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Die Vorbereitungen für das Dosengespräch waren sorgfältiger als sonst. Sir Juffin wühlte lange in der mit Intarsien geschmückten Schatulle, in der er seine Kerzen aufbewahrte. Schließlich entschied er sich für eine bläulich - weiße Kerze, die mit winzigen dunkelroten Wachsspritzern gemustert war. Fünf Minuten bemühte er sich, mit einem ungeeigneten Stein Feuer zu machen. Ich konnte sein Tun nicht begreifen, doch letztlich war sein Bemühen von Erfolg gekrönt. Juffin stellte die Kerze an die Wand, legte sich in der gegenüberliegenden Ecke auf den Bauch und befahl mir mit einer Handbewegung, es ihm gleichzutun. Der Boden im Arbeitszimmer war kahl und kalt, denn es gab keinen Teppich. Ich fragte mich kurz, ob all diese Mühen nötig und sinnvoll waren.

Alles war vorbereitet. Die Dose rollte von allein zwischen uns und die Kerze. Ich hatte mich kaum anstrengen müssen, ihr Gedächtnis zu durchschauen. Sie hatte offenbar schon lange Lust, sich mitzuteilen. Die Vorstellung fing unverzüglich an. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns alles anzuschauen.

Von Zeit zu Zeit ließ meine Aufmerksamkeit erschreckend nach, denn früher hatte ich mich mit diesen Dingen nie länger als eine Stunde beschäftigt. In solchen Fällen hatte mir Juffin schweigend einen Becher Kachar-Balsam gegeben und manchmal selbst davon getrunken - sei es aus Erschöpfung, sei es aus Lust und Laune.

Die kluge Dose zeigte nur, was uns wirklich interessierte. Sir Juffin hatte mir eingeschärft, dass Gegenstände sich vor allem an Ereignisse erinnern, bei denen Magie im Spiel gewesen ist. Bestimmt hatte er recht, doch ich mag den Gedanken, dass die Dose genau gewusst hat, was wir brauchten. Man sagt, aufrichtige Leute seien denen besonders verpflichtet, die ihnen einen uneigennützigen Dienst erwiesen haben. Wenn man an meine unfreiwillige Sympathie für die aus dem Schlafzimmer von Sir Makluk gestohlene Dose denkt, stimmt das.

Die Dose berichtete uns Folgendes: Alles hatte mit einem Kampf begonnen. Mit einem Beteiligten dieses Kampfs hatten wir kurz zuvor geredet. Wir sahen einen gebrechlichen alten Mann mit erschöpftem, asketischem Gesicht und der kapriziösen Miene des verwöhnten Einzelkinds. Die teure Waschschüssel befand sich in den Händen unseres Bekannten Maddi. Sir Makluk-Olli tunkte den kleinen Finger ins Wasser und verzog unwillig die dünnen Lippen. Der kniende Diener erhob sich und ging zur Tür. Plötzlich bekam das zornige Gesicht des alten Mannes einen teuflischen Ausdruck. Dann warf er und traf! Die Waschschüssel - aus dünnstem Porzellan, wie zu vermuten stand - brach in tausend Stücke und ritzte dabei die Kopfhaut des Pechvogels.

Der erschrockene, von Wasser und einem Rinnsal Blut geblendete Maddi sprang zur Seite. Dieser Sprung hätte ihm eine Medaille eintragen können, wenn das Internationale Olympische Komitee das Zurseitespringen als olympische Disziplin anerkannt hätte. Dem Sprung des Dieners stand der verhängnisvolle Spiegel im Weg. Im Übrigen war alles in Ordnung: Es gab keine gebrochene Nase, keine eingeschlagenen Zähne. Nichts Schreckliches war passiert. Maddi hatte nur mit dem Gesicht den Spiegel berührt und ihn mit seinem Blut beschmiert, das mit Wasser vermischt war. Mehr nicht.

Der erstaunte Diener wandte sich an Sir Olli. Als der Alte sein blutverschmiertes Gesicht sah, verwandelte sich seine Wut in Angst, und aus der kapriziösen Miene wurde eine schuldbeladene Grimasse. Die beiden versöhnten sich sofort.

Keiner von ihnen bemerkte, was wir sahen: Die Oberfläche des alten Spiegels beschlug, als habe ihn jemand angehaucht. Wo die Blutstropfen des armen Dieners den Holzrahmen berührt hatten, war eine pulsierende Bewegung zu sehen. Einen Moment später war alles vorbei. Nur der Spiegel war ein wenig dunkler und tiefer geworden. Aber wer hätte das bemerken sollen? Sir Ollis Lippen bewegten sich, und in Maddis blutverschmierte Züge trat ein zaghaftes Lächeln der Erleichterung. Durch die einen Spalt geöffnete Tür blickte ein neugieriges Gesicht. Damit war die Geschichte zu Ende, und es wurde finster.

Ein paar Sekunden später verwandelte sich die Szenerie in das angenehme Dunkel des unbeleuchteten Schlafzimmers. Das schwache Licht des abnehmenden Monds umspielte die hohen Wangen von Sir Olli. Etwas weckte den alten Mann. Ich merkte, dass er erschrocken war, und spürte seine Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung am eigenen Leib. Ich hörte ihn die Diener rufen und sah seine Reaktion, als erstmals in seinem Leben nichts geschah. Das Gleiche war mir passiert, als ich Juffin nicht per Stummer Rede hatte erreichen können.

Aber mir hatte es nur an Erfahrung gemangelt - Kraft genug hatte ich, und schließlich hatte es geklappt. Sir Olli hingegen besaß zu wenig Kraft, um zur Stummen Rede zu greifen. Blankes Entsetzen packte ihn. Dass sich kein Diener meldete, entzog sich seiner Kontrolle wie seinem Verständnis. Das Unbegreifliche war in unmittelbarer Nähe und lastete auf seiner Bettdecke. Einen Moment sah ich etwas Winziges am Hals des alten Mannes hochkriechen, und mich überlief ein Schauer.

»Max, siehst du das kleine Scheusal?-, fragte mich Juffin flüsternd.

»Ich glaube ja.«

»Schau es dir nicht zu genau an, am besten gar nicht. Ein Teufelszeug! Der Herr des Spiegels kann deinen Schatten selbst dann rauben, wenn er dir in der Verdünnung des vermittelnden Gedächtnisses der Dinge entgegentritt. Jetzt verstehe ich besser, warum die alte Lady Braba so erschrocken war. Sie ist eben doch die talentierteste Heilerin in Echo. Das zu sehen, verkraftet nicht jeder. Nimm ein wenig Balsam, Max, dieser Schutz kann nicht schaden. Ja, das Scheusal ist im Spiegel verschwunden. Wo das Blut des Dieners das Glas berührt hat, da ist jetzt seine Tür. Geh doch mal gucken. Hast du den Schatten schon Weggehen sehen? Schau nach!«

Mein Zittern und meine Angst schwanden. Obwohl ich mich konzentrierte, hätte ich das Schlafzimmer beinahe nicht erkannt. Ein halb durchsichtiger und tödlich erschrockener Sir Makluk-Olli stand neben dem Spiegel und betrachtete einen Sir Makluk-Olli, der reglos im Bett lag. Die Spiegeloberfläche zitterte. Ein Schatten - vermutlich der Schatten des Toten - schluchzte hilflos, wandte sich dem Spiegel zu, sträubte sich und ... nein, er schmolz nicht, sondern zerstob in tausend kleine Feuer. Sie erloschen rasch, doch ein paar verschwanden hinter der glatten Spiegeloberfläche. Fünf kleine Feuer, genauer gesagt, und fünf Blutstropfen waren es gewesen, mit denen der arme Maddi den Spiegel beschmutzt hatte.

Plötzlich war meine Angst wie weggeblasen. Die Dunkelheit im Schlafzimmer wirkte wieder angenehm und beruhigend, obwohl dort eine Leiche lag. Der Tod ist wenigstens ein gesetzmäßiges Ereignis - anders als Magie des 212. Grades, anders als Schwarze oder Weiße oder von mir aus auch graubraunhimbeerrote Magie.

Ich merkte, dass die Konturen dessen, was ich gesehen hatte, verschwunden waren. Sir Juffin stieß mir den Ellbogen in die Seite. Die Vorstellung ging weiter.

Wieder war es im Schlafzimmer dunkel. Ich sah einen sympathischen jungen Mann in festlicher, grellorangefarbener Skaba. Das war natürlich der arme Nattis, der ungelernte Höfling, der keine Lust gehabt hatte, in der berühmten Stadt Gazin zu bleiben. Er lächelte traurig und zeigte dabei bezaubernde Grübchen. Dann konzentrierte er sich, und sein Gesicht bekam einen merkwürdig grausamen Ausdruck. In diesem Moment erschien Herr Gowins, an dessen traurigem Schicksal ich keinen Zweifel mehr hegte. Benimmlehrer Gowins legte seinem Schüler das Rasierzeug hin. Der reich verzierte Griff des Rasiermessers konnte bei jedem Sammler ein nervöses Zucken hervorrufen.

Ich ließ mich ablenken und schaute mich nach dem wunderbaren Kachar-Balsam um. Sir Juffin sah mich etwas argwöhnisch an.

»Nur ein Tröpfchen«, flüsterte ich schuldbewusst.