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»Der Ehrwürdige Leiter erlaubt sich, heute erst spät in der Nacht nach Hause zu kommen. Bitte teilen Sie mir Ihre Wünsche mit, Sir«, sagte der Unbekannte feierlich. Er hatte ein faltiges Gesicht, strahlende Augen und sehr dünne Lippen und erwies sich bald als Kimpa, der Diener von Sir Juffin Halli.

Erst als Juffin Stunden später vor mir stand, wurde mir wirklich klar, dass die unbegreifliche Reise von einer bewohnten Welt in die andere tatsächlich passiert war.

So bin ich nach Echo gekommen und habe es bis jetzt nicht bereut - auch nicht an dummen Tagen wie dem heutigen.

Während ich meinen Erinnerungen nachhing, irrte das von Sir Juffin gelenkte Dienst-A-Mobil über eine halbe Stunde zwischen den wunderschönen Obstgärten des Linken Flussufers herum. Schließlich fuhren wir in eine Gasse, die mit Edelsteinen gepflastert schien. Zunächst konnte ich vor lauter Gestrüpp kein Haus erkennen. Sir Maba Kaloch ist offenbar ein Philosoph, und seine Philosophie verlangt die Verschmelzung mit der Natur - deshalb wohnt er in einem Garten ohne architektonischen Luxus, dachte ich belustigt, doch schon im nächsten Moment stieß ich mit der Nase an eine Hauswand, die fast unsichtbar war, weil der ganze Bau hinter einem dichten Pflanzenvorhang verborgen war.

»Gute Tarnung!«, rief ich begeistert.

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie recht du hast. Weißt du, Max, warum ich mich ans Steuer unseres Wagens gesetzt habe? Du wirst lachen: Ich habe schon ein paar Besuche bei Maba gemacht und sein Haus stets nur mit Glück gefunden. Es ist unmöglich, sich den Weg hierher zu merken. Es bleibt einem nur die Hoffnung, dass es nächstes Mal klappt. Maba Kaloch ist der unübertreffliche Meister der Tarnung.«

»Vor wem versteckt er sich denn?«

»Vor niemandem. Es ist nur schwierig, ihn zu entdecken. Man kann sich das nicht vornehmen - es geschieht von allein. Das ist auch so ein Aspekt der Beschäftigung mit Wirklicher Magie.«

»Wieso ist Ihr Haus eigentlich so leicht zu finden, Juffin? «

»Erstens hat jeder von uns seine Eigenheiten, und zweitens müsste ich vermutlich erst so alt werden wie Sir Maba, um auf die seltsame Idee zu kommen, mich derart zu verstecken.«

»Wollen Sie damit sagen ...«

»Ich will gar nichts sagen. Aber wenn du mich fragst: Es kommt schon mal vor, dass alte Leute zu Fanatikern der Tarnung werden. Der Orden des Erkenntnismoments existierte - lass mich kurz überlegen - etwa dreihundert Jahre. Und ich hab nie davon gehört, dass sich in der Führungsebene des Ordens etwas geändert hätte.«

»Ach.« Mehr konnte ich dazu nicht sagen.

Sir Juffin bog um die Ecke des beinahe unsichtbaren Gebäudes und landete vor einer Sperrholztür, die besser zu einem Studentenheim als zur Villa eines Großen Magisters gepasst hätte. Sie öffnete sich mit leisem Quietschen, und wir traten in einen leeren, kühlen Korridor.

Sir Maba Kaloch, der Große Magister des Ordens des Erkenntnismoments, war dafür bekannt, seine Organisation ein paar Jahre vor Beginn der Traurigen Zeit friedlich aufgelöst zu haben. Danach hatte er es fertiggebracht, sich völlig aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, ohne Echo auch nur einen Tag zu verlassen. Diese lebende Legende erwartete uns nun also im Wohnzimmer.

Sie sah ziemlich gewöhnlich aus, war zwar nicht groß, aber untersetzt, und hatte eine starke Mimik. Schön waren an diesem Mann nur die lustigen runden Augen. Wenn er jemandem ähnelte, dann unserem klugen Vogel Kurusch.

»Du hast schon lange nicht mehr vorbeigeschaut, Juffin!«

Sir Maba Kaloch sagte diesen Satz so, als habe ihm die lange Abwesenheit von Juffin Halli großes Vergnügen bereitet.

»Ich freu mich, dich zu sehen, Max«, fuhr er fort und dienerte scherzhaft vor mir. »Hättest du mir dieses Wunder doch früher vorgestellt, Juffin! Kann man ihn anfassen?«

»Probier's mal. Soweit ich weiß, beißt und kratzt er nicht. Man kann ihn sogar auf den Boden fallen lassen.«

»Auf den Boden? Tolle Sache!«

Maba Kaloch berührte mich mit dem Zeigefinger und zog die Hand schnell zurück, als hätte er Angst vor Verbrennungen. Dann nickte er mir freundlich zu, als wollte er sagen: Wir wissen doch beide, dass diese Inszenierung nur für Juffin gedacht ist. Also halt durch! Mach dem Alten die Freude! Sir Maba bediente sich nicht der Stummen Rede, doch ich hätte wetten mögen, dass er mir mit seinem Augenzwinkern genau dies hatte sagen wollen. Das konnte ja heiter werden: Nicht nur hatte er mich »Wunder« genannt - er hatte mich obendrein betastet wie ein frisches Brötchen!

»Setzt euch, Kinder«, rief Sir Maba und wies mit großer Geste auf seinen Tisch. »Bei mir findet ihr etwas Besseres als eure schwarze Brühe.«

Mit der schwarzen Brühe meinte er - wie ich vermutete - die Kamra, also das Lieblingsgetränk der Bewohner des Vereinigten Königreichs und zugleich das hiesige Äquivalent für Tee und Kaffee.

»Das ist bestimmt wieder so ein gekochtes Kraut«, sagte Juffin streitlustig. Er wurde leicht wütend, wenn man ihn an einer Schwachstelle traf.

»Jedenfalls ist es sicher etwas anderes als euer wässriger Teer. Wer hat euch überhaupt gesagt, dass der genießbar ist? Ihr habt euer Lieblingsgetränk doch nur mit ein paar Zaubersprüchen gewürzt, ihr Schlaumeier ... Nicht schmollen, Juffin! Probieren! Das ist wirklich etwas Besonderes.«

Sir Maba Kaloch hatte recht. Das hellrote Heißgetränk, das auf den Tisch gekommen war, erinnerte ein wenig an den Kachar-Balsam, den ich so vergöttere, und war mit einigen Aromen mir unbekannter Blumen gemischt.

»Endlich bekommt man in diesem Haus mal was Anständiges vorgesetzt«, bemerkte Juffin und begann langsam aufzutauen.

»So müde hab ich dich seit dem ersten Tag der Epoche des Gesetzbuchs nicht mehr gesehen«, sagte unser Gastgeber, stand auf und streckte sich knirschend. »Warum nimmst du die paar Morde nur so ernst, Juffin?

Wäre die Welt zusammengestürzt, wärst du bestimmt ruhiger gewesen - und das würde dir sicher besser bekommen.«

»Erstens macht es mich rasend, wenn ich eine Sache nach ein paar Stunden nicht völlig geklärt habe - das weißt du doch. Und zweitens hat Max eine Idee gehabt, die mir überhaupt nicht gefällt: Vielleicht haben wir ja beide die Tür zwischen den Welten offen gelassen ... Verstehst du jetzt, Maba, dass es sich nicht um einen Scherz handelt?«

»Die Tür zwischen den Welten bleibt nie lange dicht. Es ist höchste Zeit, dass du das endlich begreifst, Juffin. Du kannst also guten Gewissens sein. Einverstanden - ich steh dir zu Diensten. Aber nur unter der Bedingung, dass ihr beide noch eine Tasse von meiner neuen Errungenschaft trinkt. Ich bin nämlich sehr eitel.«

»Sündige Magister! Und ich hatte schon Angst, du hättest keine einzige menschliche Schwäche«, meinte Juffin lächelnd und wandte sich an mich. »Max, warum sitzt du wie angenagelt da? Das ist das einzige Haus in Echo, wo man sich vor niemandem genieren muss. Nimm das zur Kenntnis und genieße es.«

»Ich geniere mich doch gar nicht. Ich brauche nur etwas Zeit, um

»... dich an den Geruch zu gewöhnen?«, fragte Maba Kaloch interessiert. Seine runden Augen funkelten wie das freundlichste Röntgengerät, das mir je begegnet war.

»So ähnlich. Es dauert meist nicht lange, bis ich merke, dass ich mich schon wieder an etwas gewöhnt hab, aber manchmal

»... manchmal stellst du fest, dass du dich an etwas nicht gewöhnen kannst oder solltest, und dann versuchst du, dich davonzumachen«, beendete Sir Maba meinen Satz. »Na, das ist ja ein vielversprechender Auftakt für die Arbeit an unserem Fall. Versuch einfach, dich an den Geruch zu gewöhnen, mein Wunder. Was mich anlangt - ich hab mich schon an dich gewöhnt.«

Ich nickte und schenkte uns gehorsam eine zweite Tasse ein.

»Kannst du eigentlich prüfen, ob Max recht hat oder nicht?«, fragte Juffin und trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch.

»Natürlich kann ich das. Aber wozu? Du weißt doch selbst, dass er recht hat, Juffin. Du bist nur müde. Und das nicht nur wegen dieses Falls. Doch es ist deine Entscheidung gewesen, dein Leben mit sinnlosen Scherereien zu vertändeln.«