

»Was ist passiert?«

»Ben hat einen Schuß am Kopf abbekommen. Aber er lebt. Er ist dahinten.« Sie zeigte auf den rückwärtigen Schlafraum, aus dem sie und Cora gekommen waren. »Zusammen mit Johnny und Ann. Vielleicht können Sie nach Ben sehen, Doc?«

»Sobald ich mit Gus Peterson fertig bin«, versprach der Arzt und machte sich an die Arbeit, erleichtert darüber, daß die rauhe Bande nicht über die beiden Frauen hergefallen war. Aber er gab sich keinen Illusionen hin. Es konnte noch immer geschehen.

Draußen sah Bloody Bill Anderson den Anführer der Guerillastreitmacht wütend an. »Warum läßt du es zu, daß sich der Quacksalber zuerst um den Yankee-Strolch kümmert, Bill?« »Weil dieser Yankee-Strolch uns vielleicht wertvolle Informationen über die Verteidiger von Blue Springs liefern kann, sobald er aufwacht.«

»Aus diesem Grund habe ich ihn mitgebracht«, sagte Todd.

»Wir werden Blue Springs also angreifen?« vergewisserte sich Anderson.

»Natürlich«, erwiderte Quantrill. »So haben wir es doch geplant. Jetzt, wo Todds Männer wieder bei uns sind, können wir die Stadt im Sturm erobern.«

»Wann geht's los?«

»Bei Tagesanbruch reiten wir.«

Anderson strich überlegend über seinen struppigen, schwarzen Bart. »Und wenn der verwundete Yankee bis dahin nicht zu sich gekommen ist?«

»Die Zeit drängt«, meinte Quantrill. »Wir greifen trotzdem an.«

»Und nach welchem Plan?« Quantrill grinste. »Nach dem besten Plan. Wir reiten in die Stadt und schießen alle nieder,

die sich uns in den Weg stellen.«

*

Je länger Irene der Frau im Bett zuhörte, desto größeres Mitleid empfand sie für Virginia Cordwainer. Ihre Geschichte bewies, daß auch eine Frau aus hohem Stand nicht davor gefeit war, ein unglückliches Leben zu führen.

Und aus hohem Stand kam Virginia Lawrence, wie sie bis zur ihrer Heirat mit Byron Cordwainer hieß. Jedenfalls, soweit es die Stadt Blue Springs betraf. Als einziger Bankier der Stadt war ihr Vater Armstrong Lawrence ein mächtiger Mann. Der mächtigste Mann nach den steinreichen Cordwainers, die fast alle wichtigen Geschäfte in dem aufstrebenden Blue Springs kontrollierten.

Um auch noch die Lawrence Missouri Bank unter ihre Fuchtel zu bekommen, verfielen die Cordwainers auf einen bestechend einfachen Plan. Durch die Heirat zwischen Byron Cordwainer und Virginia würde der Familie Cordwainer die Bank ganz automatisch zufallen, sobald Armstrong Lawrence von der irdischen Bühne abtrat. Und solange der alte Banker noch lebte, würden die Cordwainers auch schon beträchtlichen Einfluß auf ihn ausüben können, gehörte er doch gleichsam zur Familie.

Armstrong Lawrence war der Verbindung zwischen Byron und Virginia alles andere als abgeneigt. Er dachte und handelte stets nach der unter den Reichen weitverbreiteten Devise >Geld gehört zu Geld, Geld kommt zu Geld<.

Daß Virginia nicht Byron Cordwainer liebte, sondern Custis Hunter, interessierte ihn nicht. Zwar waren die Hunters auch vermögend, aber als Sklavenhalter waren sie in Blue Springs nur geduldet, nicht jedoch erwünscht. Armstrong Lawrence genügte es, daß sie ihr Geld auf seine Bank trugen; jeglichen weitergehenden Kontakt mit ihnen vermied er nach Kräften.

Vielleicht hätte Virginia bei ihrer Mutter, mit der sie sich stets gut verstanden hatte, Unterstützung gefunden. Aber Philippa Lawrence war vor fünf Jahren an einer schweren Grippe gestorben.

So taten Virginia und Custis das einzige, was ihnen einfiel, um die bevorstehende Heirat mit Byron Cordwainer zu verhindern. Virginia floh nächtens aus ihrem Elternhaus und lief zu Custis, der am Stadtrand mit einem Pferd für sie wartete. Sie ritten nach Starcrest, um dort zu heiraten.