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»Warum wolltest du sterben?«

»Ich war Tatrix von Tharna«, sagte sie und senkte den Blick, »und ich möchte nicht als Sklavin weiterleben.«

»Ich werde dich nicht töten«, sagte ich.

»Gib mir dein Schwert, Krieger«, sagte sie, »und ich stürze mich hinein.« »Nein.«

»Ja, ein Krieger hat nicht gern das Blut einer Frau an seinem Schwert.« »Du bist jung, schön und voller Leben. Schlag dir die Städte des Staubes aus dem Kopf.«

Sie lachte bitter auf.

»Warum hast du mich gekauft?« fragte sie. »'Du wolltest doch sicher deine Rachegelüste befriedigen! Hast du vergessen, daß ich dich unter ein Joch gezwungen habe, daß ich dich auspeitschen und schließlich in die Arena schicken ließ? Daß ich es war, die dich verriet und in die Bergwerke Tharnas schickte?«

»Nein«, sagte ich kurz, »ich habe das nicht vergessen.«

»Ich auch nicht«, sagte sie stolz. Es war klar, daß sie nichts von mir erwartete und mich um nichts bitten würde — nicht einmal um ihr Leben. Sie musterte mich furchtlos — doch war sie hilflos und mir völlig ausgeliefert. Es war ihr wichtig, eines guten Todes zu sterben, und ich bewunderte sie dafür und fand sie in ihrer Hilflosigkeit unwiderstehlich. Ihre Unterlippe zitterte, und sie versuchte sie mit einer unmerklichen Bewegung unter Kontrolle zu bringen. Ein winziger Blutstropfen stand auf ihrer Lippe. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß ich das Blut am liebsten mit meiner Zunge abgeküßt hätte.

Ich sagte nur: »Ich möchte dir kein Leid tun.«

Sie starrte mich verständnislos an.

»Warum hast du mich gekauft?« fragte sie.

»Ich habe dich gekauft, um dich freizulassen«, sagte ich.

»Aber du wußtest doch nicht, daß ich die Tatrix von Tharna war«, sagte sie spöttisch.

»Nein«, erwiderte ich.

»Aber jetzt weißt du es — und was tust du mit mir?«

Ich lachte. »Du hast mir viel zum Nachdenken gegeben«, sagte ich. »Was geschieht mit mir?«

»Ich gebe dich frei.«

Sie trat ungläubig zurück. In ihren blauen Augen stand die Verwunderung, und plötzlich erschienen Tränen darin. Ihre Schultern begannen zu zucken.

Ich legte die Arme um ihre schmalen Schultern, und zu meinem Erstaunen legte dieses Mädchen, das die goldene Maske Tharnas getragen hatte, das Tatrix dieser düsteren Stadt gewesen war, den Kopf an meine Brust und begann zu weinen.

»Nein«, sagte sie, »ich bin es nicht wert, mehr als eine Sklavin zu sein.« »Das stimmt nicht«, sagte ich. »Denk daran, einmal hast du den Befehl gegeben, mich nicht zu schlagen. Einmal sagtest du auch, es wäre nicht leicht, die Erste Frau Tharnas zu sein. Denk daran, daß du dir einmal eine Wiese voller Talenderblumen anschautest und ich zu dumm und närrisch war, um mit dir zu sprechen.«

Sie stand in meinen Armen, und ihre tränenerfüllten Augen sahen mich an. »Warum hast du mich nach Tharna zurückgebracht?« fragte sie. »Um dich gegen meine Freunde auszutauschen«, sagte ich.

»Und das Silber und die Edelsteine Tharnas haben dich nicht interessiert?«

»Nein.«

Sie trat zurück. »Bin ich nicht schön?«

Ich sah sie an.

»Du bist sehr schön«, sagte ich, »so schön sogar, daß tausend Krieger ihr Leben lassen würden, um einmal dein Gesicht zu sehen, so schön, daß deinetwegen hundert Städte in Schutt und Asche fallen konnten.« »Würde ich einem — einem Tier gefallen?« wollte sie wissen.

»Es wäre ein großer Sieg für einen Mann, dich an seiner Kette zu haben.«

»Und doch wolltest du mich nicht behalten! Du hast mir gedroht, mich auf dem Sklavenmarkt von Ar zu verkaufen.«

Ich schwieg.

»Warum wolltest du mich nicht behalten?«

Es war eine kühne Frage für dieses Mädchen, das einmal Tatrix von Tharna war. »Meine Liebe gehört Talena, der Tochter Marlenus, der einmal Ubar Ars gewesen ist.«

»Ein Mann kann viele Sklavenmädchen haben«, sagte sie hochmütig. »Gewiß tragen in deinem Sklavengarten — wo immer der sein mag — viele Mädchen deinen Kragen.«

»Nein.«

»Du bist ein seltsamer Krieger ...«

Ich zuckte die Achseln.

Sie richtete sich vor mir auf. »Willst du mich nicht?«

»Dich zu sehen, heißt, dich zu wollen«, sagte ich.

»Dann nimm mich! Ich bin dein.«

Ich blickte zu Boden und suchte nach den passenden Worten.

»Ich verstehe dich nicht«, sagte ich.

»Tiere sind Narren!« rief sie aus.

Nach diesem unglaublichen Ausbruch trat sie an die Zeltbahn, klammerte sich an einen Vorhang und barg ihr Gesicht in den Falten. Schließlich wandte sie sich um. In ihren Augen standen Tränen. Ärgerlich sagte sie: »Du hast mich nach Tharna zurückgebracht.« »Um der Liebe meiner Freunde willen«, sagte ich. »Und wegen der Ehre!« »Vielleicht auch wegen der Ehre!« »Ich hasse deine Ehre!«

»Manche Dinge sind eben doch starker als die Schönheit einer Frau.« »Ich hasse dich!«

»Das tut mir leid.«

Lara lachte traurig auf und setzte sich, legte den Kopf auf die Knie. »Ich hasse dich gar nicht.«

»Ich weiß.«

»Aber ich habe ... ich habe dich gehaßt. Als Tatrix von Tharna haßte ich dich — sehr sogar.«

Ich antwortete nicht. Ich wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Ich hatte das heftige Gefühl gespürt, mit dem sie sich gegen mich aufgelehnt hatte.

»Weißt du, Krieger, warum ich dich gehaßt habe?«

»Nein«, sagte ich.

»Weil ich dich wiedererkannte, als ich dich zum erstenmal sah — ich hatte dich in tausend verbotenen Träumen schon gesehen.« Sie schaute mich an. »In diesen Träumen war ich die stolze Tatrix meiner Stadt, umgeben von meinem Rat und meinen Kriegern. Und plötzlich kam ein gewaltiger Tarn durch die Decke herabgestiegen, die wie Glas zerbrach, ein riesiger Tarn mit einem behelmten Krieger. Er löste meinen Rat auf, zerschlug meine Armeen und entführte mich im Sattel seines Tarn in seine Stadt, wo ich — die stolze Tatrix von Tharna — sein Brandzeichen und seinen Kragen tragen mußte.«

»Du darfst diese Träume nicht fürchten«, sagte ich.

»Und in seiner Stadt«, fuhr das Mädchen mit leuchtenden Augen fort, »legte er mir Glöckchen um die Knöchel und kleidete mich in Tanzseide. Mir blieb gar nichts anderes übrig, ich mußte ihm gehorchen. Und wenn ich nicht mehr tanzen konnte, nahm er mich in die Arme und zwang mich, wie ein Tier seinem Vergnügen zu dienen.«

»Ein grausamer Traum«, sagte ich.

Sie lachte, und auf ihrem Gesicht leuchtete die Scham. »Nein«, sagte sie, »der Traum war gar nicht grausam.«

»Ich verstehe nicht.«

»In seinen Armen lernte ich etwas, das Tharna uns nicht lehren konnte. In seinen Armen lernte ich es, an der heißen Flamme seiner Leidenschaft teilzunehmen. In seinen Armen lernte ich Berge und Blumen kennen und hörte den Schrei wilder Tarns und spürte die Klauenberührung eines wilden Larls. Zum erstenmal in meinem Leben kamen meine Sinne zu ihrem Recht — zum erstenmal spürte ich die Bewegung der Kleidung an meinem Körper, zum erstenmal sah ich, wie sich ein Auge öffnet, spürte, wie sich die Berührung einer Hand wirklich anfühlt — und da wußte ich, daß ich nicht mehr oder weniger war als dieser Mann oder jedes andere lebendige Wesen auf dieser Welt, und ich liebte ihn!«

Ich schwieg.

»Ich hätte seinen Kragen nicht um alles Gold und Silber Tharnas aufgegeben, nicht um alle Steine ihrer grauen Mauern!«

»Aber du warst doch gar nicht frei in deinem Traum«, sagte ich. »War ich denn frei in Tharna?«

Ich starrte auf das verschlungene Teppichmuster und schwieg. »Natürlich«, fuhr sie fort, »unterdrückte ich als eine Frau, die die Maske Tharnas trug, diesen Traum. Ich haßte ihn. Er entsetzte mich. Er besagte, daß sogar ich, die Tatrix der Stadt, die unwürdige Natur eines Tieres hatte.« Sie lächelte. »Als ich dich dann sah, glaubte ich, in dir den Krieger meines Traums wiederzuerkennen. Also haßte ich dich und wollte dich vernichten, weil du mich und meine Stellung bedrohtest, und während ich dich haßte, fürchtete ich dich auch — und ich sehnte mich nach dir.«