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»Flieg, Ubar des Himmels!« sagte ich. »Flieg!«

Als ich das Wort Ubar aussprach, hob der Tarn den Kopf. So hatte ich ihn genannt, als ich ihn in der tharnaischen Arena erkannte. Der große Vogel entfernte sich etwa fünfzehn Meter und schaute fragend zurück. Ich deutete über die Ebene.

Das Tier schüttelte sein Gefieder, schrie auf und schwang sich in den Wind. Ich sah zu, bis es als winziger Fleck am blauen Himmel verschwand.

Mir war seltsam traurig zumute, und ich machte mich auf den Weg zum Sardargebirge. Davor, auf der Grasebene, die ich überqueren mußte, lag der bunte En’Kara-Markt.

Ich hatte kaum einen Pasang zurückgelegt, als meine Aufmerksamkeit auf eine Baumgruppe jenseits eines kleinen Flusses gelenkt wurde — von dort ertönte der Entsetzensschrei eines Mädchens.

21

Schon sprang mein Schwert aus der Scheide, und ich watete durch den kalten Bach und hastete auf die Baumgruppe zu.

Wieder klang der Schrei auf.

Jetzt war ich zwischen den Bäumen, kam schnell voran. Ich bemühte mich, keine Geräusche zu machen.

Dann nahm ich den Geruch eines Lagerfeuers wahr. Ich hörte ruhige Stimmen. Zwischen den Bäumen machte ich Zeltplanen und einen Tharlarionwagen aus, dessen Kutscher die Tiere abschirrte. Soweit ich erkennen konnte, hatte keiner der Männer den Schrei gehört oder kümmerte sich darum.

Ich ging langsam weiter und kam zwischen den Zelten auf die Lichtung. Einige Wächter musterten mich neugierig. Einer stand auf und inspizierte den Wald hinter mir, um zu sehen, ob ich allein gekommen war. Ich sah mich um. Eine friedliche Szene breitete sich aus — die Lagerfeuer, die runden Zelte, das Abschirren der Zugtiere, eine Szene, wie ich sie aus der Karawane Mintars aus der Händlerkaste noch in Erinnerung hatte. Aber dies war nur ein kleines Lager und hatte wenig mit dem Pasanglangen Wagenzug gemein, mit dem der reiche Mintar zu reisen pflegte.

Wieder hörte ich den Schrei.

Ich sah, daß die Plane des Tharlarionwagens aus blauer und gelber Seide bestand.

Ich war in das Lager eines Sklavenhändlers geraten.

Langsam steckte ich mein Schwert in die Scheide und nahm den Helm ab.

»Tal«, sagte ich zu den beiden Wächtern, die am Fenster hockten und Steine spielten — ein Ratespiel, bei dem der eine Spieler erraten muß, ob die Zahl der Steine, die der andere in der Faust birgt, gerade oder ungerade ist.

»Tal«, sagte einer der Männer. Der andere, der mit Raten an der Reihe war, blickte nicht einmal auf.

Ich ging zwischen den Zelten hindurch und erblickte das Mädchen. Sie war blond; ihr Haar war so lang, daß es den ganzen Rücken bedeckte. Sie hatte blaue Augen und war verwirrend schön. Im Augenblick zitterte sie wie ein in die Enge getriebenes Tier. Sie war nackt an einen schlanken birkenähnlichen Stamm gefesselt, in kniender Stellung. Ihre Hände waren über ihrem Kopf hinter dem Stamm mit einer Sklavenfessel zusammengebunden. Ihre Fußgelenke waren hinter dem Baum mit einer kurzen Kette gefesselt.

Ihre Augen richteten sich flehend auf mich, als konnte ich sie von ihrem Schicksal erlösen, doch als sie mich anschaute, wurde ihr Blick, wenn das überhaupt möglich war, noch entsetzter, noch panischer. Sie stieß einen hoffnungslosen Schrei aus, begann zu beben und ließ den Kopf nach vorn sinken.

Ich vermutete, daß sie mich für einen weiteren Sklaventreiber hielt. Dicht neben dem Baum stand eine eiserne Feuerschale, in der sich glühende Kohlen häuften. Ich spürte ihre Hitze. In den Kohlen steckten drei Brandeisen.

Neben den Eisen stand ein stämmiger Mann mit freiem Oberkörper und dicken Lederhandschuhen, einer der Helfer des Sklavenhändlers. Er hatte nur noch ein Auge. Er musterte mich ohne großes Interesse, wahrend er auf die Brandeisen wartete.

Ich warf einen Blick auf den Schenkel des Mädchens. Sie war noch nicht gekennzeichnet.

Wenn ein Mann sich ein Mädchen fängt, brennt er ihr nicht immer sein Zeichen auf, obwohl das sehr oft geschieht. Ein professioneller Sklavenhändler dagegen achtet darauf, daß seine Ware eindeutig gekennzeichnet ist, und es geschieht selten, daß ein ungebranntes Mädchen zur Versteigerung kommt.

Das Brandzeichen ist etwas anderes als der Kragen, obwohl beide ein Zeichen für die Sklaverei sind. Der Kragen ist in erster Linie ein Nachweis über den Herrn des Sklaven und seine Heimatstadt. Im Leben eines Mädchens kann der Kragen unzählige male wechseln, wahrend das Brandzeichen unverändert bleibt und ihren Status angibt. Das Mal liegt gewöhnlich unter dem kurzen Sklavenrock versteckt. Es besteht bei den Mädchen aus einem anmutig geschwungenen Zeichen, der Anfangsbuchstabe des goreanischen Wortes für Sklave. Wird ein Mann gebrandmarkt, wird der gleiche Buchstabe in etwas anderer Form benutzt.

Der Mann am Feuer bemerkte mein Interesse an dem Mädchen, trat neben sie, ergriff ihr Haar und zerrte den Kopf in die Höhe, damit ich besser ihr Gesicht sehen konnte. »Ein hübsches Ding, nicht wahr?« fragte er.

Ich nickte und fragte mich, warum mich die blauen Augen so angstvoll anstarrten.

»Vielleicht mochtest du sie kaufen?« fragte der Mann.

»Nein«, erwiderte ich.

Der untersetzte Mann blinzelte mir mit seinem einen Auge zu. Verschwörerisch flüsterte er: »Sie ist noch nicht trainiert. Und sie ist wild wie ein Sleen.«

Ich lächelte.

»Aber das Eisen treibt ihr das aus.«

Das bezweifelte ich noch.

Ich holte eines der Eisen aus dem Feuer. Es war rotglühend.

Beim Anblick des erhitzten Metalls begann das Mädchen wieder zu schreien. Sie zerrte an ihren Fesseln.

Der untersetzte Mann stieß das Brandeisen noch einmal ins Feuer. »Sie ist laut«, sagte er beschämt. Dann warf er einen Blick in meine Richtung, zuckte die Achseln, als wollte er mich um Entschuldigung bitten, trat neben das Mädchen und nahm eine Handvoll langes Haar. Er drehte es zu einem kleinen, festen Ball zusammen und schob ihn ihr plötzlich in den Mund. Das Haar dehnte sich sofort aus, und ehe sie es wieder ausspucken konnte, hatte er weiteres Haar um ihren Kopf gelegt und festgebunden, so daß sie ihren Mund nicht mehr freibekam. Stumm rang das Mädchen mit dem Knebel, doch es war sinnlos. Ein Trick der Sklavenhändler. Ich wußte, daß auch manche Tarnkämpfer ihre Gefangenen auf diese Weise bändigten.

»Tut mir leid, wildes Ding«, sagte der Mann, »aber wir wollen doch nicht, daß Targo mit seiner Peitsche kommt und uns beiden Zunder gibt, nicht wahr?«

Leise schluchzte das Mädchen und ließ den Kopf Hängen.

Geistesabwesend summte der Mann ein Karawanenlied vor sich hin, wahrend er darauf wartete, daß das Eisen die richtige Hitze hatte. Ich wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich war herbeigeeilt, um das Mädchen zu befreien, es zu beschützen. Nun mußte ich feststellen, daß sie nur eine Sklavin war und daß ihr Eigentümer — was auf Gor durchaus Routine war — sich daranmachte, sie als seinen Besitz zu kennzeichnen. Hatte ich sie nun befreien wollen, wäre das ebenso ein Diebstahl gewesen, als wenn ich versucht hatte, mit dem Tharlarionwagen davonzufahren.

Außerdem hegten die Männer keine feindlichen Gefühle für das Mädchen. Sie war nur eines von vielen an ihrer Kette, vielleicht weniger gut trainiert und weniger fügsam als die anderen. Sie Waren allenfalls ungeduldig mit ihr und meinten, sie rege sich zu sehr auf. Ihre Gefühle, ihre Erniedrigung und Scham verstanden sie jedenfalls nicht. Vermutlich meinten sogar die anderen Mädchen, daß sie zu viele Umstände mache. Mußte eine Sklavin das Brandeisen nicht hinnehmen? Und die Peitsche?

Ich sah die anderen Sklavenmädchen in einiger Entfernung sitzen. Sie lachten und unterhielten sich, bewegten sich wie freie Mädchen. Auf den ersten Blick war die Kette, die ihre Knöchel Verband, nicht zu sehen. Sie endete an einem Baum, wo sie sorgsam festgemacht war.

Gleich mußten die Brandeisen bereit sein.

Das Mädchen, das hilflos in ihren Ketten hing, würde das Brandzeichen erhalten.

Ich hatte mich zuweilen schon gefragt, welchen Sinn solche Brandzeichen hatten. Sicher hatten die Goreaner andere Möglichkeiten, den menschlichen Körper unverkennbar zu kennzeichnen — und das auf schmerzlose Weise. Meine Vermutung, die zum Teil durch meinen alten Waffenmeister, den Älteren Tarl, bestätigt wurde, ging dahin, daß das Brandzeichen vordringlich wegen der psychologischen Wirkung angebracht wurde.