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»Es ist fertig«, sagte sie feierlich. Ich wartete darauf, dass sie mehr sagte, und als nichts kam, fragte ich: »Nämlich?« »Mein Manuskript«, sagte sie. »Morgen schicke ich es einem Agenten.« Ich nahm es ehrfürchtig und hielt es auf beiden flachen Händen. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und fügte, als ich merkte, dass es ziemlich leicht war, hinzu: »Ist das das ganze?« Sie nickte. »Es ist eher eine Novelle als ein Roman«, sagte sie. »Es lässt Raum für das Echo der Gedanken.« Ich drehte es um und betrachtete die Beschaffenheit des Päckchens: das Klebeband, mit dem es versiegelt war, die Delle in einer Ecke. »Bist du aufgeregt?«, fragte ich sie. »Weniger aufgeregt als verunsichert«, sagte sie. »Es ist, als wäre ich eine Auster. Ich hatte lange so ein spitzes Körnchen in mir, und ich habe versucht, es angenehmer zu machen, also habe ich es ganz allmählich in eine Perle verwandelt. Aber jetzt wird sie mir entnommen, und dabei merke ich, dass sie eine Lücke hinterlässt, weißt du, eine Delle in meinem Bauch, wo sie mal gesessen hat. Und deshalb möchte ich irgendwie noch ein bisschen länger daran festhalten.« »Warum tust du’s dann nicht?«, fragte ich und gab es ihr zurück. »Das habe ich schon«, sagte sie und lächelte wieder. »Es hat schon in diesem Umschlag gelegen, als wir in Griechenland waren.«

Ich fühlte mich geehrt und freute mich, dass sie mir das so anvertraute. Ich schaute ihr in die Augen, und zum ersten Mal fiel mir auf, dass dahinter etwas gebrochen war, wie ein feiner Riss in einem Diamanten, der erst sichtbar wird, wenn man ihn durch ein Vergrößerungsglas sieht, normalerweise aber von der Leuchtkraft des Steins überdeckt wird. Ich wollte wissen, was es war, was sie veranlasst hatte, die Perle zu schaffen, von der sie gesprochen hatte. Doch ich dachte, es sei anmaßend, sie danach zu fragen; bei derlei Dingen weiß jemand ganz genau, wann und wem gegenüber er etwas preisgeben will. Also versuchte ich, meinen Wunsch, sie zu verstehen, allein durch meine Miene auszudrücken, und sagte nichts weiter.

Als wir ihr Zimmer verließen, fiel mir eine Zeichnung an der Wand auf. Sie zeigte eine Tropeninsel mit einer Landebahn und einem steilen Vulkan unter einem Sturmhimmel; in den Krater des Vulkans schmiegte sich ein See mit einer weiteren, kleineren Insel darin – eine Insel auf einer Insel –, wunderbar geschützt und ruhig. »Was ist das?«, fragte ich. »Das hat Chris gemacht«, antwortete sie, »als wir acht oder neun waren. Einer seiner Tim-und-Struppi-Comics hat ihn dazu angeregt, Flug 714 nach Sydney.« »Das ist schön«, sagte ich. Sie nickte. »Ja«, sagte sie. »Seine Mutter hat es mir geschenkt, als sie seine Sachen ausräumte.« Ich betrachtete es noch ein wenig, fasziniert von der feinen Pinselführung. Mit seiner Detailgenauigkeit – wenn auch natürlich nicht seinem Stil oder Thema – erinnerte es mich an unsere Miniaturmalereien, wie man sie fände, wenn man sich hier um die Ecke ins Lahore Museum oder in die Staatliche Kunstakademie wagte.

Erica führte mich hinaus auf ihre Dachterrasse – ein privater Adlerhorst mit einem spektakulären Blick über Manhattan – und stellte mich ihren Eltern vor. Ihre Mutter saß an einer Tischtennisplatte, die mit vier Sets in den Ort unseres Abendessens verwandelt worden war; sie nahm meine Hand, sagte hallo und dann, noch immer meine Hand festhaltend, wohlwollend zu Erica: »Sehr nett.« »Benimm dich, Mom«, entgegnete Erica. Ihr Vater stand an einem Grill und legte Hamburger auf die Teller; seine Haltung machte deutlich, dass er ein bedeutender Mann in der Geschäftswelt war. Als wir uns zum Essen setzten, hob er eine Flasche Rotwein und sagte zu mir: »Trinken Sie?« »Er ist zweiundzwanzig«, sagte Ericas Mutter an meiner statt in einem Ton, als wollte sie sagen: Also trinkt er natürlich auch. »Einmal hat ein Pakistani für mich gearbeitet«, sagte Ericas Vater. »Der hat nie getrunken.« »Ich schon, Sir«, versicherte ich ihm. »Vielen Dank.«

Das scheint Sie zu verblüffen – und nicht zum ersten Mal. Vielleicht interpretieren Sie meinen Bart ganz falsch, den ich, das sollte ich wohl klarstellen, noch nicht hatte, als ich nach New York kam. Tatsächlich trinken viele Pakistani; das Alkoholverbot in unserem Land hat ungefähr die gleiche Wirkung wie das von Marihuana in Ihrem. Auch sind nicht alle unsere Trinker westlich gebildete Städter wie ich; unsere Zeitungen bringen regelmäßig Berichte über Dorfbewohner, die nach dem Verzehr von schlechtem Selbstgebranntem Zeug gestorben oder blind geworden sind. Ja, in unserer Lyrik und unseren Volksliedern nimmt der Rausch immer wieder die Rolle des Begünstigers von Liebe und spiritueller Aufklärung ein. Wie? Ob das keine Sünde ist? Doch, selbstverständlich – ebenso wie seines Nächsten Weibes zu begehren. Ich sehe, Sie lächeln; wir verstehen uns also.

Aber ich schweife ab. Ich wollte Ihnen von meinem ersten Essen mit Ericas Familie erzählen. Es war ein warmer Abend wie heute – der Sommer in New York ist wie der Frühling hier in Lahore. Eine Brise wehte, ebenfalls wie jetzt, und es lag der Duft gerösteten Fleischs darin, ganz ähnlich dem, der uns aus den vielen Straßenrestaurants hier auf dem Markt entgegenweht, die mit ihren Vorbereitungen fürs Abendessen beginnen. Der Rahmen war großartig, der Wein köstlich, die Burger saftig und unsere Unterhaltung zumeist recht angenehm. Erica wirkte glücklich darüber, dass ich da war, und ihre Heiterkeit steckte mich an.

Allerdings erinnere ich mich, dass ich mich einmal in der Unterhaltung ärgerte. Ericas Vater hatte mich gefragt, wie die Lage zu Hause sei, und ich hatte geantwortet, danke, ganz gut, worauf er fragte: »Aber die Wirtschaft bricht doch zusammen, nicht? Korruption, Diktatur, die Reichen leben wie die Fürsten, und alle anderen leiden. Anständige Leute, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag Pakistani. Aber die Elite hat das Land doch von vorn bis hinten ausgeplündert, oder? Und der Fundamentalismus. Mit dem habt ihr doch ernste Probleme.«

Ich merkte, wie ich innerlich rebellierte. Was er gesagt hatte, war eigentlich nicht zu beanstanden, und es war ja auch eine durchaus kenntnisreiche Zusammenfassung, ganz wie die Kurznachrichten auf der Titelseite des Wall Street Journal, das ich kurz davor zu lesen begonnen hatte. Aber sein Ton – dieser, verzeihen Sie bitte, typisch amerikanische herablassende Unterton – berührte mich unangenehm, und nur aus Höflichkeit beschränkte ich meine Antwort auf: »Ja, es gibt Herausforderungen, Sir, aber meine Familie ist dort, und ich kann Ihnen versichern, dass es so schlimm nicht ist.«

Zum Glück verlief das Essen ohne weitere Zwischenfälle. Anschließend fuhren Erica und ich mit dem Taxi nach Chelsea, wo eine Freundin, die Tochter des Inhabers einer Galerie für zeitgenössische Kunst, sie zur Eröffnungsparty einer Vernissage eingeladen hatte. Ich hörte den Fahrer an seinem Handy auf Punjabi schwatzen und wusste daher, dass er Pakistani war. Normalerweise hätte ich ihn begrüßt, aber an dem Abend tat ich es nicht. Erica beobachtete mich mit beträchtlicher Neugier; schließlich meinte sie: »Hoffentlich bist du nicht mehr sauer über das, was mein Dad gesagt hat.« »Sauer?«, antwortete ich. »Natürlich nicht. Nicht im Mindesten.« Sie lachte. »Du bist ein miserabler Lügner«, sagte sie. »Du bist empfindlich in Bezug auf deine Herkunft. Das sieht man dir sofort an.« »Dann entschuldige ich mich dafür«, sagte ich. »Ich hatte nicht das Recht, unhöflich zu sein.« »Du bist nie unhöflich«, sagte sie lächelnd, »und ich finde es gut, wenn man manchmal empfindlich ist. Das bedeutet, dass einem etwas wichtig ist.«

Wir stiegen in der West 24th Street aus. Ich bestand darauf, das Taxi zu bezahlen, dann führte Erica mich an der Hand in ein wenig eindrucksvolles Gebäude, einen heruntergekommenen postindustriellen Klotz. Beim Eintreten hörte ich Musik, die lauter wurde, je höher wir die Treppe hinaufkamen, bis wir schließlich eine Feuertür aufstießen und in Lärm eintauchten. Die Galerie war ein riesiger Raum, weiß, mit klaren Linien und minimalistischer Ausstattung; auf den leeren Köpfen von Schaufensterpuppen leuchteten Videoprojektionen von Gesichtern. Ich erkannte, dass ich in eine Insiderwelt eingeführt wurde – das schicke Herz der Stadt –, zu der ich sonst keinen Zugang gehabt hätte. Wir kamen an Models vorbei, an alten, gebräunten Männern, Künstlern in schrillen Outfits; ich war froh, dass ich meine Kurta angezogen hatte.