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»Ich bin aus Tharna«, erwiderte er stolz.

Endlich war auch der letzte Mann unserer Kettengemeinschaft im waagerechten Tunnel, obwohl die letzten vier hochgezerrt werden mußten. Sie gaben kein Lebenszeichen mehr. Wie lange sie unter Wasser gewesen waren, wußten wir nicht.

Wir beschäftigten uns mit ihnen, beugten uns in der Dunkelheit über sie — ich und drei Männer aus Port Kar, die in solchen Dingen Bescheid wußten. Die anderen Sklaven warteten geduldig ab. Kein einziger klagte, keiner trieb uns zur Eile an. Endlich regten sich die leblosen Körper, Lungen begannen wieder zu arbeiten, Sogen die feuchte, kühle Luft des Bergwerks ein.

Der Mann, den ich gerettet hatte, hob den Arm und berührte meine Schulter.

»Wir gehören derselben Kette an«, sagte ich.

Es war ein Satz, der sich in den Bergwerken eingebürgert hatte. »Kommt!« sagte ich zu den Männern.

In Doppelreihen krochen wir den horizontalen Tunnel entlang.

19

»Nein! Nein!« hatte Ost geschrien.

Wir hatten ihn an der Vorrichtung gefunden, die den Wasservorrat in das Sklavenverlies rauschen ließ, das über siebzig Meter unter uns lag. Er trug die Kleidung eines Peitschensklaven — die Belohnung für seinen Verrat. Er warf die Peitsche fort und versuchte zu fliehen, mit wirbelnden Beinen wie ein Urt, doch in welche Richtung er sich auch wandte — er war von einer Kette ausgezehrter, aufgebrachter Männer umgeben, und als sich der Kreis schloß, warf sich Ost bebend auf die Knie. »Tut ihm nichts!« sagte ich.

Doch Krons breite Hand hatte sich bereits um den Hals des Verräters gelegt.

»Das ist Sache der tharnaischen Männer«, sagte er. Seine stahlblauen Augen suchten die unnachgiebigen Gesichter der angeketteten Sklaven ab.

Auch Osts Augen irrten von Gesicht zu Gesicht, flehend, doch er fand kein Mitleid bei den Männern, die ihn anstarrten, als wäre er aus Stein. »Gehört Ost unserer Kette an?« fragte Kron. »Nein!« rief ein Dutzend Stimmen. »Er gehört der Kette nicht an.«

»Doch!« rief Ost. »Ich gehöre der Kette an.« Er starrte in die Gesichter seiner Mitgefangenen. »Nehmt mich mit! Befreit mich!«

»Solche Worte sind strafbar«, sagte einer der Männer.

Ost begann zu zittern.

»Fesselt ihn und laßt ihn hier zurück«, sagte ich.

»Ja! Ja!« wimmerte Ost und warf sich Kron zu Füßen.

Andreas aus Tor schaltete sich ein. »Tut, was Tarl aus Ko-ro-ba sagt. Befleckt unsere Kette nicht mit dem Blut dieser Schlange.«

»Gut denn«, sagte Kron unnatürlich ruhig. »Beflecken wir unsere Kette nicht.«

»Oh, vielen Dank«, sagte Ost und schnüffelte vor Erleichterung, und sein Gesicht zeigte schon wieder den verkniffenen, schlauen Ausdruck, den ich so gut kannte.

Doch Kron schaute auf ihn herab, und Ost wurde bleich.

»Du bekommst eine bessere Chance, als du uns gelassen hast«, sagte der stiernackige Mann aus Tharna.

Ost kreischte entsetzt auf.

Ich versuchte vorzuspringen, doch die Männer der Kette standen starr. So konnte ich dem Verräter nicht zu Hilfe kommen.

Er versuchte in meine Richtung zu kriechen, streckte mir die Hände entgegen. Ich hob die Arme, doch Kron packte ihn und zog ihn zurück. Der kleine Mann wurde von Sklave zu Sklave geworfen, den langen, horizontalen Tunnel entlang, bis der letzte Mann ihn mit dem Kopf nach unten den engen schwarzen Schacht hinabstieß, durch den wir aufgestiegen waren. Wir hörten, wie sein Körper einige Male die Tunnelwände berührte, hörten seinen Entsetzensschrei, der langsam verhallte und schließlich in einem leisen Klatschen unterging. So eine Nacht hatte es in den Bergwerken Tharnas noch nicht gegeben. Ich führte meine Kettengemeinschaft in einer Doppelreihe hinter mir. Wir eilten durch die Schächte wie ein Ausbruch glühender Lava aus dem Inneren des Planeten. Nur mit Erzstücken und Spitzhacken bewaffnet, mit denen wir das Metall aus den Wänden kratzten, stürmten wir die Quartiere von Peitschensklaven und Wächtern, denen kaum Zeit blieb, zu den Waffen zu greifen. Wer bei den heftigen Kämpfen nicht getötet wurde, die sich zumeist in der Schwärze der Tunnel abspielten, erhielt Beinfesseln angelegt und wurde in Vorratszellen eingeschlossen, wobei die Männer meiner Kettengemeinschaft mit ihren ehemaligen Unterdrückern nicht gerade sanft umgingen.

Wir fanden nach kurzer Zeit Hämmer, die uns von den Ketten befreiten, und einer nach dem anderen marschierten wir an dem mächtigen Amboß vorbei, wo Kron aus Tharna, Mitglied der Kaste der Metallarbeiter, die Metallringe mit geschicktem Schlag von unseren Handgelenken entfernte.

»Zum Zentralschacht!« rief ich und hob ein Schwert, das ich einem Wächter abgenommen hatte.

Ein Sklave, der uns die Nahrung zugetragen hatte, zeigte uns begeistert den Weg.

Endlich standen wir an dem riesigen Schacht.

Unsere Abbaustrecke lag vielleicht dreihundert Meter unter der Erdoberfläche. Wir sahen die gewaltigen Ketten, die in der Schachtmitte hingen und die durch die kleinen Lampen an den Eingängen anderer Abbaustrecken über uns erhellt wurden. Und ganz weit oben machten wir sogar den Widerschein des Mondlichts aus. Die Männer drängten sich am Fuße des Schachtes, der nur wenige Zentimeter unter der Öffnung unseres Stollens lag.

Sie starrten nach oben.

Der Mann, der sich gerühmt hatte, in den Bergwerken dreimal Kal-da getrunken zu haben, brach in Tränen aus, als er einen der drei goreanischen Monde erblickte.

Ich schickte mehrere Männer los, die an den Ketten bis ganz nach oben klettern sollten.

»Ihr müßt die Ketten verteidigen. Sie dürfen nicht gekappt werden«, sagte ich.

Von Wut und Hoffnung beflügelt, begannen die Männer zu klettern. Zu meiner Freude machte niemand den Vorschlag, daß wir ihnen folgen sollten, niemand bat, Das wir fliehen sollten, ehe Alarm gegeben werden konnte.

Nein! Wir kletterten zur zweiten Sohle empor!

Wie erschreckend es für die Wächter und Peitschensklaven sein mußte, uns so plötzlich ohne Ketten anzutreffen, eine unwiderstehliche Woge des Hasses und der Wut, die über sie hereinbrach! Würfel, Kartenspiele und Trinkkrüge polterten zu Boden, als Peitschensklaven und Wächter die Klingen verzweifelter Sklaven an die Kehlen gelegt bekamen, Männer, die der Hauch der Freiheit trunken gemacht hatte und die entschlossen waren, ihre Leidensgenossen zu befreien.

Eine Zelle nach der anderen wurde geöffnet, die armen Sklaven wurden freigelassen, und Wächter und Peitschensklaven, die sich vor Entsetzen nicht zu wehren wußten, nahmen ihre Stelle ein.

Eine Abbaustrecke nach der anderen wurde befreit, und die neu hinzukommenden Sklaven schlossen sich uns an und drangen in die darüberliegenden Sohlen vor, um ihre Mitsklaven zu befreien. Dies geschah wie nach einem vorher festgelegten Plan — dabei war es eine spontane Aktion, eine Tat von Männern, die ihr Selbstvertrauen zurückgewonnen hatten.

Ich war der letzte Sklave, der die Bergwerke verließ. Ich kletterte an einer der dicken Ketten zu dem riesigen Windenhaus über dem Schacht empor und fand mich inmitten Hunderter von jubelnden Männern, die von der Last ihrer Ketten befreit waren, deren Hände Waffen schwenkten, und wenn es sich nur um ein Felsstück oder ein paar Handschellen handelte. Die jubelnden Gestalten, von denen viele gekrümmt und ausgezehrt waren, begrüßten mich im Schein der drei goreanischen Monde. Sie riefen meinen Namen und den Namen meiner Stadt, ohne Angst davor zu empfinden. Ich stand am Rande des großen Schachtes und spürte den kühlen Nachtwind auf dem Gesicht.

Ich war glücklich.

Und stolz.

Ich sah den großen Schieber, durch den sich sämtliche Schächte überfluten ließen, und ich sah, daß er geschlossen war.

Ich war stolz, daß meine Sklaven diesen Schieber verteidigt hatten, denn ringsum lagen die Körper toter Soldaten, die ihn hatten erreichen wollen; aber noch mehr bewegte mich die Erkenntnis, daß die Sklaven nun den Schieber geschlossen gelassen hatten, obwohl sie wußten, daß unten in den engen Schachten und Zellen ihre Todfeinde und Unterdrücker lagen. Ich konnte mir das Entsetzen dieser armen Wesen vorstellen, die gefesselt auf das ferne Wasserrauschen in den Tunneln warteten. Doch dieses Geräusch würde ausbleiben.