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Als ich mich zum ersten Mal im Haus von Sir Juffin Halli einfand, war er noch nicht da. Als Ehrwürdiger Leiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs war Halli ein vielbeschäftigter Mann und musste irgendwo stecken geblieben sein.

Der alte Haushofmeister Kimpa, der von seinem Herrn erfahren hatte, dass ich zu den Gästen der Kategorie de luxe gehörte, war ausgesprochen verblüfft, denn bisher hatten nur anständige Leute das Haus besucht.

Ich begann mein neues Leben mit der Frage nach dem Klo. Auch das erwies sich als Fauxpas, denn alle Bürger des Vereinigten Königreichs, die älter als zwei Jahre sind, wissen, dass sich Bad und Toilette im Keller eines jeden Hauses befinden und man sie über eine separate Treppe erreicht.

Und dann mein Aussehen! Meine Jeans und mein Pulli, meine Weste aus ungefärbtem Leder und meine schweren, stumpfnasigen Schuhe eigneten sich sehr gut, den Alten zu schockieren, der gewöhnlich gleichmütig wie der Monsunregen war. Zehn Sekunden lang musterte er mich von Kopf bis Fuß. Sir Juffin schwor später übrigens, so viel Aufmerksamkeit habe Kimpa zuletzt der ruhigen Mrs Kimpa am Hochzeitstag geschenkt. Das allerdings war vor ungefähr zweihundert Jahren gewesen. Kaum hatte der Alte mich lange genug angestarrt, befahl er mir, mich umzuziehen. Ich widersetzte mich nicht, um die Erwartungen des irritierten Greises nicht zu enttäuschen.

Damit begann etwas Schreckliches. Ich stand vor einem Haufen bunt gemusterter Kleidungsstücke, den ich mit vor Erregung schwitzenden Händen durchwühlte und dabei entnervt die Augen rollte. Zum Glück hatte Kimpa ein erfülltes Leben hinter sich und bestimmt viel Außergewöhnliches gesehen, darunter auch Dummköpfe wie mich, denen die elementarsten Dinge fremd sind. Um dem guten Namen seines vergötterten Chefs keine Schande zu machen, half er mir. Zehn Minuten später sah ich einem eingeborenen Bewohner von Echo ziemlich ähnlich, kam mir aber völlig albern vor. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass meine Kostümierung unauffällig war und nicht nach ein paar Schritten auseinanderfiel, fand ich mich mit ihr ab.

Dann begann die nächste Nervenprobe: das Mittagessen. Kimpa, die gute Seele, leistete mir Gesellschaft, damit ich die Zeit sinnvoll nutzte. Bei jedem Gang des Menüs studierte ich die Handbewegungen meines Lehrers und versuchte, das abgeguckte Wissen anzuwenden, indem ich mein Essen mit dem passenden Besteck zum Mund führte. Und immer achtete ich darauf, seinen Gesichtsausdruck nachzuahmen - das konnte ja nicht schaden!

Später ließ Kimpa mich in Ruhe und forderte mich auf, mir Haus und Garten anzuschauen. Das machte mir viel Spaß. Chuf - ein kleines, bezauberndes Wesen, das einer Bulldogge ähnelte - leistete mir Gesellschaft. Er war im Grunde genommen mein Cicerone. Ohne ihn hätte ich mich in dem riesigen, halb leeren Haus sicher verirrt und kaum die Tür ins dicke Gestrüpp des Gartens gefunden. Dort legte ich mich ins Gras und konnte mich endlich erholen.

Bei Sonnenuntergang ging der alte Haushofmeister feierlich in seinen kleinen Schuppen in einem Winkel des Gartens und fuhr kurz darauf mit einem Technikwunder vor, einem Fahrzeug, das aussah, als ließe es sich nur mit einem Zugtier fortbewegen, aber von alleine fuhr. Mit Hilfe eines Aggregats rollte es so schnell davon, wie seine Größe erwarten ließ. Später erfuhr ich übrigens, dass Kimpa in seinem langen Leben auch mal Läufer gewesen war. Seine Geschwindigkeit ließ sich freilich nicht mit der von A-Mobilen - wie man diese merkwürdigen Fortbewegungsmittel nannte - vergleichen.

Kimpa kam nicht allein zurück: Sir Juffin Halli persönlich - mein alter Bekannter und Bewohner meiner fabelhaften Träume - thronte auf den weichen Kissen der Benzinkutsche.

Endlich begriff ich: Alles, was passiert war, war tatsächlich geschehen! Ich erhob mich ein wenig, um ihn zu begrüßen, fiel aber gleich wieder ins Gras, schaute ihn finster an und machte ein dummes Gesicht. Gleich darauf sah ich zwei lächelnde Sir Juffins auf mich zukommen. Mühsam wählte ich einen aus, rappelte mich auf und wäre fast wieder umgekippt. Ich fühlte mich ungeheuer tapfer.

»Macht nichts, Max«, meinte Sir Juffin Halli und lächelte mich verständnisvoll an. »Auch mir geht es oft schlecht, und ich habe dabei die gleichen Erfahrungen gemacht. Ich bin froh, dich endlich in natura kennenzulernen!« Dann legte er die linke Hand an die Brauen und rief triumphierend: »Du bist es wirklich!« Er nahm die Hand runter und zwinkerte mir zu: »So begrüßt man sich hier, Max! Wiederhole!«

Auch ich legte die Hand an die Brauen und rief: »Ihr seid es wirklich!«

»Für den Anfang nicht schlecht«, meinte Halli. Dann machte ich es noch siebzehn Mal und fühlte mich wie ein geistesschwacher Kronprinz, der einen Benimmlehrer bekommen hat.

Leider beschränkten sich die Erlebnisse dieses Tages nicht nur auf das Erlernen der Echo-Etikette. Das Hauptproblem ist, dass hier seit Ewigkeit mächtige Magier wohnen. Meiner Ansicht nach gehören alle Eingeborenen bis zu einem gewissen Grade dazu. Glücklicherweise hatte man die uralte Rivalität der magischen Orden durch den Frieden zwischen König Gurig VII. und dem Orden des Siebenzackigen Blattes beendet. Das war hundertzwölf Jahre vor meiner Ankunft in Echo gewesen. Seither dürfen sich die Bürger nur einfachster Magie bedienen - vor allem auf kulinarischem und medizinischem Gebiet. Magie braucht man hier beispielsweise zur Vorbereitung der Kamra, die man in Echo statt Tee und Kaffee trinkt. Dieses Getränk schmeckt ohne magische Formel zu bitter. Mit einem anderen Zauberspruch bleibt die Butterdose sauber - eine epochale Errungenschaft, wie ich finde!

Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dem Orden des Siebenzackigen Blattes bin, dessen Umtriebe und Intrigen den Lauf der Geschichte verändert haben. Beispielsweise brauche ich den 234. Grad der Weißen Magie nicht zu erlernen, von dem Kenner behaupten, er sei der Gipfel der menschlichen Möglichkeiten. Ich habe mich entschieden, in den offiziell erlaubten Zaubertricks die Grenze meiner bescheidenen Möglichkeiten zu sehen. Ich bin gewissermaßen ein invalider Virtuose - wie Douglas Bader, das britische Flieger-Ass ohne Beine. Sir Juffin Halli behauptet dagegen, meine größte Stärke sei, der Wunderwelt anzugehören, was aber nicht die Fähigkeit einschließt, mit ihr zurechtzukommen.

Am Abend des ersten Tages meines neuen Lebens stand ich in dem mir zugeteilten Schlafzimmer vor dem Spiegel und begutachtete mich. In den schmalen Falten der Skaba (einer langen, einfachen Tunika) und den breiten Falten des Lochimantels - des hiesigen Kompromisses zwischen langem Gewand und Poncho - kam ich mir wie eine Schaufensterpuppe vor. Der ausgefallene Turban stand mir sehr gut dazu. In diesem Aufzug fiel es mir leichter, das seelische Gleichgewicht zu bewahren. Ich brauchte mir keine Gedanken zu machen und versuchte nicht mehr zu begreifen, was eigentlich mit mir passiert war. Der Junge dort im Spiegel konnte jeder beliebige Mensch sein, auf keinen Fall aber mein guter alter Bekannter Max.

Chuf tauchte auf, kläffte freundlich und stupste die Nase gegen mein Knie. »Wie groß und hübsch du bist!«, vernahm ich plötzlich und begriff dann, dass ich seine Gedankenstimme gehört hatte. Der kluge kleine Hund war der Erste, der mir die Stumme Rede dieser Welt beibrachte. Wenn ich irgendwann den vierten Grad der Weißen Magie verstehen sollte, gebührt diesem seltsamen Tier ein großes Kompliment.

Die Zeit verging schnell. Ich schlief bis weit in den Tag hinein und stand erst abends auf, zog mich an und las mir mancherlei vor. Zum Glück gab es nie Verständigungsprobleme zwischen mir und den Bewohnern des Vereinigten Königreichs. Warum das so war, weiß ich bis heute nicht. Ich musste mich nur an die hiesige Aussprache gewöhnen und ein paar neue Ausdrücke lernen. Das war zu schaffen!