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Der Poltergeist hatte mich stark an meinen ehemaligen Vorgesetzten erinnert, und ich empfand eine merkwürdige Befriedigung. Ihre Zeit ist vorbei, mein Herr!

Sir Max zeigt Ihnen, wo es langgeht! Schadenfreude ist zwar gehässig, aber ich bin ja auch kein Engel, sondern ein Mensch.

Erst zu Hause merkte ich, wie müde ich war. Die angenehmste Bettwäsche des Vereinigten Königreichs stand mir zur Verfügung. Aber was war mit meinen Träumen los? Man könnte sagen, sie hätten mich verraten.

Von Kindesbeinen an waren Träume ein wichtiger Teil meines Lebens. Immer hat ein Alptraum mich stärker aus der Bahn geworfen als reale Unannehmlichkeiten. Und an diesem Morgen quälte mich ein echtes Schreckgespenst.

Zuerst träumte ich, nicht einschlafen zu können - kein Wunder, denn ich lag auf dem Tisch im Wohnzimmer und ähnelte einem appetitlichen Mittagessen. Durchs Fenster sah ich das Nachbarhaus, ein echtes Meisterwerk, das mich am ersten Abend so begeistert hatte. In der Traumwirklichkeit aber spürte ich tiefe Abscheu vor dem Gebäude. Hinter den dreieckigen Fenstern war es dunkel, und das ließ nichts Gutes vermuten. Ich wusste, dass die Hausbesitzer lange tot waren, doch im Traum kamen sie mir lebendig vor. Gefährlich waren sie allerdings nicht.

Lange Zeit passierte nichts. Ich konnte mich nicht rühren, und auch das missfiel mir. Die Ahnung, dass etwas geschehen würde, beunruhigte mich noch mehr. Irgendwas kam sogar schon aus unbestimmter Ferne langsam auf mich zu. Es brauchte nur Zeit - und die war reichlich vorhanden.

Das Warten zog sich ins Unendliche. Ich hatte den Eindruck, so sei es immer gewesen und so würde es auch bleiben. Doch irgendwann gelang es mir aufzuwachen.

Ich hatte Kopfweh und war schweißgebadet, aber erleichtert. Wie angenehm es war, wieder wach zu sein! Ich wühlte kurz im Schrank und fand eine Flasche Kachar-Balsam. »Damit musst du sparsam umgehen, Max. Es eignet sich nicht zum täglichen Genuss«, hatte Sir Juffin mich oft belehrt. Aber mein Körper brauchte eine Stärkung, und ich wollte ihn nicht foltern. Ein dummer Traum konnte mir die seelischen Kräfte einer ganzen Woche rauben. Also trank ich davon, fühlte mich gleich besser und durfte annehmen, dass es so bliebe. Ich lächelte in die Nachmittagssonne und ging nach unten, um die Stärkung mit einem Bad und einer guten Tasse Kamra abzurunden.

Eine Stunde später war ich wieder fit. Ich wurde bestimmt noch nicht im Büro erwartet. Eine halbe Stunde verbrachte ich mit einem Buch auf dem Schoß im Wohnzimmer. Diesmal fand ich den Ausblick nicht so hübsch, entschied mich aber dennoch, dem Fenster nicht den Rücken zu kehren.

Endlich begriff ich: So ging es nicht weiter. Ich legte den dritten Band der Enzyklopädie von Sir Manga Melifaro beiseite, trat auf die Straße und näherte mich behutsam dem Nachbarhaus. Meine Hand berührte den nagelneuen Dolch mit dem Zeiger im Griff. Ich sah mich um. Das Gebäude war unschuldig wie ein Kind. Hier gab es lediglich Schwarze Magie des erlaubten zweiten Grades. Vielleicht wollte jemand frische Kamra zubereiten oder Butterdosen säubern.

Doch mein Herz sagte mir etwas anderes. »Das ist ein übler Ort«, flüsterte es mir erschrocken zu. In letzter Zeit hatte sich der Muskel als guter Berater erwiesen. Womöglich sollte ich seine Meinung berücksichtigen? Aber ich wollte unbedingt meine Ruhe haben und ungestört leben.

»Vielleicht sollte ich mir spät in der Nacht keine grausamen Geschichten mehr anhören«, versuchte ich, mir einzureden.

Um mich abzulenken, ging ich mit meinem neuen Spielzeug durch die Nachbarschaft und überprüfte, ob in den Häusern ringsum die Bestimmungen der Epoche des Gesetzbuchs eingehalten wurden. Mein Dolch zeigte überall nur Werte an, die Treue und Loyalität bewiesen. Offenbar beschäftigte man sich hier einzig mit kulinarischen Experimenten. Schwarze Magie zweiten Grades sickerte buchstäblich aus allen Fenstern. Als der Zeiger begann, zwischen der erlaubten Zwei und der unerwünschten Drei hin und her zu springen, schaute ich mich aufmerksam um. Ich stand vor einem kleinen Wirtshaus mit dem bedrohlichen Namen Zum gesättigten Skelett, hatte den Eindruck, der Koch sei begeistert bei der Sache, und ging dort frühstücken. Das Fressfass ist ein heiliger Ort, aber ein wenig Abwechslung würde mir guttun.

Trotz meiner Alpträume hatte ich mehr Appetit als üblich. Am Nachbartisch tuschelten zwei Tantchen über eine gewisse Lady Alata, die am Morgen beim Einkäufen bestohlen worden sei. »Das geschieht dieser gierigen Zicke recht!« In Gedanken hatte ich Mitleid mit der unglücklichen Frau, denn ich wusste ja, welcher Herr sich berufen fühlen würde, ihr Vermögen wieder zu beschaffen, und hatte viel von ihm gehört. All das aber hatte keinen Einfluss auf meinen Appetit.

Nachdem ich gefrühstückt hatte, ging ich langsam zur Arbeit, streifte dabei gemütlich durch die Altstadt und gab all mein Taschengeld für unnötige, aber bezaubernde Kleinigkeiten aus. In meiner Heimat glaubt man, Einkäufen rette Hausfrauen vor ermüdender Routine und tödlichem Stress. Das gilt aber auch für Detektive, die nächtliche Alpträume hinter sich haben.

Mit vielen Paketen beladen, kam ich eine halbe Stunde zu früh ins Haus an der Brücke.

»Willst du dein Nest verschönern, du Schrecken der Ordnungshüter?«, fragte Juffin freundlich und besah sich meine Einkäufe. »Weißt du, Max - Bubuta glaubt, wer ihn so heftig angepöbelt hat wie du, müsse dazu berechtigt gewesen sein. Jetzt hat er Respekt vor dir, träumt aber garantiert davon, dich zu erwürgen. Alle Achtung, Junge. Hat dir sein Tobsuchtsanfall eigentlich gefallen?«

»Er hat sich schwer danebenbenommen! Ein höherer Staatsbeamter darf so was nicht tun. Ich werde hier Ordnung schaffen!«, rief ich, machte ein entschlossenes Gesicht und fügte lächelnd hinzu: »Ich wollte ja schon immer die Macht ergreifen!«

»Tolle Idee«, meinte Juffin träumerisch. »Vielleicht gelingt es sogar uns beiden. Aber was hast du, Max? Du siehst nicht gut aus.«

»Das haben Sie so schnell gemerkt?«, fragte ich und sah ihn verwirrt an.

»Natürlich. Hoffentlich hat Bubuta keine Hexe engagiert ... Ach, was rede ich denn da! Im Grunde genommen ist er die Gesetzestreue in Person. Er erlaubt zwar seiner Frau, sich mit Magie zu beschäftigen, hält sich selber aber davon fern. Also - was ist los, Max?«

Ich war froh, alles erzählen zu können. Vielleicht war ich ja deshalb so früh zur Arbeit gekommen.

»Es ist nicht viel passiert, doch ich hab ein kleines Problem. Ich hab schlecht, ja widerlich geträumt - keine besonders grausamen Sachen, aber ich hab es als abscheulich empfunden.«

»Hast du das Haus nach dem Aufwachen überprüft?«

»Ja, es war Schwarze Magie zweiten Grades. Ich vermute, meine Nachbarn haben bloß Kamra gemacht. Aber Sie wissen doch, dass der Zeiger manchmal irrt, Juffin.«

»Stimmt, das hab ich schon bemerkt. Du solltest versuchen, dein Zimmer durch Magie gegen äußere Einflüsse abzuschotten. Der Zeiger darf dann nicht bei Null stehen bleiben, sondern muss deine magische Aktivität vermelden. Theoretisch ist es möglich, andere Einflüsse auszuschalten, aber wer hat schon so viel Kraft? Ich jedenfalls nicht. Ich bin nicht der größte Zauberer der Welt, allerdings auch nicht der schwächste. Aber egal - du hast also etwas Abscheuliches gespürt?«

»Mehr als das. Mein Herz hat mir zugeflüstert, ich solle auf der Hut sein.«

»Na schön, Max. Auf dem Nachhauseweg schau ich bei dir vorbei. Es ist ein wenig zu früh, etwas zu unternehmen. Ich habe sogar meinem Tagesantlitz die Erlaubnis gegeben, eine Woche auf dem elterlichen Landgut zu bleiben. Und Sir Lonely-Lokley hat Urlaub genommen, um nach Hause zu fahren, was seit Jahrzehnten nicht passiert ist. Gehen wir also ins Fressfass und trinken wir einen Krug Kamra. Und du passt gut auf alles auf, Kurusch! Später bringt Max dir ein kleines Geschenk mit, und ihr könnt ein wenig durchs große Archiv spazieren. Bis dann! Mein Herz sagt mir, dass diese Nacht noch ruhiger wird als die letzte, falls das überhaupt möglich ist. Gehen wir, Max.«