Выбрать главу

Falls er Basketballtrainer gewesen wäre, dachte ich, hätte er sicher versucht, Sir Olli in seine Mannschaft zu bekommen.

»Die Waschschüssel ist mir mitten im Gesicht gelandet und hat mir die Braue auf geschlitzt. Das hat ziemlich geblutet. Und ich Trottel hab noch versucht, ihr auszuweichen! Mit voller Wucht bin ich mit dem Kopf gegen den Spiegel geschlagen. Zum Glück ist das Ding nicht kaputtgegangen. Gute, alte Wertarbeit! Ich war nass und mein Gesicht blutverschmiert. Auch auf dem Spiegel war Blut. Sir Olli hat im ersten Moment befürchtet, er habe mich umgebracht. Ich habe mir das Blut abgewischt und mich im Spiegel betrachtet. Es war nichts Ernstes - ich hatte nur einen daumendicken Kratzer. Nicht mal eine Narbe ist davon geblieben! Über den Alten wollte ich mich nicht beschweren. Es wäre doch eine Sünde gewesen, ihm all das übelzunehmen. Er hatte keinen Funken mehr und war fast tot. Und ich bin gesund und kann ein wenig leiden.«

»Na gut, mein Freund. Nimm's nicht so schwer - du hast alles richtig gemacht!«

Maddi war entlassen und ging Träume beobachten. Einfache, unschuldige Träume - davon war ich überzeugt. Sir Juffin schaute Gowins fragend an.

»Ich denke, die Frauen tauchen gleich auf«, sagte der Haushofmeister. »Und zwar vollzählig, wie ich hoffe ... Manche von ihnen haben allerdings einen genauso unruhigen Beruf wie wir. Vielleicht möchten Sie bis dahin mit mir vorliebnehmen, da der arme Nattis vor meinen Augen gestorben ist.«

»Das ist ja eine Neuigkeit! Wie ist das passiert?«

»Ich erzähle Ihnen alles der Reihe nach. Der Junge ist mein Schützling gewesen. Wissen Sie, Nattis hat hier nicht als Hausdiener gearbeitet. Ich meine - nicht als üblicher Diener. Vor zwei Jahren hat er seine Heimatstadt Gazin verlassen und ist mit einem Brief seines Großvaters, eines alten Freundes von mir, hierhergekommen. Der Alte hat mir geschrieben, sein Enkel habe keine Eltern mehr und nichts Besonderes gelernt, sondern könne nur, was man in Gazin so könne. Aber er war gescheit - dessen habe ich mich vergewissert. Mein Freund hat mich gebeten, seinen Enkel irgendwo unterzubringen. Sir Makluk hat ihm versprochen, ihm die besten Referenzen zu geben, und versucht, ihm eine gute Stelle bei jemandem zu vermitteln, der am Königshof tätig ist. Das nämlich hätte seine Chancen verbessert, selbst irgendwann an den Hof zu gehen ... Bis dahin habe ich ihm alles Mögliche beigebracht und ihn mehrmals gelobt - glauben Sie mir. Irgendwann haben wir ihm einen Sorgenfreien Tag gegeben. An diesem Tag ist er nicht - wie an seinen übrigen freien Tagen - spazieren gegangen, sondern zu Hause geblieben und hat gar nichts getan, den Tag also wie ein echter Gentleman verbracht.«

Hier konnte ich ein neidisches Seufzen nicht unterdrücken. Gowins deutete es auf seine Art, nickte traurig und fuhr fort: »Wenn jemand es wirklich nach oben schaffen will, muss er nicht nur arbeiten, sondern auch befehlen können. An solchen Tagen ist Nattis aufgestanden, hat nach einem Diener gerufen und sich gewaschen und hergerichtet. Dann hat er sich wie ein Gentleman angezogen, wie ein Gentleman gespeist und Zeitung gelesen. Danach ist er am Rechten Flussufer spazieren gefahren und hat sich auch dort bemüht, wie ein junger Gentleman aus der Hauptstadt zu wirken, nicht wie ein Provinzler aus Gazin. An solchen Tagen durfte er das leere Schlafzimmer von Sir Olli benutzen (der Arme war gerade gestorben, als Nattis seine Lehre bei uns begann). Abends schlief der Junge dann im Sterbezimmer von Sir Olli ein, und wenn er morgens erwachte, rief er nach einem Diener - also nach mir! Dieses ganze Theater war nötig, um mögliche Verstöße gegen seine Gentleman-Rolle zu erkennen und zu vermeiden. An solchen Tagen waren wir unzertrennlich, und das war so notwendig wie angenehm. An seinem Todestag bin ich - wie üblich - gekommen, kaum dass er mich gerufen hat, und habe ihm Wasser zum Waschen gebracht, natürlich nur pro forma, denn das Bad befindet sich neben dem Schlafzimmer. Aber ein zukünftiger Gentleman beginnt seinen Tag stets, indem er sich Gesicht und Hände in einer Schüssel mit warmem Wasser wäscht.«

An dieser Stelle der Erzählung wurde ich traurig. Ein Gentleman würde ich, wie zu vermuten stand, nie werden. Und auch Sir Juffin würde das wohl nicht schaffen. Unterdessen setzte der penible Herr Gowins seine Geschichte fort.

»Nattis hat sich gewaschen und ist dann ins Bad gegangen, um sich zu rasieren. Aber sofort ist dem Armen klar geworden, dass er mal wieder einen Fauxpas begangen hatte. Ich habe ihn wegen dieser Gewohnheit immer heruntergeputzt und gesagt: «Wenn du niemand bist, rasier dich, wo du willst. Wenn du aber ein Gentleman bist, tu es gefälligst vor dem schönsten Spiegel.« Meine Bemerkung ist nicht umsonst gewesen: Der Bursche ist wieder ins Schlafzimmer gekommen und hat nach dem Rasierzeug gefragt. Sehr, sehr leise. So leise, dass ich getan habe, als hätte ich es nicht gehört. Dann hat er die richtige Körperhaltung angenommen und mit den Augen geblitzt, und ich bin schnell mit Rasierzeug und Handtuch zu ihm gekommen. Und dann ... Wie es hat passieren können, weiß ich nicht. Dass ein junger, gesunder Mann sich die Kehle einfach mit dem Rasiermesser durchtrennt! Ich war ein paar Schritte entfernt stehen geblieben, wie es sich gehört, und alles ging so schnell, dass ich nichts unternehmen konnte. Ich habe wohl nicht gleich begriffen, was da geschah ... Was dann passiert ist, wissen Sie so gut wie ich, wenn Sie sich schon mit diesem Fall beschäftigt haben.«

»Du bist ein hervorragender Erzähler, Gowins«, nickte Juffin zustimmend. »Ich habe deine Geschichte mit größtem Vergnügen gehört. Damals hatte ich leider viel zu tun, und meine Zeit reichte nur dafür, die Akten über Nattis' Selbstmord aus der Behörde des Generals Bubuta Boch zu holen, dessen Mitarbeiter durch ihre Ermittlungen hier so gestört haben. Besonders dich, wie ich gerade merke. Leider hatte ich bisher keine Zeit, all das zu untersuchen ...«

Die Tür öffnete sich, und eine frische Portion Kamra wurde gebracht. Gowins räusperte sich und ergriff wieder das Wort.

»Mehr kann ich dazu nicht sagen. Natürlich hat Sir Makluk über die hiesigen Ereignisse im Polizeirevier an der Brücke Auskunft gegeben. Der Fall war unproblematisch. Darum hat man alles an die Ordnungshüter von General Boch weitergeleitet, die das ganze Haus auf den Kopf gestellt haben.«

»Weißt du vielleicht, Gowins, ob die Polizisten das Zimmer auf den Grad der vorhandenen Magie untersucht haben?«

»Daran haben sie nicht gedacht. Sie haben den Fall schnell für gelöst erklärt: Der Bursche soll betrunken gewesen sein. Als sich aber herausstellte, dass Nattis in seinem kurzen Leben nie betrunken war, haben die Ermittler rasch eine zweite Erklärung aus dem Hut gezaubert: Ich sollte den Jungen umgebracht haben! Dann sind sie einfach verschwunden. Wie ich inzwischen begreife, Ehrwürdiger Leiter, habe ich das Ihnen zu verdanken.«

»Das ist typisch für General Bubutas Leute«, meinte Juffin und fasste sich an den Kopf. »Sündige Magister!«

Dazu schwieg unser Gesprächspartner diskret.

In diesem Moment trafen drei der Heilerinnen ein. Wie wir erfuhren, hatten sechs weitere Bereitschaftsdienst. Zwei Heilerinnen waren nicht aufzutreiben gewesen, und die letzte weigerte sich partout, wie der Bote erzählte, ins »schwarze Haus« zu kommen.

Die Arme hat einen Vogel, dachte ich ein wenig herablassend.

Juffin überlegte kurz, befahl dann alle drei Frauen auf einmal herein und gab mir per Stummer Rede dafür eine Erklärung. »Wenn man Frauen vernehmen muss, lässt man sie am besten zusammen. Jede versucht dann, die anderen zu überbieten, und sagt sicher mehr, als sie eigentlich wollte. Das einzige Problem ist, bei dem Lärm nicht verrückt zu werden.«

Also kamen die Ladys herein und nahmen Platz. Die Älteste hieß Mallis, die zwei anderen, die auch nicht viel jünger waren, Tisa und Retani. Dazu kam noch ich gerannt. Ich war zum ersten Mal in Gesellschaft hiesiger Frauen, wobei die Jüngste nach meinem Eindruck gerade den 300. Geburtstag hinter sich hatte.