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Doch Melamori folgte diesem klugen Rat nicht, sondern legte mit vollem Mund los. Tischmanieren schienen nicht gerade die Stärke der hiesigen Aristokratie zu sein. Allerdings hat mich ihr Anblick, wie ich gestehen muss, sehr amüsiert.

»Alles lief wunderbar. Ich bin Dschuba Tschebobargo rasch auf die Spur gekommen. Das war nicht allzu kompliziert, denn seine Adresse ist kein Geheimnis. Dennoch war ich sehr verärgert, was sich, wie ihr alle wisst, als Vorteil erwiesen hat. Bei seiner Verhaftung hatte ich den Verbrecher völlig unter Kontrolle. Melifaro, der sympathische Sir Schichola und ich hatten uns zur Straße der kleinen Generäle aufgemacht. Dort angekommen stellten wir fest, dass sich Tschebobargo in einer schwierigen Situation befand. Er lag im Wohnzimmer auf dem Boden, und seine kleinen Geschöpfe umringten ihn. Manche Puppen begriffen sich inzwischen als dankbare Söhne ihres Schöpfers, während andere der Tyrannei ihres Erzeugers den Kampf ansagen wollten. Als wir ins Zimmer kamen, besprachen sie diese Sache gerade. Ach, meine Herrschaften! Sie sagten kein Wort, sondern knirschten nur mit den Zähnen. Das war ihr Kompromiss zwischen Stummer Rede und normaler Unterhaltung. Wir haben gleich ein paar Puppen zerstört. Daraufhin sind die Übrigen panisch in alle Himmelsrichtungen geflohen. Auch Tschebobargo hat zu fliehen versucht, doch ich weiß nicht, ob er sich vor uns oder vor seinen Puppen in Sicherheit hat bringen wollen. Auf alle Fälle wusste der Arme nicht, was um ihn herum geschah. So musste ich ihn weiter verfolgen, während Melifaro und Sir Schichola zurückblieben, um das Unheil vollkommen zu ersticken. Den Rest der Geschichte kennt ihr ja schon. Aber es gibt noch etwas: Die Polizei hat im Badezimmer von Dschuba Tschebobargo fast alle von ihm gestohlenen Dinge gefunden, darunter auch meine Sachen. Sie haben ganz oben gelegen, weil ich als Letzte beraubt worden bin. Und womit habt ihr euch beschäftigt?«, fragte Lady Melamori und sah Sir Lonely- Lokley dabei traurig an - und mich auch!

»Sir Juffin wird Ihnen alles erzählen«, antwortete Schürf sanft. Er gehörte offenbar nicht zu den großen Schwätzern des Vereinigten Königreichs.

»Ich warte, bis alle da sind«, meinte Juffin. »Seien Sie mir nicht böse, süße Lady, doch ich erzähle nun mal nicht gern immer wieder das Gleiche.«

»Schon gut. Aber ich könnte - wie Sie genau wissen - vor Neugier in Ihren Armen sterben.«

Nach kaum einer halben Stunde trat Melifaro ein. Im Gegensatz zu den anderen hatte er es geschafft, sich umzuziehen. Diesmal war seine Skaba salatgrün, sein Lochimantel dagegen grellrot und königsblau kariert. Bewahrte er etwa seine ganze Garderobe im Büro auf!?

Gleich darauf erschien Sir Kofa in Juffins Büro. Angeblich war er nur vorbeigekommen, um nach dem Stand der Dinge zu fragen. In der Stadt erzählte man sich inzwischen merkwürdige Sachen. Zum Beispiel hieß es von Dschuba Tschebobargo, er sei Anführer einer Bande von Liliputanern gewesen. Außerdem raunte man, der Ehrwürdige Leiter habe dem ehemaligen Höfling Tolakan En, der beträchtliche Spielschulden gehabt habe, höchstpersönlich die Kehle durchgeschnitten. Obendrein sollte Juffin noch Tolakans Frau erschlagen haben. Auch hieß es, En habe sich mit verbotener Magie befasst und freundschaftlichen Umgang mit den vierundzwanzig aufsässigsten Magistern von Echo gepflegt.

»Ein hübsches Gerücht«, lächelte Juffin. »Und dazu noch sehr lehrreich. Alle Leute dürften jetzt begriffen haben, dass man Spielschulden rechtzeitig zurückzahlen sollte.«

Zur Witzfigur des Tages aber wurde General Bubuta Boch, der trotz Verletzung eine Verlautbarung zusammenstoppelte, in der es hieß, unter seiner umsichtigen Leitung sei die Stadtpolizei auf eine Spur gestoßen, die es demnächst ermöglichen werde, eine Diebstahlserie aufzuklären, die die Bewohner von Echo seit kurzem in Atem halte. Der arme Bubuta hatte nicht gemerkt, dass der Fall längst gelöst war! Zum Glück konnten aufgeweckte Mitarbeiter des Generals die Veröffentlichung des Kommuniques verhindern und ihren Chef so davor bewahren, sich in der ganzen Stadt zum Gespött zu machen.

Den Rest des Abends berichtete Juffin von unseren Abenteuern. Fast wäre ich eingedöst, so satt war ich, und so warm war mir. Doch vor allem schläferte mich ein, meine Abenteuer als so interessantes wie seltsames Märchen erzählt zu bekommen.

»Max, ich befehle dir, nach Hause zu gehen«, erklärte Juffin. »Alle Geheimnisse sind gelüftet, alle Piroggen gegessen. Was du jetzt brauchst, sind vierundzwanzig Stunden Schlaf ohne den leisesten Alptraum.«

»Keine Einwände!«, lächelte ich. »Ich habe nur noch eine letzte Frage. Melifaro, was ich schon lange wissen wollte: Gibt es auf deinem Gut eigentlich Katzen?«

»Natürlich. Warum?«

»Ich hatte mir geschworen, mir ein Kätzchen anzuschaffen, wenn dieser Fall überstanden ist. Und weil wir nun nicht einen, sondern gleich zwei Fälle gelöst haben, brauche ich ein Paar.«

»Ich kann dir sogar zwölf Kätzchen schenken. Aber was willst du damit machen? Willst du sie etwa essen? « »Wir Leute aus der Provinz essen alles«, erklärte ich, hatte dann aber Mitleid mit meinen schockierten Kollegen und meinte: »Ich werde sie streicheln, und sie werden schnurren - dem klassischen Verhältnis zwischen Mensch und Katze getreu.«

Zu Hause war es sehr nett. Die Alpträume lagen hinter mir, und nach all den turbulenten Tagen war ich hundemüde. Also legte ich mich ins Bett, schloss die Augen und streckte mich so sehr, dass ich beinahe geschrien hätte. Dann döste ich ein und schlief nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Stein. Und das sehr lange. Erst am Abend des nächsten Tages trieb mich der Hunger aus dem Bett. Anders als ein Stein verspürt der Mensch nämlich von Zeit zu Zeit großen Appetit.

Nach einer Stunde klopfte es an der Tür. Draußen stand der junge Bote unserer Dienststelle.

»Ich habe eine Sendung von Sir Melifaro für Sie«, meldete der Junge ehrerbietig und überreichte mir einen großen, enorm schweren Korb. Ich schloss die Tür hinter dem Boten und schlug die gemusterte Decke, die über dem Korb lag, zurück. Zwei haarige Wesen sahen mich mit hellen blauen Augen an. Ich nahm sie aus dem Korb. Jedes Kätzchen wog mehr als ein erwachsenes Exemplar in meiner Heimat! Ich musterte die beiden - einen schwarzen Kater und eine kaffeebraune Katze. Sie schienen ein enorm ruhiges Wesen zu haben, das schon an Faulheit grenzte und wohl darauf zurückzuführen war, dass sie allzu gut genährt waren. Meine Neuanschaffung ließ mich richtiggehend aus dem Häuschen geraten. So sehr, dass ich mich gleich bei Sir Melifaro meldete.

»Vielen Dank, mein Freund! Die Tiere sind wahnsinnig schön! Mir fehlen die Worte«, teilte ich ihm mit.

»Sündige Magister, Max! Dass du dich in Stummer Rede so lustig ausdrücken würdest, hätte ich nicht gedacht. Die Katzen sind doch nicht der Rede wert. Guten Appetit!«

Was hätte ich von ihm sonst zu hören bekommen können?

Den Kater nannte ich Armstrong, die Katze Ella. Diese Namen gab ich ihnen, als sie mich laut miauend daran erinnerten, gefüttert werden zu wollen. Meine Tiere hatten wirklich durchdringende Stimmen! Und als ich noch nicht Sir Max aus Echo war, habe ich abends gern alten Jazz gehört.

Zelle Nummer Fünf

Jeder großen Sache im Haus an der Brücke geht die Ruhe vor dem Sturm voraus. Wenn ich ein paar Nächte nacheinander ungestört in meinem Sessel dösen und die Füße auf den Schreibtisch legen kann, weiß ich: Demnächst bricht bestimmt das Chaos aus.

Ansonsten kann ich nicht klagen. Meine Arbeit für den Geheimdienst ist nicht zur Routine geworden, und es ist auch kaum anzunehmen, dass sie je Routine wird.

Wenn die Zahl der ungeklärten Fälle dramatisch zunimmt, beginnen alle zu rotieren. Dann ist es bei uns ungemein hektisch, und es geht zu wie in einem Taubenschlag. Auch mein Tagesablauf weicht dann vom normalen Gang der Dinge ab. In so einer Phase lässt sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden mehr erleben als manchmal in einem Jahr.