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»Vergiss dein Mitbringsel nicht«, ermahnte mich Kurusch so gelassen wie Regen.

Im Wirtshaus war Juffin ganz väterliche Fürsorge und ging rasch meine unbedeutenden Probleme durch.

»Weißt du, Max: Egal was passiert ist - du bist keiner, der wegen Verdauungsschwierigkeiten gleich Alpträume bekommt. Und bis jetzt waren deine Träume alles andere als gewöhnlich. Wenn sich das wiederholt, wäre es besser, du bleibst zwei, drei Tage bei mir, bis wir alles geklärt haben.«

»Vielen Dank, Juffin, aber warum sollte ich so rasch wieder zu Ihnen ziehen? Mein Leben lang habe ich von einem eigenen Haus geträumt, wo das Schlafzimmer oben, das Wohnzimmer unten ist, die Treppe quietscht und es keine überflüssigen Möbel gibt. Jetzt habe ich es. Also möchte ich es noch etwas genießen!«

»Gut, du willst also zu Hause schlafen und ein halbes Dutzend Alpträume pro Nacht bearbeiten, ja?«, fragte Juffin streng.

»Das will ich natürlich nicht. Aber vielleicht war das der erste und letzte Alptraum. Jeder kann doch einfach so mal einen haben.«

»Und dein Herz hat auch einfach nur so gestreikt? Einfach so, Max, werden nur kleine Kätzchen geboren.«

Bei dieser Binsenweisheit sprang ich auf. »Hier gibt es also auch Katzen?«

»Wieso denn nicht?«

»Weil ich noch keine gesehen habe.«

»Wie solltest du auch! Schließlich bist du noch nie aus der Stadt gekommen. Katzen hält man doch nicht im Haus. Kühe und Schafe übrigens auch nicht.«

»Merkwürdig. Habt ihr hier falsche Katzen?«

»Ihr habt falsche Katzen! Unsere Katzen sind die richtigsten des Weltalls!«

Mit diesen fröhlichen Worten trennten wir uns. Sir Juffin spazierte durch die Straße der alten Münzen, und ich fuhr zum Haus an der Brücke, um zu faulenzen. Kurusch bekam von mir eine Pirogge mit Cremefüllung. Wie meine Kollegen behaupteten, schwärmte der Vogel dafür. Doch schnell war klar, dass er sich den Schnabel nicht allein von der klebrigen Creme säubern konnte, und ich musste das ganze Gebäude auf den Kopf stellen, um eine Serviette zu finden.

Dann ging ich nach oben und unterhielt Sir Lukfi Penz und etwa hundert Buriwuche bis zum Abend mit aus dem dritten Band der Enzyklopädie von Sir Manga Melifaro geplünderten Geschichten über die Leeren Länder. Als es schon richtig dunkel war, wollte Sir Lukfi nach Hause gehen. So erfuhr ich, dass sein Arbeitstag vom Mittag bis zum Einbruch der Dämmerung dauerte. In der übrigen Zeit wollten die Vögel nicht gestört werden. Übrigens betrachteten andere Tiere unseren guten Kurusch als Sonderling. Sie fanden es unmöglich, die ganze Zeit mit Menschen zu verbringen.

Ich lud den sympathischen Sir Lukfi auf eine Tasse Kamra in mein Büro ein. Das stimmte ihn froh und traurig zugleich. Per Stummer Rede wandte er sich an seine Frau und sagte mir dann: »Meine Gattin ist bereit, noch eine Stunde zu warten. Danke für die Einladung, Sir Max! Verzeihen Sie, dass ich nicht gleich zugesagt habe. Aber wir sind noch nicht lange verheiratet und ...«, sagte er und blieb mit seinem Mantel an einer Klinke hängen, so dass ich ihn befreien musste.

»Sie brauchen mir nichts zu erklären«, meinte ich und lächelte herzlich. »Alles in Ordnung, mein Lieber!«

Als wir mein Büro betraten, rief ich den Boten. Der kam sofort angerannt und betrachtete mich devot. Begann hier etwa der Horrorfilm »Max, Fresser der Untergebenen«? Wenn ja: Gut so!

Lukfi schlürfte genüsslich an seinem Becher Kamra und tauchte den Ärmel darin ein. Um keine Zeit zu verlieren, fragte ich ihn gleich nach den Buriwuchen. Kuruschs Standpunkt hatte ich schon gehört - jetzt wollte ich die Meinung der anderen Seite erfahren.

»Die Vögel selbst haben mich zu ihrem Betreuer gewählt«, erzählte Sir Lukfi. »Warum sie das getan haben, mögen die Magister wissen! Jedenfalls ist das schon Jahre her. Ein Bote hat damals bei mir geklopft und mir die Einladung ins Haus an der Brücke überreicht. Die Tiere haben dann gesagt, sie seien mit mir zufrieden. Es hat auch andere Kandidaten gegeben, darunter einen Verwandten der Königlichen Ratgeberin, aber sie wollten mich. Weißt du noch, warum, Kurusch?«

»Ich hab dir das doch schon tausend Mal gesagt: Weil du alle Vögel voneinander unterscheiden kannst.«

»Kurusch, du bist genauso ein Witzbold wie Sir Juffin. Wer könnte euch nicht unterscheiden?«

»Mir würde das bestimmt schwerfallen«, gab ich verblüfft zu.

»Eben. Ich sag ihm das seit mehr als hundert Jahren, und er glaubt mir nicht«, knurrte Kurusch. »Für einen Menschen ist sein Gedächtnis wirklich ziemlich gut.«

»Ich habe wohl tatsächlich ein gutes Gedächtnis«, meinte Lukfi zufrieden. »Aber ich habe mein Leben lang gedacht, andere hätten ein schlechtes Gedächtnis und ich ein normales.«

»Er weiß sogar, wie viele Federn jeder von uns besitzt«, vertraute Kurusch mir an. »Für einen Menschen ist das enorm.«

»Ist das wahr?«, fragte ich erstaunt. »Selbst wenn dies das Einzige ist, was Sie behalten haben, Lukfi, bin ich im Vergleich zu Ihnen ein Schwachkopf. Und alle anderen auch.«

»Was reden Sie denn da, Sir Max«, erwiderte der erstaunliche Mann ernst. »Sie sind kein Schwachkopf, sondern nur unaufmerksam - wie die überwältigende Mehrheit.«

Sündige Magister! Warum war er so bescheiden, bloß von Unaufmerksamkeit zu sprechen?

Lukfi verabschiedete sich und ließ mich mit Kurusch, der gleich einschlief, allein. Sofort machte ich mich an die Arbeit: Auf Juffins Tisch fand ich viele aktuelle und alte Zeitungen. Als Neuling in Echo begeisterte mich jedes Journal wie ein Fantasy-Roman, den man allerdings jederzeit beiseitelegen konnte, um durch eine scheinbar fiktive Realität zu spazieren.

Sir Kofa Joch trudelte vor Tageseinbruch ein und brummte, es gebe nichts Neues, und mit Neuigkeiten sei auch nicht zu rechnen. Er habe lediglich von vier Wohnungseinbrüchen gehört, aber damit müsse sich unsere tapfere Polizei herumschlagen. Er jedenfalls gehe jetzt schlafen, und von ihm aus könnten sich alle zum Teufel scheren. Ich seufzte mitfühlend und las weiter in einem gut ein Jahr alten Trubel von Echo.

Sir Juffin erschien recht früh, orderte Kamra und betrachtete mich nachdenklich. »Bisher gibt es keine Neuigkeiten, Max, jedenfalls keine echten. Aber ich habe eine Idee: Eigentlich steht mein Haus für dich immer offen, doch du hast recht - es ist besser, wenn du noch ein oder zwei Nächte bei dir bleibst. Solltest du keine Alpträume bekommen, ist alles prima. Wenn aber doch, tja ... So unangenehm es für dich auch ist: Die ganze Geschichte sollte sich weiterentwickeln. Vielleicht erfahren wir auf diese Weise etwas Interessantes.«

»Woran denken Sie? Worauf muss ich mich gefasst machen?«

»Soll ich ehrlich sein? Auf das Schlimmste! Dein Haus gefällt mir gar nicht, aber ich weiß nicht, warum. Ich kann mich auch an keinen ähnlichen Fall erinnern. Vielleicht ist ja alles nur aus Langeweile entstanden, aber das glaub ich eigentlich nicht. Wir werden es herausfinden. Ich erkundige mich gleich bei Sir Lukfi nach dem Hausbesitzer und den Nachbarn. Jetzt nimm das hier«, sagte er und gab mir ein nicht gerade hübsches Armband. »Streif das über. Es ist die Garantie, dass du aufwachst.«

»Kann es wirklich so gefährlich werden?«

»Leider ja. Das Leben ist voller Gefahren, und am schlimmsten sind die Dinge, die wir nicht begreifen. Oder die es nicht gibt. Na schön. Wenn du aufwachst, sag mir Bescheid.«

Verantwortung zu tragen, erleichtert das Einschlafen nicht gerade. Ich wälzte mich herum und nahm schließlich die Enzyklopädie von Manga Melifaro zur Hand, um mir ihre hübschen Zeichnungen anzuschauen. Die hiesigen Katzen interessierten mich besonders, und ich hoffte, Darstellungen von ihnen zu finden. Das dauerte zwar lange, doch endlich glückte es mir. Auf den ersten Blick wirkten die wunderschönen Geschöpfe wie normale Katzen - nur dass sie auffällig groß waren, länger als einen Meter bei etwa vierzig Zentimetern Höhe. Das konnte ich berechnen, weil auf einer Zeichnung neben den Katzen ein Mann im gestrickten Lochimantel zu sehen war. Laut Bildunterschrift war er ein Hirte. Ich erfuhr auch, dass die Bewohner von Landland Katzen wegen ihres warmen Fells besonders gern züchten. Wie Schafe! Das erschütterte und begeisterte mich zugleich. Sollte ich mir auch ein Kätzchen anschaffen? Für hauptstädtische Snobs sind das Nutztiere, die man in Massen hält. Aber ich - ein Barbar von der Grenze zu den Leeren Ländern - konnte mir so eine Extravaganz leisten.