»Ich gebe dir zwei von meinen Edelsteinen hier«, sagte ich. In Wirklichkeit hatte ich keine Vorstellung von ihrem Wert und wußte also auch nicht, ob mein Angebot vernünftig war. Nach Targos Ringen zu urteilen, war er ein weitaus besserer Kenner in solchen Dingen. »Unmöglich!« sagte Targo und schüttelte heftig den Kopf.
Ich merkte, daß er nicht bluffte, denn wie hatte er wissen können, daß ich den wahren Wert der Steine nicht kannte? Wie konnte er ahnen, daß ich sie nicht selbst erworben und an der Scheide befestigt hatte? »Du bist ein harter Verhandlungspartner«, sagte ich. »Vier . . .« »Kann ich mir die Steine einmal ansehen, Krieger?« fragte er. »Aber natürlich«, erwiderte ich, schnallte die Scheide ab und reichte sie ihm. Das Schwert behielt ich in der Hand.
Targo starrte die Juwelen abschätzend an. »Nicht schlecht«, sagte er, »aber nicht genug . . .«
Ich gab mich ungeduldig. »Dann zeig mir deine anderen Mädchen«, sagte ich.
Es war deutlich, daß Targo dieser Wunsch nicht gefiel, denn offenbar wollte er gerade das blonde Mädchen loswerden. Vielleicht war sie eine Unruhestifterin.
»Zeige ihm die anderen«, sagte sein Helfer. »Das Mädchen hier sagt nicht einmaclass="underline" ›Kauf mich, Herr!‹«
Targo warf dem Einäugigen einen wütenden Blick zu. Doch dieser lächelte nur vor sich hin und überprüfte die Brandeisen in den Kohlen. Ärgerlich führte mich Targo auf die Graslichtung zwischen den Bäumen. Mit schneller Bewegung klatschte er zweimal in die Hände, und ringsum entstand eine Bewegung. Mädchen sprangen auf, und die lange Kette rutschte klirrend durch die Knöchelringe. Schließlich knieten die Mädchen in der Haltung von Vergnügungssklavinnen vor mir im Gras; sie bildeten eine Linie zwischen den beiden Bäumen, an denen ihre Ketten befestigt waren. Als ich an ihnen vorbeiging, hob jedes Mädchen herausfordernd den Kopf und sagte: »Kauf mich, Herr.«
Viele von den Mädchen waren sehr schön, und ich überlegte, daß diese Kette, obwohl sie nur kurz war, einen großen Wert darstellte, weil fast jeder Kunde ein Mädchen nach seinem Geschmack finden müßte. Es waren lebensfrohe Geschöpfe, von denen manches Mädchen sicher auch gut trainiert war, die Sinne ihres Herrn anzuregen. Zahlreiche goreanische Städte waren vertreten — ein blondes Mädchen aus Thentis; ein dunkelhäutiges Wesen aus der Wüstenstadt Tor, ihr schwarzes Haar fiel bis zu den Knöcheln herab; Mädchen aus den schlimmen Straßen Port Kars im Voskdelta; sogar Mädchen aus den hohen Zylindern Ars; ihre Geschichte stand auf ihren Halsbändern geschrieben. Ich fragte mich, wie viele von Geburt an Sklavinnen gewesen waren.
Als ich so vor jeder Schönheit stehenblieb und ihrem Blick begegnete und ihre Worte hörte: »Kaufe mich, Herr«, fragte ich mich, warum ich eigentlich nicht dieses Mädchen kaufen sollte, warum ich nicht sie befreien sollte anstelle des anderen Mädchens. Waren diese großartigen Geschöpfe denn weniger wert als sie?
»Nein«, sagte ich zu Targo. »Von diesen kaufe ich keine.«
Zu meiner Überraschung lief ein enttäuschtes Aufseufzen die Kette entlang. Zwei Mädchen, das aus Tor und eines der Mädchen aus Ar, weinten sogar und bargen die Gesichter in den Händen. Ich wünschte, ich hätte auf die Parade verzichtet.
Aus der Rückschau ist mir nun klar, daß die Kette für ein Mädchen ein Ort der Einsamkeit ist, ein Ort der Kälte und Ungewißheit. Die Arme eines Herrn waren auf jeden Fall besser als der kahle Stahl des Knöchelrings.
Als sie sagten: »Kaufe mich, Herr«, war das nicht nur ein ritueller Satz. Sie hatten wirklich verkauft werden wollen — an mich, an jeden, der sie von der verhaßten Kette Targos befreite.
Targo schien erleichtert zu sein. Er ergriff meinen Ellenbogen und führte mich zu dem Baum zurück, vor dem noch immer das blonde Mädchen kniete.
Als ich sie anschaute, fragte ich mich wieder, warum meine Wahl ausgerechnet auf sie gefallen war. Warum nahm ich nicht eine andere? Warum war es mir nicht gleichgültig, daß dieses Mädchen das zarte Halsband trug? Wahrscheinlich lehnte ich mich überhaupt gegen die Einrichtung der Sklaverei auf und gegen die Tatsache, daß sich nichts ändern würde, wenn ich aus einem unsinnigen Mitleid heraus dieses eine Mädchen befreite. Sie konnte natürlich nicht mit ins Sardargebirge kommen, und sobald ich sie freiließ, würde sie wieder eingefangen oder den wilden Tieren zum Opfer fallen.
»Ich habe beschlossen, sie doch nicht zu kaufen«, sagte ich. Das Mädchen hob den Kopf und sah mich an. Sie versuchte zu lächeln. Die Worte kamen leise, aber klar und deutlich: »Kaufe mich, Herr.« »Ei!« rief der Einäugige, und sogar Targo schaute mich verblüfft an. Es war das erstemal, daß das Mädchen diesen Satz sagte.
Ich sah sie an und bemerkte, daß sie wirklich schön war, doch am meisten fiel mir das Flehen in ihren Augen auf. Und unter diesem Blick löste sich meine Vernunftentscheidung zu einem Nichts auf, und ich gab meinem Gefühl nach, wie ich es in der Vergangenheit schon mehrfach getan hatte.
»Nimm die Scheide«, sagte ich zu Targo. »Ich kaufe sie.«
»Und den Helm!« sagte Targo.
»Einverstanden«, erwiderte ich.
Er ergriff die Scheide, und die Freude, mit der seine dicken Finger sie umfaßten, verriet mir, daß ich seiner Meinung nach gehörig übervorteilt worden war. Im letzten Augenblick fiel es ihm wieder ein, und er riß mir auch den Helm aus der Hand. Er und ich wußten, daß er fast völlig wertlos war. Ich lächelte leise. In solchen Dingen war ich wohl nicht sehr talentiert. Aber wenn ich den wahren Wert der Edelsteine gekannt hatte ...?
Das Mädchen sah mich an und versuchte an meinen Augen abzulesen, was aus ihr werden würde. Ihr Schicksal lag nun in meiner Hand, ich war ihr Herr.
Grausam sind die Sitten auf Gor, dachte ich, wenn sechs kleine grüne Steine, die zusammen kaum fünfzig Gramm wiegen, und ein beschädigter Helm der Preis für ein Menschenleben sind.
Targo und sein Helfer waren zu den Zelten gegangen, um die Schlüssel für die Kette des Mädchens zu holen.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Eine Sklavin hat keinen Namen«, erwiderte sie. »Du magst mir einen geben, wenn du es wünschst.«
Auf Gor hat ein Sklave tatsächlich keinen Namen, da er nach dem Gesetz keine Person ist. Vom Gesichtspunkt des Goreaners aus gehörte es zu den schlimmen Dingen an der Sklaverei, daß der gefangene Sklave seinen Namen verliert. Ein Name, den er seit Geburt getragen hat, mit dem er sich selbst identifiziert hat, der zu einem Teil seiner Person geworden ist — dieser Name ist plötzlich verschwunden. »Du bist keine geborene Sklavin«, sagte ich.
Sie lächelte mich an und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Ich bin es zufrieden«, sagte ich, »dich bei dem Namen zu nennen, den du als freie Frau getragen hast.«
»Du bist freundlich«, sagte sie.
»Wie hast du geheißen?« fragte ich.
»Lara.«
»Lara?«
»Ja, Krieger«, sagte sie. »Erkennst du mich denn nicht? Ich war Tatrix von Tharna.«
22
Als das Mädchen losgekettet war, hob ich sie hoch und trug sie zu einem der runden Zelte, das man mir zugewiesen hatte.
Dort sollten wir warten, bis der Sklavenkragen graviert worden war. Das Zelt war mit dicken bunten Teppichen ausgelegt und mit zahlreichen Seidenvorhängen geschmückt. Das Licht spendete eine Tharlarionlampe, die an drei Ketten hing. Kissen lagen herum. Sanft setzte ich das Mädchen ab, das sich langsam umsah.
»Du wirst mich jetzt unterwerfen, nicht wahr?«
»Nein«, sagte ich.
Sie kniete vor mir nieder und legte die Stirn auf den Teppich. »Schlag mich«, sagte sie.
Ich hob sie hoch.
»Hast du mich nicht gekauft, um mich zu vernichten?« fragte sie verwundert.
»Nein«, sagte ich. »Hast du deshalb zu mir gesagt: »Kaufe mich, Herr ?« »Ich glaube schon«, erwiderte sie. »Ich hoffte wohl, daß du mich umbringen würdest. Aber ich bin mir nicht sicher.«