Выбрать главу

»Den finden Sie bestimmt - da bin ich mir sicher.«

Die Lady verschwand, wackelte dabei graziös mit den Hüften und warf uns allen einen so heißen wie affektierten Blick über die hochgezogene Schulter zu. Und der glückliche Melifaro bekam zum Abschied noch ein so strahlendes Lächeln geschenkt, dass er beinahe darunter zusammengebrochen wäre. Als die Lady das Büro endlich verlassen hatte, sah der Arme zur Decke und sagte: »Sündige Magister! Womit hab ich das verdient?! Ich bin doch noch nicht mal rothaarig.«

»Dafür kannst du dich um den Chefposten von Dirolans Boutique bewerben, falls hier was schiefgehen sollte«, meinte Juffin lächelnd und wandte sich dann an mich. »Na, Max, weißt du schon, wodurch du dich von normalen Leuten - um einen Begriff unseres heißblütigen Melifaro zu verwenden - unterscheidest?«

Schweigend zuckte ich die Achseln und trank meine kalte Kamra aus. Von normalen Leuten unterschied mich vieles - besonders jetzt. Ich hatte mir überlegen sollen, wodurch sich meine alten Landsleute von den Bewohnern von Echo unterscheiden. Die lustige Episode mit General Bubuta Boch und die ehrliche Beichte von Lady Tschedsi allerdings hatten mich abgelenkt.

»Hier bin ich«, rief Sir Kofa Joch und schenkte uns allen das ruhige Lächeln eines satten Menschen. »Ich bitte, meine Verspätung zu entschuldigen, aber mir ist etwas Lustiges passiert. Juffin, Sie haben mich an der Schwelle des Alten Dorn erreicht ... «

Erschrocken sprang ich auf, der Stuhl fiel um, und meine glücklicherweise schon geleerte Tasse zerbrach klirrend am Boden. »Was bin ich doch für ein Idiot!«, rief ich. »Wie konnte ich das bloß vergessen! Die Suppe, Melifaro! Die Rekreationssuppe! Juffin, wissen Sie noch, was damals mit mir los war? Natürlich hat er geschwankt! Und wie! Schließlich ist er mein Landsmann! Er hat die Suppe probiert. Daher die Morde!«

»So einfach ist das also!«, seufzte Juffin erleichtert. »Damit ist unsere Qual beendet. Wir dürfen aber nicht stolz auf uns sein, denn wir haben einfach nur Glück gehabt. Theoretisch hätte der Mörder noch jahrelang in Echo herumirren und sich von anderen Dingen ernähren können.«

»Was hat es eigentlich mit dir und dieser Suppe auf sich?«, fragte Melifaro verlegen. »Irgendwas begreife ich hier nicht, meine Herrschaften.«

»Max darf die Rekreationssuppe nicht essen«, erklärte Juffin. »Aber macht darüber bloß keine Witze. Sie ist Gift für ihn. Ein Teller schon hat ihn drei Tage außer Gefecht gesetzt. Ich war ganz ratlos.«

»Du Armer!«, sagte Melifaro mitfühlend. »Du bist in letzter Zeit recht gereizt. Als ob dir Lonely-Lokley im Nacken säße. Aber ohne diese Suppe zu leben, ist ein herber Verzicht!«

»Schön wär's, wenn das der schlimmste Verzicht in meinem Leben wäre«, meinte ich und zuckte die Achseln. »Mir geht's auch ohne diese Suppe ganz gut.«

»Jetzt ist mir alles klar«, meldete sich Sir Kofa unerwartet zu Wort. »Sie können Lonely-Lokley zum Alten Dorn schicken. Dort sitzt der Mörder gerade. Seinetwegen hab ich mich dort so lange aufgehalten.«

»Ich geh allein dorthin«, rief Melifaro und landete mit nur einem Sprung an der Türschwelle. »So ein Naturwunder darf man auf keinen Fall töten. Unser Schnitter des Lebensfadens kann in der Zwischenzeit ja meine Papiere ordnen - dieses Vergnügen sollte man ihm nicht länger vorenthalten.«

»Wir fahren zusammen«, sagte Juffin und erhob sich. »Ich bin nämlich auch neugierig. Max begleitet uns natürlich, um seinen Landsmann zu begrüßen. Und Sir Kofa hat auch ein Recht darauf, einen Teil der Lorbeeren zu bekommen.«

Ehrlich gesagt war ich von dieser Idee ganz und gar nicht begeistert. Ich würde gleich den Menschen sehen, der die gleiche Reise wie ich unternommen und - um mich der Redewendung von Sir Juffin zu bedienen - meine Tür zwischen den Welten benutzt hatte. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich das Treffen abgelehnt, aber mich hatte ja niemand gefragt.

Ich durfte mich ans Steuer des A-Mobils setzen, weil es ohnehin nicht weit war.

Unterwegs berichtete uns Sir Kofa kurz seine Eindrücke: »Heute Mittag um kurz nach zwölf ist im Alten Dorn ein seltsamer Typ aufgetaucht. Wie ihr alle wisst, vergöttert der Wirt Tschemparkaroke seltsame Vögel. Tschemparkaroke ist noch immer so neugierig wie an dem Tag, da er von der Insel Murimach nach Echo gekommen ist. Allerdings sagte ihm der Besucher schon an der Tür, alle Frauen seien ... Oje, jetzt hab ich's vergessen! Jedenfalls war es ein merkwürdiges Wort.«

»Schachteln«, half ich ihm flüsternd weiter. »Er hat bestimmt gesagt, alle Frauen seien Schachteln.«

»Stimmt, Max! Bist du etwa ein Hellseher?«

»Nein, aber manische Typen wie dieser Mann hängen meist an einem Wort und wiederholen es immer wieder. Er hat der rothaarigen Lady das gleiche Wort gesagt: alte Schachtel. Daher weiß ich es.«

»Und was bedeutet das?«, fragte Melifaro interessiert.

»Nichts Besonderes. Ein schrulliges, ziemlich unangenehmes Weib, könnte man vielleicht sagen.«

Als Melifaro diese Erläuterung hörte, wurde er beinahe übermütig. Ich hingegen zog es vor, mit meinen Erklärungen fortzufahren.

»Manische Männer verübeln Frauen oft etwas. Ihr Zorn kann sich auf das ganze Geschlecht richten oder nur auf Blondinen oder Pummelige oder so.«

»Lass doch die Kleinigkeiten«, murmelte Juffin. »Sir Kofa soll weitererzählen.«

»Tschemparkaroke war begeistert, ein ihm unverständliches Wort gehört zu haben, und nickte dem Fremden freundlich zu. Der fragte den Wirt, ob er ein Schmerzmittel für ihn habe, und Tschemparkaroke entschied, die beste Arznei sei ein Teller seiner vortrefflichen Suppe. Der Gast wollte zuerst nicht essen, aber der Wirt schwor bei seiner Mutter, diese Suppe sei das beste Schmerzmittel überhaupt. Also probierte der Fremde davon, und es schmeckte ihm. Und wie! Der Wirt hat gesagt, noch nie habe sich jemand so für seine Suppe begeistert. Kaum hatte der Gast aufgegessen, verschwand er. Tschemparkaroke hatte sich schon gedacht, dass er kein Geld dabeihatte und nicht wusste, dass in so einem Fall der König den Hungrigen die Zeche bezahlt. Die Zugereisten wissen das oft nicht und geraten deshalb mitunter in eine heikle Lage. Tschemparkaroke freute sich, dass seine Sammlung merkwürdiger Typen sich um einen weiteren Vertreter vergrößert hatte, und ging weiter seiner Arbeit nach. Nach einer Stunde war sein neuer Freund wieder da, blieb aber am Eingang und trat dort von einem Fuß auf den anderen. Kaum hatte Tschemparkaroke ihn gesehen, forderte er ihn auf einzutreten, denn er schulde ihm ohnehin nichts. Der Gast bekam eine zweite Portion Rekreationssuppe und murmelte, es gehe ihm schon besser. Als ich in den Alten Dorn kam, hatten sich dort schon viele Schaulustige versammelt. Der Wirt machte einen Bombenumsatz, und die Leute hatten was zu gaffen. Mit dem Ankömmling passierte etwas Merkwürdiges. Nach der zweiten Portion Suppe begann er erst zu lallen, dann zu tanzen - und zwar den seltsamsten Tanz, den ich je gesehen habe.

Vielleicht war es ja etwas Volkstümliches aus seiner Heimat. Dann schlief er ein, und ich stellte fest, dass ich mich zu lange im Wirtshaus aufgehalten hatte. Doch der Junge war sowieso nicht fähig, allein wegzugehen. Und obendrein hat Tschemparkaroke mir versprochen, ihn im Auge zu behalten. Ich dachte mir, dieser Sonderling könnte sich vielleicht als einer unserer Kunden entpuppen. Ich hab mich sogar gefragt, ob er ein Mensch ist. Doch ich alter Dummkopf hab mich nicht daran erinnert, dass Tschemparkaroke mir erzählt hat, Sie, Juffin, hätten den armen Jungen in den Alten Dorn geschleppt.*«

Mit dem armen Jungen war natürlich ich gemeint. Juffin seufzte reuig, als er an diesen Fehler dachte.

Am Eingang zum Alten Dorn verzog ich das Gesicht. Das Lokal war zwar berühmt, doch mein Körper wollte nicht wieder hierher, und mir war schon unterwegs übel geworden.

Das Gasthaus war so voll, als hätten alle Bewohner der Hauptstadt einen Sorgenfreien Tag. Kaum hatten sie uns gesehen, räumten sie langsam das Lokal. Der rothaarige Tschemparkaroke setzte eine kluge Miene auf und begann, energisch an den ohnehin sauberen Tellern herumzuschrubben.