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»Wie konnte Lady Feni denn dann einkaufen gehen, wenn ...«

»Gute Frage, mein Junge! Ich vermute, wenn ein Fetan zwei Körper zur Verfügung hat, kann er einem ab und an ein wenig Freiheit geben - natürlich nur für kurze Zeit. Aber ich bin fest überzeugt, dass Lady Feni nicht selbst einkaufen war, sondern nur eine klägliche Erinnerung an sie, die extra für diese Tätigkeit programmiert wurde. Diese Tarnung war sehr erfolgreich. Kein Wunder - Fetane sind ja Meister der Tarnung. Aber wir sind da! Lass uns aussteigen.«

Wir ließen das A-Mobil vor meinem Haus stehen. Inzwischen war auf der Straße der alten Münzen ziemlich viel los. Ein paar Mitarbeiter der Stadtpolizei, sechs Anwohner und ein Haufen tief erschütterter Schaulustiger, die aus dem Gesättigten Skelett gekommen waren, hatten einen Kreis um das Opfer gebildet, um eine Frau mittleren Alters also, die sehr einfach gekleidet und deren Kopf beinahe vom Rumpf abgetrennt war. In der Nähe lag ein Korb mit Nüssen. Die zerstreuten Nüsse erinnerten mich an den dünnen Sandpfad, der im Traum zwischen meinem Haus und dem Haus nebenan durch die Luft geführt hatte.

Sir Juffins Stimme, die von den Polizisten Erklärungen einforderte, riss mich aus meinen Gedanken.

»Die Zeugen behaupten, der Täter sei sehr klein gewesen«, meldete einer der Polizisten verwirrt.

»Und wo sind die Zeugen?«

Aus der Gruppe Schaulustiger trat ein junges Pärchen hervor. Die beiden waren augenscheinlich sympathisch und nach hiesigen Maßstäben noch sehr jung - ungefähr sechzig Jahre alt. Die Frau erwies sich als die Gesprächigere, wie es oft so ist.

»Wir waren auf dem Weg zur Arbeit und sind nur zufällig in diese Straße geraten. Sie war leer. Nur ziemlich weit vor uns ging eine Frau mit einem Korb in der Hand. Plötzlich kam aus diesem Haus hier ...« - sie zeigte auf das architektonische Meisterstück, das mich schon lange beschäftigt hatte - »... ein Männchen herausgesprungen.«

»Sind Sie sicher, dass es sich um einen sehr kleinen Mann gehandelt hat?«, unterbrach Juffin.

»Absolut, Sir! Frud kann das auch bestätigen. Er war klein wie ein Kind, aber wie ein Erwachsener gekleidet, sehr elegant und sehr teuer. Erst verstanden wir gar nichts. Wir dachten, er würde die Frau kennen und wolle sie umarmen. Na ja, er sprang kurz hoch, damit ihm das bei seiner Größe gelang. Das fanden wir lustig, doch dann fiel die Lady um, und wir erschraken. Das Männlein sprang noch ein paar Mal auf sie drauf und verschwand.«

»Und wohin?«

»Na ja, irgendwohin. Auf jeden Fall nicht in unsere Richtung. Den Magistern sei Dank! Frud wollte ihn verfolgen, doch ich hatte Angst. Dann haben wir Hilfe gerufen.«

»Vielen Dank, meine Liebe. Jetzt ist mir alles klar«, erklärte Juffin und wandte sich an die Polizisten. »Seit Sie hier sind, meine Herren, ist noch niemand aus dem Haus gekommen, oder?«

»Niemand, Ehrwürdiger Leiter! Und wir sind auch nicht ins Haus gegangen, weil

»Sie haben ganz richtig gehandelt! Max, Schürf, wir gehen!«

Wir besuchten meinen zum Vampirismus neigenden Nachbarn.

In seinem Haus war es dunkel und still. Und sehr schmutzig, wie ich hinzufügen muss. Ein großes, bis zur Decke mit allem Möglichen gefülltes Zimmer, in dem die Habe der Bestohlenen gesammelt war, machte den Eindruck eines scheußlichen Museums. Ich sage das nicht, weil ich mich über die Unordnung im Haus geärgert hätte. Dort herrschte einfach nur eine furchtbare Atmosphäre. Sogar Lonely-Lokley runzelte verächtlich die Stirn - und das hieß einiges.

Zum ersten Mal, seit ich in Echo war, ging mir die Größe eines Hauses auf die Nerven. Es kostete uns viel Zeit, das Erdgeschoss zu inspizieren - und das, obwohl wir sehr schnell arbeiteten. Und herausgekommen ist dabei nichts. Nur unsere Stimmung war endgültig verdorben.

Dann mussten wir in den ersten Stock hoch. Dort war es genauso dunkel und still. Als Sir Lonely-Lokley die Treppe zum zweiten Stock betrat, sah ich ihm nach und wünschte mir, ein Nickerchen machen zu können. Doch dann würde ich nie wieder aufwachen.

»Kopf hoch, Max!« Juffin hatte gemerkt, dass ich schlappzumachen drohte, und sich per Stummer Rede bei mir gemeldet. »Egal wie das endet - nur Schürf hat hier wirklich was zu tun, und auch seine Aufgabe ist nicht sehr kompliziert. Wir beide sind nur aus Neugier hier. Das ist vielleicht nicht der angenehmste Spaziergang, doch es gibt Schlimmeres - das kann ich dir versichern. Also, Kopf hoch, mein Junge!«

Ich fühlte mich ein wenig besser. Gleich zauberte ich ein schwaches Lächeln aufs Gesicht und sah dabei Sir Juffin an.

Dann gingen wir weiter nach oben, bis nur noch der Himmel über uns war.

Sie hatten auf uns gewartet - diese beiden, die irgendwann Tolakan En und seine Frau Feni gewesen waren, märchenhaft reich, wahnsinnig verliebt und unendlich glücklich. Doch sie waren längst tot, und statt ihrer begegnete uns der langlebige Fetan, der nach Belieben über zwei Körper verfügen konnte.

Das Geschöpf wusste um seine hoffnungslose Lage und war sich klar darüber, was kommen würde. Darum versuchte es noch nicht mal, Widerstand zu leisten. Plötzlich spürte ich Mitleid mit dem unbekannten Geist, der gegen seinen Willen nach Echo geholt worden und nun gezwungen war, sich durchzuschlagen. Mich hätte ja auch ein verrückter Magister nach Echo zitieren können! Mit meinem Talent hätte ich es selbst im Schlaf geschafft, in eine unangenehme Situation zu geraten! Brrr!

Fünf schneeweiße Strahlen richteten sich auf das erstarrte Pärchen, Strahlen, die von der linken Hand Sir Lonely-Lokleys ihren Ausgang genommen hatten und das Pärchen in Schutt und Asche legten. Ich hoffte, dass sein Ende schmerzlos gewesen war.

»Juffin«, fragte ich in die klirrende Stille, »ist überhaupt noch etwas vom Ehepaar En übrig? Ich meine, eine Seele ... oder wie immer man das nennen mag.«

»Das weiß niemand, Max!«

Er zog mir blitzschnell die Knie weg, und ich stürzte zu Boden. Noch im Fallen begriff ich, dass etwas mit meinem Genick nicht stimmte. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Nacken. Dann lief eine Kältewelle über meinen Hals. Ich schrie und stieß dabei anscheinend einen Fluch aus.

Nach ein paar Sekunden der Ohnmacht merkte ich, dass ich noch am Leben war - ein starker Schmerz im rechten Knie und am Kinn war dafür Beweis genug. Mein Nacken war ganz starr - als habe ich eine Novocain-Spritze bekommen. Etwas Warmes lief an meinem Hals herunter. »Wenn das Blut ist, dann verzeih mir, lieber Lochimantel«, dachte ich finster.

Am Hinterkopf spürte ich eine warme Hand. Sehr angenehm. Mir wurde immer blümeranter, und ich driftete Richtung Nirwana, doch dieser Zustand hielt nicht lange an.

Als ich die Augen wieder öffnete, war meine Lage vielleicht nicht ideal, aber durchaus erträglich. Knie und Kinn meldeten, dass sie sich zwar gemein benommen hatten, sich nun aber bessern würden. Auch Hals und Nacken gaben mir keinen Anlass zur Besorgnis mehr. Fieberhaft suchte Sir Juffin mit blutbespritzten Händen nach einem Handtuch.

»Nehmen Sie einen Vorhang«, sagte ich mit eigenartig heller Stimme. »Die Besitzer des Hauses haben sicher nichts dagegen.«

»Du bist wirklich ein kluger Kopf, Max! Was würde ich nur ohne dich anfangen?«

»Sie hätten ruhig in Ihrem Büro bleiben und Kamra trinken können. Dann hätten Sie sich diese Szene erspart. Was war das eigentlich, Juffin?«

»Eine ausführliche praktische Antwort auf einige theoretische Fragen, mit denen sich kluge Köpfe an der Universität beschäftigen. Aber schau selbst. Und hab keine Angst, den Kopf zu drehen. Ich hab deine Wunden gestillt. Deine Verletzungen waren ohnehin nicht spektakulär! Mit einem Wort: Dir wird der Kopf nicht vom Hals fallen. Und sollte er es doch tun, hab keine Angst - ich kann dir einen neuen annähen, der besser ist als der alte.«

»Sehr witzig! Und wo ist Ihre ausführliche Erklärung?«

»Hier, Sir Max!«, rief Lonely-Lokley. Er hockte neben mir und zeigte mir zwei kleine Gegenstände, die er in der rechten, also weniger gefährlichen Hand hielt. Es handelte sich um eine in der Mitte durchgebrochene Figur - genauer gesagt um eine kleine, füllige Frau, die einen Dreizack in der Hand hielt. Ihr Gesicht war nicht hübsch, aber voll bedrohlicher Kraft, was ihre Züge unvergesslich machte.