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Während meines Aufenthalts in Manila – ich traf Ende Juli dort ein und reiste Mitte September wieder ab – bestanden meine Kontakte zu Freunden und Familie hauptsächlich aus wöchentlichen Anrufen in Lahore und Mail-Korrespondenz mit Erica in New York. Wegen der Zeitverschiebung waren die Sachen, die sie morgens schrieb, bei mir abends in der Mailbox, und ich freute mich immer darauf, sie vor dem Zubettgehen zu lesen und zu beantworten. Ihre Mails waren ausnahmslos knapp; nie schrieb sie mehr als ein, zwei Absätze. Dennoch schaffte sie es, mit wenigen Worten eine Menge zu sagen. Eine Nachricht hatte ungefähr Folgendes zum Inhalt: »C. – Ich bin in den Hamptons. Heute haben mehrere von uns am Strand abgehangen, und ich habe allein einen Spaziergang gemacht. Ich bin auf einen Tümpel zwischen den Klippen gestoßen. Magst du solche Tümpel? Ich liebe sie. Sie sind wie kleine Welten. Vollkommen, eigenständig, transparent. Sie sehen aus, als wären sie in der Zeit stehen geblieben. Dann kommt die Flut, und eine Welle kracht herein, und sie fangen wieder von vorn an, mit neuen Fischen, die zurückgelassen worden sind. Na ja, als ich dann wieder bei den anderen ankam, fragten mich alle, wo ich denn gewesen sei, und da merkte ich, dass ich den ganzen Nachmittag dort verbracht hatte. Es war irgendwie unwirklich. Musste dabei an dich denken. – E.«

Solche Nachrichten genügten, um mich für Tage aufzuheitern. Vielleicht finden Sie das ja übertrieben. Aber Sie müssen wissen, dass in Lahore, wenigstens als ich in die höhere Schule ging – heute sind die jungen Leute hier wie überall sonst vermutlich freier –, Beziehungen häufig nur über flüchtige Telefonate liefen, über Nachrichten durch Freunde und Versprechungen von Treffen, die nie Wirklichkeit wurden. Viele Eltern waren streng, und manchmal vergingen Wochen, ohne dass wir die, die wir als unsere Freundinnen betrachteten, sehen konnten. Und so lernten wir, die Verweigerung von Befriedigung zu genießen: die unamerikanischste aller Freuden! Ich jedenfalls kam mit solchen Mails, wie ich sie gerade beschrieben habe, ganz gut zurecht.

Dennoch wollte ich Erica natürlich unbedingt wiedersehen und war daher bester Stimmung, als unser Projekt sich dem Ende näherte. Jim war hergeflogen, um sich von unseren Endergebnissen persönlich zu überzeugen; wir setzten uns bei einem Glas zusammen. »Na, Changez«, sagte er, unser feines Hotel, das Makati Shangri-La, mit einer schweifenden Hand erfassend, »schon gewöhnt an das Ganze hier?« »Durchaus, Sir«, entgegnete ich. »Alle berichten nur Gutes über Sie«, sagte er und machte eine Pause, um meine Reaktion abzuwarten; als ich lächelte, fuhr er fort: »Außer dass Sie zu hart arbeiten. Sie wollen doch nicht jetzt schon einen Burn-out.« »Ich darf Ihnen versichern«, sagte ich, »dass ich mehr als genug Ruhe bekomme.« Er hob eine Augenbraue und lachte auf. »Ich mag Sie, wissen Sie das?«, sagte er. »Wirklich. Und das ist kein Quatsch, kein Sag-ihm-was-Nettes-damit-der-Junge-Auftrieb-kriegt-Zeug. Sie sind ein Hai. Und wenn ich das sage, ist es ein Kompliment. So haben sie auch mich genannt, als ich anfing. Und ich war ein cooler Hund. Ich habe mir nie anmerken lassen, dass ich das Gefühl hatte, nicht in diese Welt zu gehören. Genau wie Sie.«

Es war nicht das erste Mal, dass Jim so mit mir redete; ich war mir immer unsicher, wie ich darauf reagieren sollte. Ein Geständnis, das sein Publikum mit einschließt, ist, wie wir beim Kricket sagen, immer ein höllisch schwer zu spielender Ball. Bestreitet man es, kränkt man den Gestehenden, akzeptiert man es, räumt man die eigene Schuld ein. Also sagte ich ziemlich vorsichtig: »Warum haben Sie nicht dazugehört?« Er lächelte – wieder so, als durchschaute er mich mühelos – und antwortete: »Weil ich auf der schlechten Seite aufgewachsen bin. Mein halbes Leben habe ich vor dem Süßigkeitenladen gestanden und hineingeschaut. Und in Amerika hat man, egal, wie arm man ist, durch das Fernsehen einen guten Blick darauf. Aber ich war bettelarm. Mein Vater starb an Brand. Mir entgeht also die Ironie keineswegs, die im Kauf einer Flasche fermentierten Traubensafts für hundert Eier liegt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Ich dachte darüber nach. Wie ich Ihnen schon sagte, bin ich nicht in Armut groß geworden. Allerdings mit der Sehnsucht des armen Jungen, in meinem Fall nicht danach, was meine Familie nie gehabt hatte, sondern was sie gehabt und verloren hatte. Einige meiner Verwandten klammerten sich an fantasierte Erinnerungen wie Obdachlose an ein Lotterielos. Ihr Crack war Nostalgie, wenn Sie so wollen, und meine Kindheit war übersät von den Folgen ihrer Sucht: Schulden, die sie nicht begleichen konnten, Erbstreitereien, hier ein Alkoholiker, da ein Selbstmord.

Darin waren Jim und ich uns tatsächlich ähnlich: Er war außerhalb des Süßigkeitenladens aufgewachsen, ich auf seiner Schwelle, als gerade die Tür geschlossen wurde.

Andere aus dem Team gesellten sich zu uns an die Bar, doch Jim saß, den Arm auf meiner Hockerlehne, in einer Weise da, dass ich das Gefühl hatte, er habe mich buchstäblich unter seine Fittiche genommen. Es war ein gutes Gefühl, und es wurde noch besser, als ich sah, wie das Hotelpersonal auf ihn reagierte; sie hatten Jim als vermögenden Mann identifiziert, und die freundlichen Blicke und die Aufmerksamkeit, die er erhielt, waren ziemlich beeindruckend. Ich war der einzige Nicht-Amerikaner der Gruppe, doch ich vermutete, dass mein Pakistanisein unsichtbar war, verdeckt von meinem Anzug, meinem Spesenkonto und – vor allem – meinen Begleitern.

Und dennoch ... Nein, ich sollte hier einmal innehalten, denn vermutlich werden Sie das, was ich als Nächstes sagen möchte, eher schwer verdaulich finden, und ich möchte Sie warnen, bevor ich fortfahre. Außerdem ist meine Kehle ausgedörrt; die Brise hat sich anscheinend völlig gelegt, und es ist, obwohl es schon dunkel ist, noch immer ziemlich warm. Möchten Sie noch eine Limonade? Nein? Sie sind neugierig, sagen Sie, und möchten, dass ich fortfahre? Nun gut. Ich gebe nur schnell unserem Kellner ein Zeichen, dass er mir noch eine Flasche bringt; da, schon geschehen. Er kommt, und wie er sich beeilt; man könnte meinen, wir wären seine einzigen Kunden! Ah, köstlich: genau das habe ich jetzt gebraucht.

Der folgende Abend sollte unser letzter in Manila sein. Ich war in meinem Zimmer und packte meine Sachen. Ich schaltete den Fernseher an und hielt das, was ich da sah, erst für einen Film. Doch als ich weiterschaute, wurde mir klar, dass es keine Filmszenen waren, sondern die Nachrichten. Ich sah mit an, wie einer – und danach der andere – der Zwillingstürme des World Trade Center in New York einstürzte. Und dann lächelte ich. Ja, so abscheulich es auch klingen mag, meine erste Reaktion war eine bemerkenswerte Freude.

Ihre Abscheu ist nicht zu übersehen; ja, Ihre große Hand hat sich, vielleicht haben Sie das gar nicht gemerkt, zur Faust geballt. Aber bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich kein Soziopath bin; das Leid anderer ist mir nicht gleichgültig. Wenn ich höre, dass bei einem Bekannten eine schwere Krankheit diagnostiziert worden ist, empfinde ich – fast durchweg – einen empathischen Schmerz, ein Stechen in den Nieren, so stark, dass ich scharf die Luft einziehe. Bittet man mich um eine Spende für die Wohlfahrt, komme ich ihr nach, wenigstens soweit es meine bescheidenen Mittel zulassen. Wenn ich Ihnen also sage, dass ich mich über den Mord an Tausenden Unschuldiger freute, dann bin ich dabei selbst tief verblüfft.

Aber in dem Augenblick waren meine Gedanken nicht bei den Opfern des Angriffs – der Tod im Fernsehen bewegt mich immer dann am meisten, wenn er fiktiv ist und Figuren ereilt, mit denen ich über mehrere Episoden hinweg eine Beziehung aufgebaut habe –, nein, mich ergriff die Symbolkraft dessen, die Tatsache, dass jemand Amerika so sichtbar in die Knie gezwungen hatte. Ah, ich sehe, ich verstärke Ihr Missfallen nur noch. Das verstehe ich natürlich; es ist abscheulich, wenn ein Fremder über das Unglück des eigenen Landes Schadenfreude empfindet. Aber auch Sie können von solchen Empfindungen doch nicht vollkommen frei sein. Empfinden Sie keine Freude angesichts der Videoclips, die heute so weit verbreitet sind und in denen amerikanische Geschosse die Gebäude Ihrer Feinde in Schutt und Asche legen?