Der Leiter des Verlages war ein alter Mann namens Juan-Bautista, der filterlose Zigaretten rauchte und eine Brille trug, deren Gläser dick genug waren, um an einem sonnigen Tag Löcher in Papier zu brennen. Er erinnerte mich an meinen Großvater mütterlicherseits; ich mochte ihn sofort. »Was wissen Sie über Bücher?«, fragte er uns. »Ich bin auf die Medienindustrie spezialisiert«, antwortete Jim, »ich habe im Laufe von zwanzig Jahren ein Dutzend Verlage bewertet.« »Das ist Finanzkram«, entgegnete Juan-Bautista. »Ich habe gefragt, was Sie über Bücher wissen.« »Der Onkel meines Vaters war Dichter«, hörte ich mich sagen. »Er war im ganzen Punjab bekannt. In meiner Familie werden Bücher geliebt.« Juan-Bautista sah mich an, als sei er sich dieses Jungspunds vor ihm gerade eben erst bewusst geworden; für den Rest der Besprechung hielt ich den Mund.
Jim erklärte uns hinterher, dass Juan-Bautista über unsere Anwesenheit nicht eben erfreut sei. Obwohl er den Verlag viele Jahre lang geleitet habe, sei er nicht der Besitzer; die Besitzer wollten ihn verkaufen, und der voraussichtliche Käufer – unser Klient – hatte wohl nicht vor, die Sparte, die rote Zahlen schrieb, mit den Einkünften der profitablen Schul- und Fachbuchzweige zu subventionieren. Die Sparte mit ihrem Stall literarischer Autoren – als wirtschaftlich praktisch nicht lebensfähig definiert – war für den Rest des Unternehmens eine Belastung; unsere Aufgabe war es, den Wert des Vermögens herauszufinden, wenn diese Erfolgsbremse aufgegeben würde.
Wir richteten uns in einem hübschen, wenngleich altertümlichen, regalgesäumten Konferenzraum mit einem großen ovalen Tisch ein. Bei kräftigem Wind klapperten vor unseren Fenstern die Läden gegen die Riegel. Nachmittags war es heiß – wir waren in den südlichen Sommer gekommen –, aber manchmal war es morgens neblig und kühl, und dann war ich froh, dass mein Anzug aus Wolle war. Nach zwei Tagen flog Jim zurück und sagte in meinem Beisein noch zu dem Vizepräsidenten, er könne eindrucksvolle Dinge von mir erwarten. Aber obwohl mein Laptop aufgeklappt war, meine Internetverbindung stand, Füller und Notizbuch bereitlagen, sah ich mich außerstande, mich auf unsere Arbeit zu konzentrieren.
Stattdessen las ich neue Websites, die mir mitteilten, dass Pakistan und Indien mit ihren jeweiligen Raketengeschossen einen Probewettstreit veranstalteten und ein Strom ausländischer Würdenträger in die Hauptstädte beider Länder reiste, um Delhi zu mahnen, von seiner Kriegsrhetorik Abstand zu nehmen, und Islamabad zu Konzessionen zu drängen, die einen Rückzug von der Schwelle zur Katastrophe ermöglichten. Ich fragte mich, Sir, welche Rolle Ihr Land in alldem spielte: Da in Pakistan zur Durchführung des afghanischen Feldzugs schon amerikanische Basen eingerichtet waren, brauchte Amerika Indien doch sicher nur mitzuteilen, dass ein Angriff auf Pakistan als Angriff auf einen amerikanischen Verbündeten angesehen und mit der geballten Macht des amerikanischen Militärs beantwortet werden würde. Doch Ihr Land tat nichts dergleichen, vielmehr wahrte Amerika strikte Neutralität zwischen den beiden potenziellen Kombattanten, eine Haltung, die natürlich den größeren und – zu dem Zeitpunkt in der Geschichte – aggressiveren begünstigte.
Solche Gedanken beschäftigten mich, wo ich doch Daten sammeln und mein Finanzmodell hätte erstellen sollen. Zudem erwies sich Valparaiso selbst als Ablenkung: Die Stadt hatte eine ungeheure Atmosphäre, über ihren Boulevards und Hügeln lag eine gewisse Melancholie. Ich las online über ihre Geschichte und entdeckte, dass sie schon seit über einem Jahrhundert im Niedergang begriffen war; einst ein großer Hafen, umkämpft von Rivalen wegen seiner Bedeutung als letzter Anlaufpunkt für Schiffe, die vom Pazifik in den Atlantik fuhren, war er vom Panamakanal in eine Randlage verbannt worden. Das alles – Valparaisos ehemaliges Streben nach Größe – erinnerte mich an Lahore und an eine Redensart, die in unserer Sprache so beziehungsreich ist: Die Ruinen künden von der einstigen Schönheit des Gebäudes.
Ich spürte, dass der Vizepräsident zunehmend unmutig wurde, und ich konnte es ihm kaum verdenken: Der Ärmste arbeitete von morgens bis Mitternacht, und von seinem einzigen Mitarbeiter bekam er kaum Unterstützung. Ich tat, als wäre ich schwer beschäftigt, doch die Tage vergingen und meine Termine wurden knapp, und schließlich verlor er die Geduld. »Hören Sie«, sagte er, »was ist los mit Ihnen? Sie kriegen nichts auf die Reihe. Sie sollen angeblich gut sein, aber soweit ich sehe, bringen Sie gar nichts. Sagen Sie mir, was Sie brauchen. Brauchen Sie Hilfe bei Ihrem Modell, mehr Anleitung? Sagen Sie’s mir, und Sie kriegen es, aber kommen Sie um Gottes willen in die Hufe.« Er hatte als Manager einen hervorragenden Ruf, und ich hatte mir auch überlegt, ob ich ihm das Durcheinander, das in mir herrschte, enthüllen sollte, doch auf der menschlichen Ebene war unsere Verbindung gleich null. Also entschuldigte ich mich, sagte, sein Feedback habe es genau getroffen, aber er müsse sich keine Sorgen machen, denn ich wolle von nun an mit doppelter Kraft arbeiten. »Alles«, sagte ich, wobei ich einen Ton maximaler Beruhigung aufbot, »ist unter Kontrolle.«
Eine Zeitlang schien er sich damit zufriedenzugeben, auch wenn es die reine Unwahrheit war. Doch ich wusste, dass er sich nun richtig über mich ärgerte – und das zu Recht: Indem ich nicht nach Plan arbeitete, ließ ich ihn schlecht dastehen –, und auch ich ärgerte mich zunehmend über ihn. Ich konnte ihn nicht respektieren, wie er, so vollständig eingetaucht in die Strukturen seines beruflichen Mikrouniversums, funktionierte. Ja, auch ich hatte zuvor in den Mahnungen der Firma, mich voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren, Trost gefunden, nun aber erkannte ich, dass in diesem beständigen Streben nach einer finanziellen Zukunft die wesentlichen persönlichen und politischen Themen, die das emotionale Jetzt eines Menschen berühren, in keiner Weise berücksichtigt wurden. Mit anderen Worten, meine Scheuklappen fielen ab, und die jähe Erweiterung meines Gesichtskreises blendete mich und machte mich handlungsunfähig.
Ich merkte, dass Juan-Bautista mich beobachtete, wie ich halbherzig von einem Meeting zum nächsten schlurfte. Er hatte seine Tür offen stehen, und sein Schreibtisch war so aufgestellt, dass er den Gang überblicken konnte. Einmal, als ich vorbeiging, rief er mich zu sich herein. »Ich habe mir mal«, sagte er, »das mit den zeitgenössischen Dichtern des Punjab angesehen. Sagen Sie, wie hieß der Onkel Ihres Vaters?« Ich sagte es ihm, und er nickte; er hatte ihn tatsächlich in einer Anthologie, die in spanischer Übersetzung vorlag, erwähnt gefunden. Darüber war ich freudig überrascht, doch bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Sie scheinen mir ganz anders als Ihre Kollegen zu sein. Sie kommen mir etwas verloren vor.« »Überhaupt nicht«, sagte ich verblüfft. Dann: »Allerdings muss ich sagen, dass Valparaiso mich ziemlich berührt.« Er meinte, ich solle doch mal Pablo Nerudas Haus besuchen, aber am Tag, da es abends geschlossen sei, und damit endete unser kurzes Gespräch.
Ich habe nie erfahren, warum Juan-Bautista ausgerechnet mit mir sprechen wollte. Vielleicht war er mit einem bemerkenswerten Einfühlungsvermögen gesegnet und hatte in mir ein Dilemma wahrgenommen, aus dem er mir, wie er aus Mitleid glaubte, heraushelfen könnte; vielleicht sah er unter seinen Feinden auch einen, der schwach war und den er leicht erledigen konnte; vielleicht war es auch reiner Zufall. Es mag sentimental sein, aber ich würde gern die erste dieser Möglichkeiten annehmen. Wie auch immer, Juan-Bautista gab den entscheidenden Impuls für den Wendepunkt meiner Reise, und diese Reise dauert bis zum heutigen Tage an ...
Aber ich greife vor, und da ist ja auch schon unser Nachtisch. Er hat nur eine Schale gebracht; ich hatte das Gefühl, Sie wollten höchstens einmal probieren, und dasselbe gilt auch für mich, da ich ziemlich satt bin. Nun, Sir? Die Art, wie Sie den Mund verziehen, verrät nichts Gutes. Zu süß, sagen Sie? Interessant, ich hatte immer den Eindruck, dass Ihr Land, was die Intensität seines Verlangens nach Süßigkeiten betrifft, dem meinen recht ähnlich ist. Aber vielleicht sind Sie ja atypisch; Ihre Reisen haben Sie weit weg von den allgegenwärtigen Milchbars und Eiscafés Ihres Mutterlandes geführt.