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Unsere seltsame Freundschaft begann plötzlich und für mich absolut unerwartet. Eines Tages - es ist schon viele Jahre her - brach mein mir schon vertraut gewordener Gesprächspartner mitten im Wort ab, sah mit der komischen Ernsthaftigkeit eines Verschwörers nach links und rechts und sagte geheimnisvoll flüsternd: »In Wirklichkeit schläfst du, Max. Dies alles ist nur ein Traum.«

Ich war ganz verwirrt, erhob mich so rasch, dass mein Stuhl umstürzte, und erwachte auf dem Boden meines Schlafzimmers.

In den nächsten sieben Jahren träumte ich alles Mögliche, aber nie wieder von den Mosaikgehsteigen jener wunderbaren Stadt. Ohne diese Bilder war mir langweilig, und mein Leben und meine Geschäfte liefen reichlich schlecht. Ich verlor das Interesse an den alten Freunden, stritt mich mit Freundinnen, wechselte die Arbeitsstelle öfter als das Hemd und warf Bücher weg, in denen ich keinen Trost gefunden hatte. Außerdem zettelte ich immer neue Streitereien an, als wollte ich die ungeliebte Wirklichkeit durch den Wolf drehen.

Im Laufe der Zeit beruhigte ich mich natürlich wieder und genehmigte mir ein Füllhorn neuer Lebensfreuden: Freunde, Mädchen, eine erträgliche Arbeit, eine hübsche Wohnung und eine eigene Bibliothek, die mehr von den Ambitionen als vom Geschmack ihres Besitzers zeugte. In der Kneipe bestellte ich Kaffee statt Alkohol, rasierte mich jeden zweiten Tag, duschte morgens und gab die Wäsche in die Reinigung. Ich lernte, mich zu beherrschen und giftige Bemerkungen zu machen, statt meine Fäuste zu benutzen. Und dennoch war ich nicht stolz auf mich, sondern spürte wieder die gleiche dumpfe Schwermut, die mich schon in meiner Jugend verrückt gemacht hatte. Ich fühlte mich wie ein Toter, der aus dem Grab gestiegen ist und sich an die leise, unauffällige Existenz unter lauter Zombies gewöhnt.

Aber ich hatte teuflisches Glück.

Eines Morgens, als ich nach der Nachtschicht in der Redaktion schlafen gegangen war, sah ich im Traum die lange Theke wieder, meinen Lieblingsplatz und den alten Bekannten, der mich am Nachbartisch erwartete. Ich erinnerte mich sofort, wie unser letztes Treffen geendet hatte. Ich begriff auch rasch, dass ich träumte, und fiel deshalb auch nicht vom Stuhl, erwachte nicht und war auch nicht erschrocken. Ich hatte im Laufe des Erwachsenwerdens eben gelernt, mich zu beherrschen.

»Was geschieht hier?«, fragte ich. »Und wie?«

»Das weiß ich nicht«, entgegnete mein alter Freund. »Meiner Meinung nach weiß das keiner. Es geschieht nun mal, und es ist mein Hobby, die Ereignisse möglichst genau zu beobachten.«

»Sie wissen nicht, was hier los ist?«, begann ich verwirrt und hatte den Eindruck, er müsste Antworten auf all meine Fragen wissen.

»Darum geht es nicht«, fiel er mir ins Wort. »Sag mir lieber, ob es dir hier gefällt.«

»Was für eine Frage? Das ist mein Lieblingstraum! Als ich ihn nicht mehr träumte, dachte ich, ich werde wahnsinnig.«

»Verstehe. Und gefällt es dir dort, wo du lebst?«

Ich zuckte die Achseln. Damals hatte ich einige Probleme - keine Katastrophen (die gehörten endgültig der Vergangenheit an), sondern langweilige und alltägliche Misshelligkeiten. Ich war einfach glücklicher Besitzer eines total misslungenen, ruhigen und maßvollen Lebens und hatte die große Illusion, ich hätte Besseres verdient.

»Du bist ein Nachtmensch«, sagte mein Gesprächspartner. »Und du hast ein paar Schrullen, oder? Und da, wo du lebst, stören dich diese Schrullen vermutlich im Wachzustand.«

»Stören?«, rief ich aufgebracht. »Das ist das falsche Wort.«

Ich bemerkte gar nicht, dass ich diesem sympathischen älteren Mann alles erzählte, was ich auf dem Herzen hatte. Warum hätte ich mich auch zusammenreißen sollen? Schließlich war das Ganze - wie ich seit sieben Jahren wusste - nur ein Traum.

Er hörte mir teilnahmslos zu, lachte mich aber wenigstens nicht aus, wofür ich ihm bis heute dankbar bin.

»Tja, was soll ich dazu sagen?«, meinte er, als ich fertig war. »Das alles ist ziemlich schrecklich, aber ich habe dir ein tolles Angebot zu machen. Es gibt in dieser Stadt, die dir so gut gefällt, einen interessanten und gut dotierten Job für dich. Obendrein handelt es sich um Nachtarbeit, und die hast du dir ja immer gewünscht.«

Ich dachte nicht mal über sein Angebot nach, denn ich hatte noch nicht begriffen, dass die Entscheidung, die ich im Traum träfe, Auswirkungen auf meine Realität haben würde. Doch aus reiner Neugier wollte ich alle Einzelheiten erfahren. »Gut, nehmen wir mal an, Sie hätten mich angeworben. Wollen Sie mir weismachen, es gäbe in der ganzen Stadt außer mir keinen Menschen, der nachts nicht schlafen kann?«

»Ach, Leute, die an Schlaflosigkeit leiden, gibt es übergenug. Ich heiße übrigens Juffin, Sir Juffin Halli, stehe zu Diensten! Du brauchst dich nicht zu bemühen. Ich weiß, dass du Max heißt, und dein Nachname interessiert mich nicht. Du wirst staunen, aber ich weiß von dir so einiges. Zum Beispiel, dass du ein rares Talent hast, das sehr gut zu der Behörde passt, die ich leite. Bisher hattest du leider keine Gelegenheit, das Vorhandensein dieses Talents überhaupt zu bemerken.«

»Was für ein Talent haben Sie denn bei mir ausgemacht? Ich hoffe, nichts Kriminelles!«, rief ich und kicherte blöd.

»Na siehst du - du hast es selbst erraten! Bravo!«

»Meinen Sie das ernst? Sind Sie etwa ein Mafioso?«

»Ich weiß zwar nicht, was das ist, doch ich bin garantiert viel schlimmer.«

»Ein Mafioso ist der Kopf einer kriminellen Organisation. Ein Bandit reinsten Wassers. Und was sind Sie?«

»Ach, ganz das Gegenteil! Ich bin Leiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps der Stadt Echo. Streng genommen bin ich also auch ein Bandit reinsten Wassers, aber alles geschieht im Namen des Gesetzes. Und meine Behörde interessiert sich besonders für Verbrechen, bei denen Magie im Spiel ist.«

»Für welche Verbrechen interessieren Sie sich?«, fragte ich so ungläubig wie misstrauisch.

»Das hast du doch gehört - für Verbrechen, bei denen Magie im Spiel ist. Da brauchst du gar nicht die Stirn zu runzeln. Ich halte dich nicht zum Narren! Dazu bin ich jetzt ohnehin nicht aufgelegt. Pass auf: Wenn wir gut miteinander auskommen, wirst du auf all deine Fragen eine Antwort bekommen - und sogar mehr als das.«

»Gut auskommen tun wir ja schon lange miteinander.«

»Und das ist auch gut so. Ich dachte schon, ich müsste dich überreden, und hatte mir sogar Argumente zurechtgelegt.«

»Sagen Sie mir besser, was ich tun soll, wenn ich meinen Dienst bei Ihnen antrete.«

»Du sollst das Nachtantlitz des Leiters des Kleinen Geheimen Suchtrupps sein. Diese Truppe schläft allerdings bei Nacht, und darum, Max, bist du - grob gesagt - dein eigener Chef.«

»Kein schlechter Posten für einen Gastarbeiter!«

»Stimmt. Sag maclass="underline" Wenn ich jetzt ein - wie du es genannt hast - Mafioso wäre, wärst du dann auch einverstanden, bei mir anzufangen?«

»Natürlich«, antwortete ich ehrlich. »Ich kenne Ihre Lebensumstände nicht und sehe darum keinen Unterschied zwischen Verbrechern und denen, die sie jagen.«

»Das hast du sehr gut erfasst, Max. Weiter so! Die Wahrheit ist nicht so wichtig, als dass man sie verbergen müsste.«

Dieser Sir Juffin mit seinem Raubvogelgesicht und den kühlen Augen eines klugen Killers hatte ein erstaunlich weiches Lächeln. Ich war lange nicht mehr so verzaubert gewesen - weder im Traum noch in der Wirklichkeit. Ich hatte große Lust, bei diesem seltsamen Menschen zu bleiben - egal was er tatsächlich tat und welche Rolle er für mich im Sinn hatte. Vielleicht nahm ich unser Gespräch deshalb so ernst, als würde es nicht im Traum, sondern in der Realität stattfinden. Ich wollte ihm einfach glauben! Schon lange hatte ich nichts mehr so sehr gewollt.