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Die Tarnpfeife wird gebraucht, um den Vogel herbeizurufen. Gewöhnlich reagieren die Tarns nur auf einen einzigen Laut, den Pfeifenton ihres Herrn. Das ist nicht überraschend, wenn man weiß, daß die Tarns von den Angehörigen der Kaste der Tarnzüchter auf diesen einen Ton gedrillt werden. Wenn der Tarn einem Krieger überlassen oder verkauft wird, erhält der neue Reiter die Pfeife. Entsprechend sorgsam geht ein Tarnkämpfer mit der Pfeife um, denn sollte sie etwa in feindliche Hände fallen, ist er sein Reittier los. Ich kleidete mich in den roten Umhang des goreanischen Kriegers. Es stimmte mich ratlos, daß Helm und Schild keine Insignien trugen. Dies widersprach den goreanischen Sitten, denn gewöhnlich tragen nur Geächtete, Männer ohne Stadt, kein Wappen.

Ich setzte den Helm auf und schlang mir Schild und Schwert über die linke Schulter. In die Rechte nahm ich sodann den massiven Speer. Anschließend schaute ich zum Himmel auf und wählte meinen Weg nach dem Sonnenstand, wohl wissend, daß Ko-ro-ba nordwestlich der Berge lag.

Mein Schritt war leicht, meine Stimmung gut. Ich war wieder zu Hause, in der Heimat, in der mein Liebling auf mich wartete. In der mein Vater nach über zwanzigjähriger Trennung auf mich gewartet hatte, in der ich zusammen mit meinen Kriegerfreunden getrunken und gelacht hatte, in der ich von meinem lieben Freund, dem Schriftgelehrten Torm, Lesen und Schreiben gelernt hatte — ja, hier lag meine Heimat.

Meine Gedanken kamen in Goreanisch, so fließend, als wäre ich nicht sieben Jahre fort gewesen. Ich merkte plötzlich, daß ich zu Singen begann, als ich so durch das Gras schritt. Ein Kriegerlied.

Ich war wieder in Gor.

3

Ich hatte ein gutes Stuck auf dem Wege nach Ko-ro-ba zurückgelegt, als ich zu meiner Freude auf eine der schmalen Straßen stieß, die zur Stadt führten. Ich erkannte sie wieder, doch selbst wenn ich sie nicht gekannt hatte, waren die Stadtzeichen auf den Pasangsteinen am Straßenrand nicht zu übersehen gewesen. Dort konnte ich ablesen, wie viele Pasang es bis zur Stadtmauer noch waren. Ein Pasang entsprach etwa einem Kilometer irdischer Messung.

Die Straße war — wie fast überall auf Gor — wie eine Mauer in die Erde gebaut — etwas, das viele hundert Generationen halten sollte. Die Goreaner, die wenig Sinn für Fortschritt haben, achten sehr auf saubere handwerkliche Arbeit. Was immer sie bauen — es soll benutzt werden, bis die Stürme der Zeit es zu Staub gerieben haben. Und doch war diese Straße nur ein unbedeutender Nebenpfad, auf dem sich zwei Wagen nicht passieren konnten.

Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß zwischen den Pflastersteinen frische Grasbüschel wuchsen — dabei waren wir ganz nahe an der Stadt! Hier und dort machte sich sogar eine Rebe breit und streckte ihre Fühler quer über die Straße aus.

Es war später Nachmittag, und nach den Pasangsteinen hatte ich noch einige Stunden zu gehen. Obwohl es noch immer hell war, hatten sich bereits viele der bunten Vogel in ihre Nester zurückgezogen. Hier und dort begannen sich Schwärme von Nachtinsekten zu rühren. Die Schatten der Pasangsteine waren länger geworden, und da sie so gesetzt waren, daß sie auch als Sonnenuhren dienten, konnte ich ablesen, daß die vierzehnte goreanische Ahn, oder Stunde, bereits verstrichen war. Der goreanische Tag ist in zwanzig Ahn unterteilt. Die zehnte Ahn ist die Mittagsstunde, die zwanzigste ist Mitternacht. Jeder Ahn besteht aus vierzig Ehn, oder Minuten, und jede Ehn aus achtzig Ihn, oder Sekunden.

Ich fragte mich, ob es Sinn hatte, meine Reise fortzusetzen. Die Sonne mußte bald untergehen, und die goreanische Nacht ist nicht ohne Gefahren, besonders für einen Mann zu Fuß.

In der Dunkelheit begibt sich der Sleen auf die Jagd, ein sechsbeiniges, gewaltiges Raubtier, halb Schlange, halb Saugetier. Von diesen Ungeheuern hatte ich noch keines zu Gesicht bekommen, doch vor mehreren Jahren waren mir einmal Sleenspuren gezeigt worden. Auch ließ sich im Schein der drei goreanischen Monde manchmal der Schatten des Urt ausmachen, einer gigantischen Flugeidechse, die sich auf ihren Raubzügen weit von ihren Heimatsümpfen im Voskdelta entfernte.

Am unwohlsten war mir vielleicht bei dem Gedanken an die Vart-Rudel — blinde, fledermausähnliche Schwärme fliegender Nagetiere, die einen Körper in wenigen Minuten total abnagen konnten, wobei jedes Wesen einen kleinen Fleischstreifen in die dunkle Heimathöhle zurückschaffte. Eine weitere Gefahr lag auf der Straße — und in der Tatsache, daß ich kein Licht hatte. Nach Anbruch der Dunkelheit krochen die verschiedensten Schlangen auf die Straße, deren Steine die Tageshitze der Sonne lange zurückstrahlen. Zu diesen Schlangen gehörte die riesige goreanische Python, die Hith. Noch gefährlicher war vielleicht die winzige Ost, ein bösartiges, hellorangenes kleines Reptil, kaum dreißig Zentimeter lang, deren Biß innerhalb weniger Sekunden tödlich war. Trotz meiner Begierde, nach Ko-ro-ba zurückzukehren, beschloß ich, die Straße zu verlassen, mich in meinen Mantel zu hüllen und die Nacht im Schutze einiger Felsen zu verbringen oder vielleicht zwischen einige Dornenbüsche zu kriechen, wo ich einigermaßen sicher schlafen konnte. Als ich darüber nachzudenken begann, meine Reise nicht fortzusetzen, wurde mir plötzlich bewußt, daß ich hungrig und durstig war. Das Lederbündel mit den Waffen hatte keine Rationen und auch kein Wasser enthalten.

Ich hatte die Steine der Straße kaum verlassen, als ich eine breite, gebeugte Gestalt bemerkte, die mit vorsichtigen, gemessenen Schritten näher kam. Auf dem Rücken schleppte der Mann ein riesiges Holzbündel, durch zwei Schnüre auf seinem Rücken festgehalten, die er vor sich mit den Fäusten umklammerte. Seine Gestalt und seine Last wiesen ihn als Mitglied der Kaste der Holzträger oder Holzfäller aus, eine goreanische Kaste, die zusammen mit der Kaste der Kohlenmacher einen Großteil des Brennstoffs für die goreanischen Städte liefert. Das Gewicht, das dieser Mann auf seinem Rücken mit sich herumschleppte, war unvorstellbar und hätte manchem anderen zu schaffen gemacht. Das Bündel ragte fast eine Manneslänge über seinem gebeugten Rücken auf und hatte eine Breite von einem Meter und mehr. Ich wußte, daß der Zusammenhalt der Last teilweise von dem geschickten Einsatz von Seilen und Rückenmuskeln abhing, doch ganz eindeutig war auch schiere Kraft beteiligt, und dieser Mann war wie seine Kastenbrüder durch Generationen für seine Aufgabe geformt worden. Der Mann kam näher. Seine Augen waren fast völlig von einem struppigen weißen Haarbüschel verdeckt, das mit Blättern und Rindenstückchen durchsetzt war. Die Koteletten hatte er sich vermutlich mit seiner breiten, doppelt geschliffenen Holzfälleraxt abrasiert, die oben auf dem Bündel befestigt war. Er trug die kurze, durchlöcherte ärmellose Robe seiner Kaste mit den ledernen Rücken- und Schulterstücken. Seine Füße waren nackt und bis zu den Knöcheln schwarz.