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Dann aber schienen sie ihren Gegner ausgemacht zu haben. Mehrere Männer waren abgestiegen und legten ihre Karabiner an. Die erste Salve prasselte rund um Jacobs Versteck gegen das Felsgestein.

Der Treck hatte Lone Rock fast erreicht. So schnell, wie es bei dem vor Nässe glitschigen Gestein ging, kletterte und rutschte der Deutsche nach unten, während die ersten Wagen auf die Brücke rumpelten.

Jacob ermahnte Wagenlenker und ausgestiegene Fahrgäste zur Eile und sprach dann hastig mit Martin, um ihm den Plan zu erläutern, der ihm eingefallen war.

»Du bist verrückt, Jacob«, platzte es aus Martin heraus, während er seinen Freund aus großen Augen anstarrte. »Wenn du Pech hast, gehst du dabei drauf.«

»Wenn wir Pech haben, gehen wir alle drauf. Es sei denn, wir tun etwas dagegen. Hast du einen besseren Plan?«

»Leider nicht«, gab der stämmige Bauernsohn zu.

»Dann tut, was ich euch gesagt habe. Es ist unsere einzige Chance!«

Irene war mit Jamie zu ihnen getreten und fragte, um was es ging.

»Darum, Quantrill möglichst lange aufzuhalten«, sagte Martin. »Jacob wird hier bleiben und die Männer unter Feuer nehmen, bis alle Wagen die Brücke überquert haben.«

Irene blickte ihren Freund entsetzt an. Beide empfanden mehr für einander als bloße Freundschaft, mochten es sich aber nicht eingestehen, weil zwischen ihnen Carl Dilger stand, Jamies Vater, den Irene in Oregon suchte.

»Und was ist mit dir, Jacob. Willst du, etwa in Quantrills Hände geraten?«

»Ihr gebt mir Feuerschutz, wenn ihr drüben seid.«

Zu mehr Erklärungen war keine Zeit. Während ein Teil der Guerillas die Felsnadel mit Schüssen eindeckte, ritt das Gros wieder gegen die Brücke an.

Allerdings schienen die Angreifer nicht zu wissen, daß Jacob sein altes Versteck verlassen hatte. Weiterhin konzentrierten sie ihr Feuer auf diesen Felsabschnitt.

Der Deutsche belehrte sie bald eines Besseren, als er eine neue Deckung zu ebener Erde gefunden hatte und einen weiteren Guerilla verwundete, während ein Wagen nach dem anderen über die Brücke rollte, flankiert von den mehr oder weniger verängstigten Menschen.

Ein paar der männlichen Reisenden warfen sich mit ihren Waffen neben Jacob hinter das Felsgestein und schossen auf die gut sichtbaren Reiter, die sich hinter keiner Deckung verstecken konnten.

Als ein Mann nach dem anderen aus dem Sattel stürzte, brach die Attacke erneut zusammen.

Die letzten Wagen rollten über die Brücke, und Jacob schickte seine Helfer hinterher. Am anderen Ende der Brücke waren unter Martins Aufsicht inzwischen die kräftigsten Ochsen aus dem Joch genommen und an die oberen Enden der Brückenpfeiler gespannt worden, die unten in den aufgewühlten Fluten des Blue River verschwanden. Als Martin den Blick seines Freundes bemerkte, schwenkte er seine Mütze zum Zeichen, daß alles bereit war, um Jacobs verwegenen Plan in die Tat umzusetzen.

Die letzten Männer erreichten das jenseitige Ufer, während die Guerillas, wahrscheinlich von ihrem Captain angestachelt, einen neuen, wütenden Angriff starteten. Sie schienen wild entschlossen zu sein, sich diesmal nicht aufhalten zu lassen. Laute, gellende Schreie ausstoßend und aus allen Rohren auf Jacobs Deckung feuernd, trieben sie ihre Pferde auf die Brücke zu.

Jacob sah keine Möglichkeit, sie weiter aufzuhalten. Deshalb schwenkte auch er seine Mütze, und Martin gab den Ochsentreibern den Befehl, ihre Tiere anzutreiben.

Jacob gab einen letzten Schuß aus dem Karabiner ab, schwang sich auf den Braunen, dessen an einem verkümmerten Strauch festgebundene Zügel er mit fliegenden Fingern gelöst hatte, und sprengte über die Brücke. Die wackelte bereits heftig, als er sie erreichte. Er mußte sich beeilen, wollte er nicht seinem eigenen Plan zum Opfer fallen.

Dieser Plan war in seinem Kopf entstanden, als er an die Geschichte dachte, die Collum von den James-Brüdern und Cole Younger aufgetischt worden war. Jetzt wurde ihre Lüge im Nachhinein zur Wahrheit. Nur so konnte verhindert werden, daß die Quantrill-Männer ebenfalls über die Brücke ritten und den Treck doch noch in ihre Hände kriegten.

Jacob befand sich in doppelter Gefahr. Unter ihm wackelte die Brücke, während hinter ihm die Verfolger auf ihn schossen. Er hatte ihnen so hart zugesetzt, daß sie ihn nicht einfach so entkommen lassen wollten.

Zum Glück erwiderten Jacobs Schicksalsgenossen am jenseitigen Flußufer das Feuer der Guerillas, so daß sich diese nicht nur auf Jacob konzentrieren konnten.

Durch den reißenden, weit über seine Ufer hinausgetretenen Fluß waren die Brückenpfeiler besonders anfällig geworden. Darauf hatte Jacob als erfahrener Zimmermann gebaut. Außerdem hatte er mit fachmännischem Blick erkannt, daß die Brücke schon ein paar Jahrzehnte hinter sich hatte und recht morsch war.

Doch jetzt stürzte sie schneller ein, als er erwartet hatte. Vor ihm klaffte plötzlich ein Loch, als einfach der Boden wegbrach.

Geistesgegenwärtig trieb Jacob den Braunen zu einem Sprung über das Loch an und landete sicher auf der anderen Seite. Nach ein paar Sekunden hatte das Tier endlich festen Boden unter den Hufen.

Gerade noch rechtzeitig. Kurz darauf stürzte der diesseitige Teil der Brücke vollends zusammen.

Die mächtigen Pfeiler knickten um wie zerbrochene Zündhölzer und wurden von den Wassern des Blue River mit Leichtigkeit weggetragen. Die Bohlen folgten den Pfeilern.

Bald stand nur noch die andere Hälfte der Brücke am jenseitigen Ufer. Ein jetzt nutzloses Bauwerk, das wie ein Mahnmal an die Vergänglichkeit alles dessen wirkte, was der Mensch schuf.

Die Ochsen wurden wieder vor ihre Wagen getrieben, ins Joch genommen, und bald ging die Fahrt weiter, begleitet von den wütenden Schüssen der Guerillas, die am anderen Ufer auf und ab ritten und wilde Flüche ausstießen.

Als Jacob an dem Wagen vorbeiritt, in dem Martin und Irene saßen, streckte die junge Frau ihren hübschen Kopf nach draußen und sah so glücklich aus, wie es kaum ein Mensch sein konnte. Der junge Zimmermann wäre zu gern auf den Wagen geklettert, um sie in die Arme zu nehmen und zu küssen. Aber dann dachte er wieder an Carl Dilger.

*

William Clarke Quantrill konnte sich nur mühsam beherrschen, als er seinen Braunen vor den Resten der Brücke zügelte und dem am Horizont verschwindenden Wagenzug nachstarrte.

Sein ausdrucksloses Gesicht mit den weichen, fast weiblichen Zügen zuckte unkontrolliert und gab Aufschluß über seinen erregten Gefühlszustand.

Wieder einmal hatte ihn dieser Deutsche ausgetrickst!

Die Gefühle des Guerillaführers schwankten zwischen Bewunderung und Haß, ohne sich für eine Seite entscheiden zu können. Doch im Moment dominierte der Haß.

Ein paar seiner Männer schossen immer noch auf die davonrumpelnden Wagen, obwohl sie kaum noch Chancen hatten, einen Treffer zu landen. Sie brachten damit nur ihre Verärgerung zum Ausdruck.

Quantrill fühlte sich auf einmal von den Schüssen belästigt. Sie kamen ihm so sinnlos vor wie der ganze Anschlag auf den Wagenzug, erinnerten ihn mit jeder Detonation an seinen Mißerfolg.

»Hört auf!« brüllte er seine Männer deshalb an. »Hört endlich auf mit der verdammten, sinnlosen Knallerei!«

Sein Ruf pflanzte sich nur langsam durch die Reihen seiner aufgebrachten Leute fort, und erst nach einigen Minuten war der letzte Schuß verhallt.

Quantrill trieb seinen Braunen an die Seite von Custis Hunter und Melvin. »Ihr kennt euch hier am Blue River aus. Gibt es eine Furt, an der wir übersetzen können?«

»Normalerweise mehrere«, antwortete Custis.

»Was heißt normalerweise?« fragte Quantrill ungehalten. »Das ist keine Antwort.«

»Es gibt Furten, aber bei dieser reißenden Strömung sind sie unpassierbar. Unsere Pferde würden schon nach wenigen Schritten weggeschwemmt werden wie die Brückenpfeiler vorhin.«