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Jetzt hielt ich die Zeit für gekommen. »Und«, fügte ich hinzu, »du bist nicht nur mit mir so umgesprungen, sondern hast auch meine Freunde in die Sklaverei geschickt.«

Die Tatrix richtete sich auf. »Ich lasse sie frei!« sagte sie eifrig. »Kannst du die Gesetze Tharnas ändern?« fragte ich.

»Leider kann ich das nicht, aber ich kann deine Freunde befreien. Und ich werde es tun! Meine Freiheit für die ihre.«

Ich tat, als überlegte ich mir den Vorschlag.

Sie sprang auf. Krieger, denk an deine Ehre!« Ihre Stimme gewann neues Leben. »Ware deiner Rache gedient, wenn deine Freunde weiter in Sklaverei leben müßten?«

»Nein!« sagte ich ärgerlich, doch innerlich sehr erfreut, »denn ich bin ein Krieger!«

In ihrer Stimme schwang Triumph. »Dann, Krieger, mußt du mit mir eine Vereinbarung treffen.«

»Nicht mit dir!« antwortete ich und versuchte mich niedergeschlagen zu geben.

»Doch!« lachte sie. »Meine Freiheit gegen die ihre!«

»Das genügt nicht«, knurrte ich.

»Was dann?« fragte sie.

»Befreie alle Sklaven, die bei den Schauspielen Tharnas beteiligt waren!«

Die Tatrix sah mich verwirrt an.

»Alle«, rief ich, »oder du kommst auf den Sklavenmarkt in Ar!« Sie senkte den Kopf. »Gut, Krieger«, sagte sie. »Ich befreie sie alle.« »Kann ich dir vertrauen?« fragte ich.

»Ja«, sagte sie, ohne mich anzusehen, »du hast das Wort der Tatrix von Tharna.«

Ich fragte mich, ob ich ihr trauen konnte, und machte mir klar, daß mir keine andere Möglichkeit blieb.

»Meine Freunde«, sagte ich, »sind Linna aus Tharna und Andreas aus Tor.«

Die Tatrix sah mich an. »Aber«, sagte sie ungläubig, »die beiden haben Gefühle füreinander empfunden.«

»Trotzdem sind sie freizulassen!«

»Sie ist eine Entwürdigte«, entgegnete die Tatrix, »und er gehört einer Kaste an, die in Tharna verboten ist.«

»Laß sie frei!«

»Gut denn, ich werde sie freilassen.«

»Und ich brauche Waffen und einen Tarnsattel«, sagte ich.

»Gewahrt.«

In diesem Augenblick huschte der Schatten des Tarn über unseren Felsgrat. Mit gewaltigem Flügelschlag landete das Ungeheuer neben uns. In seinen Klauen hielt es ein großes Fleischstuck, das noch blutig war. Der Tarn ließ das Stück vor mir fallen.

Ich bewegte mich nicht.

Ich hatte keine Lust, dem Tarn das Beutestück streitig zu machen. Aber er kümmerte sich nicht um das Fleisch. Ich erriet, daß er bereits unten auf der Ebene gefressen hatte. Eine kurze Untersuchung seines Schnabels bestätigte diese Vermutung. Und es gab kein Nest hier oben, keinen weiblichen Tarn und keine kreischende Brut junger Tarns. Der große Schnabel schob mir das Fleisch hin. Es war ein Geschenk. Ich tätschelte den Vogel und sagte: »Danke, Ubar des Himmels!« Ich bückte mich und begann mit Händen und Zähnen ein Stück aus dem Fleisch herauszureißen. Ich sah, daß sich die Tatrix schaudernd abwandte, als ich mich an meine blutige Mahlzeit machte, doch ich war ausgehungert, und Tischgewohnheiten waren mir gleichgültig. Ich bot dem Mädchen ein Stück Fleisch an, doch sie wehrte ab und sah mich an, als ob sie sich gleich übergeben müßte. Wahrend ich mich mit dem Geschenk des Tarn Beschäftigte, trat die Tatrix an den Rand unseres Felsvorsprungs und starrte auf die Wiesen, die voller Talenderblumen waren. Es war ein herrlicher Anblick, und der zarte Duft drang sogar bis in unsere Höhen. Sie zog ihr Gewand enger um den Körper und beobachtete die Blumen, die sich wie ein gelbes Meer wellenförmig im Wind bewegten. Eine einsame Gestalt, verloren, niedergeschlagen. »Talender«, sagte sie leise vor sich hin. Ich hockte neben dem Fleisch, kauend. »Was weiß eine tharnaische Frau von der Talenderblume?« fragte ich spöttisch. Sie schwieg und wandte sich ab.

Als ich fertig war, sagte sie: »Bring mich nun zur Verhandlungssäule. »Was ist denn das?« fragte ich.

»Es ist eine Säule an der Grenze Tharnas. Dort tauscht Tharna mit seinen Feinden Gefangene aus oder verhandelt.« Sie fugte hinzu: »Du wirst dort Leute aus Tharna antreffen, die auf dich warten.« »Warten?« fragte ich.

»Natürlich«, sagte sie hochmütig. »Hast du dich nicht gewundert, daß es überhaupt keine Verfolgung gegeben hat? Wer wäre so verrückt, die Tatrix aus Tharna zu entführen, wenn er nicht für sie das Gold für ein Dutzend Ubars bekommen könnte?« Ich starrte sie an.

»Ich befürchtete«, sagte sie mit gesenktem Blick, »daß du solch ein Narr sein könntest.« In ihrer Stimme schien ein Unterton mitzuschwingen, den ich nicht verstand.

»Nein«, lachte ich, »zurück nach Tharna mit dir!« Noch immer trug ich das goldene Tuch um den Hals, das in der Arena den Beginn der Schauspiele angezeigt hatte und das ich an mich genommen hatte, um mir Sand und Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Nun nahm ich es ab.

»Dreh dich um«, sagte ich zu der Tatrix, »und lege die Hände hinter dem Rücken zusammen.«

Mit erhobenem Kopf gehorchte sie. Ich zog ihr die goldenen Handschuhe aus und steckte sie in meinen Gürtel. Mit dem Tuch fesselte ich sodann ihre Handgelenke.

Ich warf die Tatrix mühelos auf den Rücken des Tarn und sprang hinter ihr auf. Mit einem Arm umfaßte ich meine Gefangene, krallte mich mit dem anderen in den Halsfedern des Tarns fest, rief: »Erster Zügel!«, und das Tier sprang von dem schmalen Felsenvorsprung ins Leere und begann sofort an Hohe zu gewinnen.

16

Eingewiesen von der Tatrix, sahen wir nach kaum dreißig Minuten die tharnaische Verhandlungssäule vor uns. Sie stand etwa hundert Pasang von der Stadt entfernt, in nordwestlicher Richtung, eine einsame weiße Marmorsäule, hundert Meter hoch und dreißig Meter im Durchmesser. Ihre Spitze war nur auf dem Rücken eines Tarns zu erreichen. Es war kein schlechter Ort für den Austausch von Gefangenen; er war geradezu ideal, weil keine der Parteien einen Hinterhalt zu befürchten brauchte. Niemand kam vom Boden aus zur Säulenspitze, und Tarns mußten schon von weitem zu erkennen sein.

Ich beobachtete die Landschaft ringsum. Niemand schien hier zu leben. Auf der Säule standen drei Tarns und ebenso viele Krieger, dazu eine Frau, die eine tharnaische Silbermaske trug. Als ich die Säule überflog, setzte einer der Krieger seinen Helm ab und gab mir das Zeichen zur Landung. Ich erkannte Thorn, Offizier von Tharna. Ich bemerkte, daß er und seine Begleiter bewaffnet waren.

»Ist es üblich«, fragte ich die Tatrix, »daß auf der Verhandlungssäule Waffen getragen werden?«

»Du brauchst keinen Verrat zu befürchten«, sagte die Tatrix. Ich überlegte, ob ich den Tarn wenden und mein Vorhaben aufgeben sollte.

»Du kannst mir vertrauen«, sagte sie.

»Woher soll ich das wissen?« fragte ich herausfordernd.

»Weil ich die Tatrix von Tharna bin.«

»Vierter Zügel!« rief ich dem Vogel zu und gab ihm damit das Zeichen zur Landung. Doch der Tarn schien mich nicht zu verstehen. »Vierter Zügel!« wiederholte ich lauter. Aus irgendeinem Grund stellte sich das Tier störrisch an. »Vierter Zügel!« brüllte ich.

Der Riesenvogel landete auf der Marmorsäule, und seine stahlbewehrten Klauen fuhren klirrend über den Stein.

Ich stieg nicht ab und stärkte meinen Griff um die Tatrix.

Der Tarn war sehr nervös. Ich versuchte ihn zu beruhigen, indem ich leise auf ihn einsprach und ihm den Hals tätschelte.

Die Frau in der Silbermaske kam näher. »Heil unserer geliebten Tatrix!« sagte sie. Es war Dorna die Stolze.

»Nicht näherkommen!« sagte ich scharf.

Dorna blieb stehen, etwa fünf Meter vor Thorn und den beiden Kriegern, die sich noch nicht von der Stelle gerührt hatten.

Die Tatrix erwiderte die Begrüßung Dornas mit hochmütigem Nicken. » Tharna gehört dir, Krieger!« rief Dorna die Stolze, »wenn du nur unsere edle Tatrix freigibst! Die Stadt ist in Trauer! Ich fürchte, es wird keine Freude mehr in Tharna herrschen, ehe sie nicht wieder auf ihrem goldenen Thron sitzt.«

Ich lachte.

Dorna erstarrte. »Was sind deine Bedingungen, Krieger?« fragte sie. »Ein Sattel und Waffen«, antwortete ich, »und die Freiheit für Linna aus Tharna, Andreas aus Tor und all jene, die heute nachmittag bei den Schauspielen von Tharna gekämpft haben.«