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»Ja, aber das ist auch das Einzige, was ich dir versprechen kann. Gute Nacht, Max.«

Melamori verschwand hinter der massiven alten Haustür, und ich ging ins Haus an der Brücke, ohne zu wissen, was ich von unserem Treffen halten sollte. Einerseits schien alles mehr als verheißungsvoll zu sein, andererseits aber ... Ich zuckte die Achseln. Abwarten und Tee trinken! Ich musste auf alle Fälle Lonely-Lokley bitten, mir seine Atemübungen zu zeigen, denn in nächster Zeit würde ich übermenschliche Beherrschung brauchen.

Als ich nach ein paar Tagen schon glaubte, die Geschichte mit meinem Landsmann gehöre der Vergangenheit an, schreckte mich der Ruf von Sir Juffin viel zu früh aus dem Bett.

»Steh auf, Max«, tönte seine muntere Stimme durch mein verpenntes Bewusstsein. »Es gibt viel spannendere Sachen als den öden Schlaf, mit dem du dich jetzt schon geschlagene sechs Stunden beschäftigst. Zum Beispiel einen Besuch bei Maba Kaloch. In einer halben Stunde hol ich dich ab.«

Ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf und hörte die erschrockene Ella unzufrieden miauen, während Armstrong nicht mal mit den Ohren zuckte. Innerhalb einer Viertelstunde badete ich, zog mich an und trank eine Tasse Kamra - das war neuer Rekord! Es blieb mir also genug Zeit, mich hinzusetzen und meinen Traum zu beenden.

»Maba ist bereit, uns ein paar Fragen zu beantworten. Wir haben also Glück, Max, denn der Alte löst seine Versprechungen nur selten ein«, sagte Juffin und wirkte dabei sehr zufrieden. »Hast du schon mit Schürf geübt? Du wirst Selbstbeherrschung noch sehr nötig haben.«

»Ja, ich hab angefangen. Aber mir reicht es, wenn ich Sir Maba sehe - kein Gesicht beruhigt mich so wie seins.«

»Stimmt, Junge. Doch auch das ist eine Illusion. Ich kenne keinen Gefährlicheren als ihn - und keinen, der beruhigender wirken würde«, sagte Juffin und nickte gedankenverloren. Seine Worte frappierten mich.

Diesmal brauchten wir nicht so lange wie beim letzten Mal, um Sir Mabas Haus zu finden, und irrten kaum eine Viertelstunde am Linken Flussufer herum. Das Wohnzimmer war leer, und der Hausherr kam erst nach ein paar Minuten. Er trug ein großes Tablett, musterte aber mit Befremden, was darauf versammelt war.

»Ich wollte euch eigentlich mit etwas Ungewöhnlichem begrüßen, aber ich fürchte, es ist ungenießbar«, sagte er und ließ das Tablett fallen. Ich zuckte innerlich zusammen, weil ich schrecklichen Lärm erwartete, doch das Tablett verschwand, ehe es den Boden erreicht hatte.

»Du magst zwar keine Wiederholungen, Maba, aber wir würden uns freuen, wenn du uns noch mal das wunderbare Getränk kredenzen würdest, das wir letztes Mal getrunken haben«, sagte Juffin hoffnungsvoll.

»Von mir aus - wenn ihr solche Langweiler seid und nichts Neues ausprobieren wollt!«

Sir Maba kroch unter den Tisch und brachte von dort einen Krug und drei elegante kleine Tassen mit, die mir seltsamerweise bekannt vorkamen.

»Hast du noch immer nicht begriffen, Max? Maba schiebt dir fürsorglich deine Vergangenheit unter die Nase-, sagte Juffin und lächelte.

»Aber natürlich! Sündige Magister - diese Tassen gehören ja zum Festservice meiner Mutter. Unter uns gesagt, Sir Maba: Dieses Service hab ich immer gehasst. Und die Brötchen, die Sie uns letztes Mal spendiert haben, wurden in einem Bistro in der Nähe meiner Zeitungsredaktion verkauft. Was bin ich nur für ein Dummkopf!«

»Na ja - du bist eher unaufmerksam. Außerdem warst du damals noch nicht darauf vorbereitet, hier auf Gegenstände aus deiner ehemaligen Welt zu treffen. Und der Mensch sieht nur, was er sehen will. Merk dir das für die Zukunft.« Mit diesen Worten zog Sir Maba einen Apfelkuchen unterm Tisch hervor.

»Das ist ja der Kuchen meiner Oma!«, rief ich. »Omas berühmter Apfelkuchen! Sir Juffin, jetzt können Sie sich davon überzeugen, dass meine Heimat nicht die schlimmste aller Welten ist.«

»Nein, Max«, sagte Sir Maba und überraschte mich erneut. »Das ist nicht der Kuchen deiner Oma, sondern der ihrer Freundin, die nur irgendwann das Rezept weitergegeben hat. Ich dachte mir, das Original schmeckt bestimmt besser als die Kopie. Aber gut - wie ihr seht, habe ich euer Rätsel gelöst, Kinder. Herzlichen Glückwunsch, Max. Du hast einen Doperst erschaffen, und das gelingt Neulingen selten, sehr selten.«

»Was soll ich getan haben? Was ist überhaupt ein Doperst?«, fragte ich erschrocken. »Wie soll ich etwas erschaffen, von dem ich keine Ahnung habe?«

»So was passiert eben manchmal«, stellte Juffin fest. »Ich glaube, derjenige, der das Weltall erschaffen hat, hat auch nicht gewusst, was es bedeutet.«

»Ich halte ungern Vorträge, aber bei einem so hoffnungsvollen Neuling kann ich schon mal eine Ausnahme machen«, seufzte Sir Maba Kaloch. »Alles beginnt damit, dass auf der Welt viele unbegreifliche Wesen leben - unter anderem auch Doperste, die uns Menschen gegenüber zwar nicht besonders feindselig, aber zu verschieden von uns sind, als dass wir einander verstehen könnten. Die Doperste kommen aus dem Nirgendwo und ernähren sich von unseren Ängsten und bösen Ahnungen. Manchmal nehmen sie das Aussehen eines Menschen an und erschrecken seine Bekannten. Ich kann dir sagen, wessen Aussehen der von dir erschaffene Doperst angenommen hat. Du hast ihn nur ein einziges Mal gesehen - als kleines Kind auf der Straße. Sein Gesicht hat dich sehr erschreckt. Dann hast du ihn vergessen - bis zu dem Zeitpunkt, da du die Tür zwischen den Welten öffnen musstest. Auf diese Aufgabe warst du sehr gut vorbereitet und hast weder Zeit noch Kraft mit unnützen Zweifeln verloren. Ich glaube, ihr beide habt wirklich den allerbesten Moment gewählt, Juffin. Meinen Glückwunsch - das muss man erst mal schaffen! Allerdings, Max, hast du nicht nur die Tür geöffnet, sondern auch das schreckliche Wesen mitgebracht. Du hast etwas gegen deine Ängste gebraucht und immer gedacht, das Unbekannte müsse auch seltsam sein. Und weil Juffin keine Alpträume für dich vorbereitet hatte, hast du die Lücke eigenständig, aber unbewusst gefüllt. Ich könnte dir das ausführlicher erklären, aber du wirst davon sowieso nichts verstehen. Glaub mir das, und sei bitte nicht sauer. Und dir, Juffin, erscheine ich demnächst im Traum und erkläre dir alles. Vielleicht schon heute Nacht. Das ist wirklich interessant. Max, bis zu diesem Zeitpunkt hat übrigens niemand gewusst, woher Doperste wirklich kommen. Wir haben also mit deiner Hilfe schon wieder ein Rätsel gelöst: Sie sind nur das Produkt der Furcht vor dem Unbekannten.«

Offen gesagt verstand ich von diesen Erklärungen kein Wort. Dafür erinnerte ich mich aber an etwas.

»Und was ist mit dem Hirngespinst, das im Cholomi- Gefängnis gelebt und Lonely-Lokley als Doperst bezeichnet hat? Ist unser Schürf etwa auch so einer?«

Sir Maba Kaloch kicherte.

»Nimm das Gerede von Machligl Annoch doch nicht so ernst! Doperst ist sein Lieblingsschimpfwort. So bezeichnet er ausnahmslos alle Agenten fremder Orden. Und soweit ich weiß, war auch Lonely-Lokley seinerzeit Mitglied in einer solchen Organisation - in welcher eigentlich, Juffin?«

»Im Orden der Löchrigen Tasse.«

»Genau! Er war doch der verrückte Fischer. Der hat damals wirklich viel Unheil gestiftet.«

»Sir Lonely-Lokley? Unheil!?«, fragte ich erstaunt.

»Warum wundert dich das, Max? Menschen ändern sich. Schau doch dich an! Wo ist der unglückliche Junge geblieben, der gezittert hat, wenn er die Absätze seiner Chefin klappern hörte?«, meinte Sir Maba.

»Sie haben recht.«

»Übrigens hab ich gesehen, wie ihr zwei das Hirngespinst fertiggemacht habt. Euer Wasserfall hat mich begeistert! Das war die beste Show seit Anfang der trostlosen Epoche des Gesetzbuchs.«

»Haben Sie das wirklich gesehen?«, fragte ich und war übers Staunen hinaus.

»Aber natürlich. Es ist mein Hobby, die Aufgaben ehemaliger Kollegen zu verfolgen. Da konnte ich mir dieses Vergnügen doch nicht entgehen lassen. Aber mach dir keine Illusionen, mein Junge - ich mische mich nie ein. Ich beobachte nur. Für Interventionen ist Sir Juffin zuständig. Und wir haben vielfach grundverschiedene Ansichten.«