»Hier gefällt es mir am besten«, stellte Juffin fest. »Die wichtigste Regel bei der Auswahl deiner künftigen Kollegen lautet: Wenn ihnen die gleiche Küche und der gleiche Tisch wie dir gefällt, ist eine psychische Bindung gewährleistet.«
In diesem Augenblick stellte Madame Zizinda eine Schüssel heiße Pasteten auf den Tisch. Die übrigen Ereignisse des Abends verschweige ich, bis ich einen Touristenführer mit dem Titel »Die besten Wirtshäuser der Stadt Echo« verfasse.
Zwei Tage später kam es zu meinem nächsten Auftritt in der großen Welt. Kurz vor Einbruch der Dämmerung, als ich gerade frühstücken wollte, kehrte Sir Juffin nach Hause zurück.
»Heute ist dein Jubiläum«, erklärte er und nahm mir mein Schälchen mit Kamra weg. Er hielt es wohl nicht aus, bis Kimpa ihm eine Portion zubereitet hatte. »Also testen wir deine Fortschritte heute an meinem Lieblingsnachbarn. Wenn der alte Makluk mich danach noch grüßt, werte ich das als Zeichen dafür, dass du reif genug bist, selbständig zu leben. Meiner Ansicht nach findest du dich ungemein rasch zurecht - so rasch, dass ich den Eindruck habe, kein objektiver Beobachter mehr zu sein. Vielleicht ist es ja so, dass ich dich zu schnell in meine Arbeitsgruppe integrieren will.«
»Denken Sie daran, Juffin: Er ist Ihr Nachbar, und Sie werden weiter mit ihm leben müssen.«
»Makluk ist nett und harmlos. Außerdem ist er beinahe ein Einsiedler. Der Alte hatte Menschen schon satt, als er noch am Königshof arbeitete und Rechte Hand des Klärers bedauerlicher Missverständnisse war. Jetzt kann er nur noch mich und zwei weitere Witwer ertragen, die genauso betagt sind wie er - und auch das nur selten.«
»Sie sind verwitwet?«
»Ja, schon über dreißig Jahre. Das ist kein Tabu mehr. Nur die ersten zwanzig Jahre mochte ich nicht darüber sprechen. Hier heiratet man spät und hofft, lange zusammenzuleben. Wir glauben auch, das Schicksal sei klüger als das Herz - nimm also nicht alles so ernst!«
Damit ich das schon mal trainieren konnte, schnappte er mir schnell die zweite Portion Kamra weg, auf die ich mich schon gefreut hatte.
Kurz darauf putzten wir uns festlich heraus und traten unseren Besuch an. Der hiesige Sonntagsstaat unterscheidet sich nur durch die Pracht der Muster und Farben von der Alltagskleidung, nicht durch den Schnitt, an den ich mich langsam gewöhnte. Erneut kam ich mir vor, als ginge ich zu einer Prüfung. Mein Herz tobte, als suchte es den kürzesten Weg in die Fersen.
»Max, seit wann bist du so ernst?« Der schlaue Fuchs Juffin hatte sofort gemerkt, was mit mir los war. Mein Seelenleben stand ihm wie eine Schlagzeile vor Augen.
»Ich versetze mich allmählich in meine Rolle«, brachte ich heraus. »Darf ein Barbar aus der Provinz etwa nicht aufgeregt sein, wenn er einen Menschen trifft, der das ganze Leben lang von Seiner Majestät Schläge ins Genick bekommen hat?«
»Schlagfertigkeit: gut. Gelehrigkeit: gut bis sehr gut. Die Provinzbarbaren, wie du sie nennst, sind arrogant, hochmütig und ungebildet und pfeifen auf unsere hauptstädtischen Taten! Intuition: ausgezeichnet! Wie hättest du sonst wissen sollen, dass Sir Makluk vom damaligen König Gurig mit der Höchsten Backpfeife ausgezeichnet wurde, nachdem er eines Tages auf seinem königlichen Schoß gelandet war?!«
»Ehrlich gesagt, habe ich nur so dahingeredet.«
»Das meine ich mit Intuition: einfach so zu faseln und doch ins Schwarze zu treffen!«
»Einverstanden, ich bin ein Genie. Und obendrein - laut der Biografie, die Sie sich für mich ausgedacht haben - ein Barbar, der ernsthaft vorhat, in Echo rasch Karriere zu machen, und sich deswegen von seinen hochmütigen, aber ungebildeten Landsleuten unterscheiden muss. Wenn die gespielte Arroganz zerbricht, erscheint darunter gewöhnlich Schüchternheit. Das weiß ich, weil ich auch so bin. Nehmen Sie Ihr »gut bis sehr gut< vielleicht zurück?«
»Einverstanden. Das »gut« nehme ich zurück, aber das »sehr gut« lasse ich dir. Und ich verkneife mir Empfehlungen - du weißt selbst, was du zu tun hast. Schließlich bist du kein Kind mehr.«
Wir gingen durch unsere Obstwiese und gelangten durch eine Seitenpforte in den Nachbargarten. An der prächtig verzierten Eingangstür vermeldete ein Schild: »Hier wohnt Sir Makluk. Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht verlaufen haben?« Ich kicherte verlegen, weil ich davon keineswegs überzeugt war. Aber der Glaube von Sir Juffin reichte locker für zwei.
Die Tür öffnete sich geräuschlos. Vier gleichermaßen grau gekleidete Diener grüßten uns im Chor. Ein professionelles Quartett, kann ich nur sagen!
Dann begann, wozu ich mich noch nicht bereit fühlte. Juffin meinte übrigens, niemand sei je so weit, einen Empfang bei Makluk zu überstehen - außer routinierten Salonlöwen, den wichtigsten und dabei nutzlosesten Wesen dieser Welt.
Ein paar robuste Jungs mit zwei Sänften kamen bedrohlich nah an uns heran. Gleichzeitig überreichten uns die Diener einige bunte Fetzen. Ich wusste mir keinen anderen Rat, als Juffin anzuschauen und ihm alles nachzumachen.
Zuerst nahm ich meinen dicken Mantel ab, ohne den ich mich nackt fühlte, weil mir das dünne Unterkleid, das meinem Körper eng anlag, für Treffen mit anderen Leuten damals noch nicht recht geeignet schien. Dann schaute ich mir genau an, was ich da bekommen hatte. Wieder hatte ich mich getäuscht: Es handelte sich bei den farbenfrohen Stoffstücken nicht um Lumpen, sondern um einen großen Halbmond mit riesigen aufgesetzten Taschen, dessen innerer Rand mit einer langen Kette kleiner Ringe bestückt war. Wieder musste ich Sir Juffin anstarren. Lässig nahm mein sonderbarer Cicerone durchs Labyrinth der Höflichkeit seinen Halbmond und streifte ihn über. Innerlich zitternd tat ich es ihm nach. Die Dienerbande blieb gelassen.
Kaum standen wir so herausgeputzt da, beugten sich die trampeligen Sänftenträger vor uns nieder. Sir Juffin stieg geradezu graziös in seine Sänfte. Nachdem ich mich innerlich bekreuzigt hatte, tat ich es ihm einmal mehr nach. Eine Weile ging es durch leere Korridore, die breit wie Straßen waren. Sir Makluks Haus beeindruckte mich sehr. Von außen wirkte es wie ein ganz normales Häuschen, aber von innen ...
Endlich erreichten wir einen großen Saal, der ebenso karg möbliert war wie das einzige mir bekannte Haus in Echo. Damit allerdings endete die Ähnlichkeit mit der Wohnung von Sir Juffin. Hier sah ich etwas anderes als den mir vertrauten Esstisch mit seinen gemütlichen Stühlen.
Ein schmaler Tisch mit einem Springbrunnen in der Mitte zog sich durch das ganze Zimmer. Rund um den Tisch befand sich ein Kranz niedriger Podien. Auf einem davon stand eine den unseren ähnliche Sänfte, aus der ein munterer, grauhaariger Alter schaute, der gar nicht wie ein Adliger aussah: unser Gastgeber Sir Makluk. Als er mich erblickte, legte er die Hand an die Brauen und rief: »Du bist es wirklich!«
Ich erwiderte seinen Gruß auf gleiche Weise. Das hatte ich schließlich lange genug geübt. Der Alte streckte Sir Juffin die Hand entgegen. Seine Bewegungen waren so energisch, dass er beinahe aus der Sänfte gestürzt wäre.
»Tragt auf, der strenge Sir Juffin ist da!«, rief er fröhlich.
Schnell stufte ich das Ganze als hiesige Begrüßungsformel ein. Doch das war falsch, denn der Hausherr hatte sich einen Scherz erlaubt. Ich wollte mich schon darüber ärgern, dachte mir dann aber: Egal, was kommt - meine Gesundheit geht vor. Wollen Sie ein Wochenende in Gesellschaft des wilden Max verbringen, lieber Juffin? Ihr Wunsch wird sofort erfüllt! Ich muss nur tief einatmen und mich ein wenig entspannen, aber dann ...
Das gelang mir leider nicht, und ich geriet wieder in Verlegenheit. Ein minderjähriges, geschlechtsloses Wesen kam auf mich zu. In Echo braucht man ein geübtes Auge, um Jungen und Mädchen zu unterscheiden. Alle tragen die gleiche Kleidung und binden das Haar zum Pferdeschwanz zusammen, damit es nicht stört. Das Kind trug einen Korb voll kleiner, leckerer Brötchen, die ich sehr mochte und die Kimpa mir immer zum Frühstück servierte. Es wandte sich mit seinem Gebäck zuerst an mich, und ich stand völlig allein und hilflos da. Juffin war in einer anderen Zimmerecke abgesetzt worden und befand sich gerade neben einem gastfreundlichen Nikolaus aus der Zeit des Römischen Imperiums. Schweigend nahm ich ein Brötchen. Das Kind streifte mich mit einem erstaunten Blick, zeigte ansonsten aber keine Reaktion. Als es auf die anderen Herren zuging, die mehr Erfahrung mit solchen Situationen hatten, verstand ich: Ich war zu bescheiden gewesen! Juffin und Sir Makluk hingegen nahmen mehrere Gebäckstücke und schoben sie in die geräumigen Taschen ihres Halbmonds. Wie es aussah, würde ich hungrig bleiben!