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Andere Krieger in den blauen Helmen und grauen Tuniken Tharnas waren nun auf die Walle gestiegen, um die Szene besser zu verfolgen.

»Auf eure Posten!« brüllte Thorn.

»Ihr seid Krieger!« rief ich. »Eure Schwerter sind eurer Stadt verpflichtet, ihren Mauern, ihren Einwohnern — und der Tatrix!

Dient ihr!«

»Ich will der wahren Tatrix von Tharna dienen!« rief der junge Krieger. Er sprang von der Barrikade und legte Lara sein Schwert zu Füßen. »Nimm dein Schwert«, sagte sie »im Namen Laras, der wirklichen Tatrix von Tharna.«

»Ich tu’s«, entgegnete er.

Er ging vor dem Mädchen auf ein Knie nieder und griff nach der Waffe. »Ich nehme mein Schwert«, sagte er, »im Namen Laras, die die wahre Tatrix von Tharna ist.«

Er stand auf und grüßte das Mädchen mit der Waffe. »Wer ist die wahre Tatrix von Tharna?« rief er, »Das ist nicht Lara!« schrie Thorn und deutete auf das Mädchen. »Wie kannst du dessen so sicher sein?« fragte einer der Krieger auf dem Wall.

Thorn schwieg, denn wie konnte er zu wissen vorgeben, daß das Mädchen nicht Lara war, wenn er das Gesicht der wahren Tatrix angeblich niemals gesehen hatte?

»Ich bin Lara!« rief das Mädchen. »Sind unter euch keine Männer, die im Saal der goldenen Maske gedient haben? Erkennt niemand meine Stimme?«

»Sie ist es!« rief einer der Krieger. »Ganz sicher!« Er nahm seinen Helm ab.

»Du bist Stam«, sagte sie, »erster Gardist des Nordtors, und du kannst deinen Speer weiter schleudern als jeder andere Mann in Tharna. Du hast im zweiten Jahr meiner Herrschaft die Militärkämpfe der En’Kara gewonnen.«

Ein zweiter Krieger setzte seinen Helm ab.

»Du bist Tau«, sagte sie, »ein Tarnkämpfer, der im Jahre vor meiner Thronbesteigung im Krieg mit Thentis verwundet wurde.«

Und ein dritter Mann hob den blauen Helm vom Kopf.

»Dich kenne ich nicht«, sagte sie.

Die Männer auf der Mauer murmelten.

»Das kannst du auch nicht«, sagte der Mann, »denn ich bin ein Söldner aus Ar, der erst nach Beginn der Revolte hier eingetroffen ist.« »Sie ist Lara!« rief ein anderer Mann. Er sprang von der Mauer und legte sein Schwert zu Laras Füßen nieder.

Wieder bat sie, daß die Waffe in ihrem Namen aufgenommen werde, und so geschah es.

Einer der Blocke der Barrikade polterte zu Boden. Die Krieger begannen den Wall einzureißen.

Thorn war verschwunden.

Auf mein Handzeichen kamen die Rebellen langsam näher; Sie hatten die Waffen gesenkt und marschierten nun singend auf die Palasttür zu. Die Soldaten strömten über die Walle und hießen sie freudig willkommen. Die Männer Tharnas umarmten sich, schüttelten sich die Hände. Rebellen und Verteidiger vereinigten sich mitten auf der Straße, und Szenen der Freude beherrschten das Bild, wo sich noch eben Todfeinde gegenübergestanden hatten.

Den Arm um Lara gelegt, schritt ich durch die Barrikaden, gefolgt von dem jungen Krieger, anderen tharnaischen Soldaten und Kron, Andreas, Linna und zahlreichen Rebellen.

Andreas hatte den Schild und den Speer mitgebracht, die ich zum Zeichen des Waffenstillstandes niedergelegt hatte, und ich nahm die Waffen wieder an mich. Wir näherten uns der kleinen Eisentür, die den Zugang zum Palast freigab.

Ich verlangte nach einer Fackel.

Die Tür war nicht verriegelt, und ich öffnete sie mit einem Fußtritt, wobei ich schützend meinen Schild anhob.

Doch drinnen herrschten nur Stille und Dunkelheit.

Der Rebell, der in unserer Kettengemeinschaft der erste gewesen war, drückte mir eine Fackel in die Hand.

Ich hielt sie in die Türöffnung.

Der Fußboden schien fest zu sein, doch ich kannte die Gefahren, die darunter lauerten.

Ein langes Brett von den Barrikaden wurde gebracht, das wir vorsichtig von der Türschwelle aus über den Fußboden legten Mit hochgehobener Fackel trat ich ein, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, wobei ich darauf achtete, mein Gewicht nicht von der Planke zu nehmen. Diesmal öffnete sich die Falltür nicht, und ich befand mich in einem schmalen, dunklen Korridor, der vom Palasteingang fortführte.

»Wartet hier!« befahl ich den anderen.

Ich ging auf ihre Proteste nicht ein, sondern setzte wortlos meinen Marsch durch das dunkle Labyrinth der Palastkorridore fort. Meine Erinnerung und mein Richtungssinn führten mich unfehlbar von Saal zu Saal, brachten mich schnell in die Nähe des Saales der goldenen Maske.

Niemand trat mir in den Weg.

Die Stille kam mir unheimlich vor, und nach dem grellen Sonnenlicht erschien mir die Dunkelheit bedrückend. Ich hörte nur den leisen Laut meiner Sandalen, die über die Fliesen der Korridore scharrten. Vielleicht war der Palast verlassen!

Endlich erreichte ich den Saal der goldenen Maske.

Ich lehnte mich gegen die schwere Tür und drückte sie auf.

Der Saal war beleuchtet. Die Fackeln an den Wanden brannten. Hinter dem goldenen Thron der Tatrix ragte die goldene Maske auf, schimmerte das Gesicht der nüchternen Schönheit, und die Glanzlichter der Fackeln stachen grell hervor.

Auf dem Thron saß eine Frau, die die goldenen Roben und die Maske der Tatrix von Tharna trug. Um ihren Hals hing ein Band aus silbernen Tarnmünzen. Auf den Stufen vor dem Thron stand ein Krieger in voller Bewaffnung, der in der Hand den blauen Helm seiner Stadt hielt. Langsam setzte Thorn den Helm auf und lockerte das Schwert in seiner Scheide. Er löste den Schild von seiner Schulter und senkte den langen, breiten Speer in meine Richtung.

»Ich habe auf dich gewartet«, sagte er.

25

Die Kriegsschreie Tharnas und Ko-ro-bas vermischten sich, als Thorn die Treppenstufen herabstürzte und ich ihm entgegenstürmte.

Beide warfen wir unsere Speere im gleichen Augenblick, und die beiden Warfen zischten wie verschwommene Blitze aneinander vorbei. Beide hatten wir bei dem Wurf unsere Schilde schräggestellt, damit der Aufprall des Speers abgemildert wurde und die Spitze vielleicht sogar abgleiten konnte. Beide hatten wir gut gezielt, und die Wucht des Speers, der auf meinen Schild donnerte, riß mich halb herum.

Die bronzene Speerspitze hatte sich mühelos durch die Messingriemen auf dem Schild und die sieben Schichten gehärteten Boskleders gebohrt. So konnte der Schild mir nichts mehr nützen. Kaum hatte der Speer getroffen, als mein Schwert auch schon aus der Scheide sprang und die Schultergurte des Schildes durchschnitt, so daß ich von der Last befreit wurde.

Sekunden später polterte auch Thorns Schild zu Boden und rutschte klirrend über die Marmorsteine des Thronsaals. Mein Speer war einen ganzen Meter hindurchgedrungen und war über seine linke Schulter gefahren.

Auch er hatte nun das Schwert erhoben, und wir sprangen wie Larls aus den Voltai-Bergen aufeinander los, und unsere Waffen trafen mit einem scharfen, freien Ton aufeinander, mit jenem widerzitternden, klaren Klirren wohlgeschmiedeter Klingen, dem ersten Ton unserer hellen, glitzernden, perlenden Musik des Schwertkämpfes.

Scheinbar unbeteiligt saß die goldbekleidete Gestalt auf dem Thron und sah zu, wie die beiden Krieger zu ihren Füßen vorrückten und zurückwichen — der eine in die blaue Tunika und den blauen Helm Tharnas gekleidet, der andere in das einheitliche Rot der goreanischen Kriegerkaste gehüllt.

Unsere Spiegelbilder bekämpften sich in der schimmernden Oberfläche der Goldmaske hinter dem Thron.

Unsere Schatten, verformt von den Fackelflammen, zuckend, wild, riesig, rannten an den Wänden des Thronsaales ineinander.

Dann gab es plötzlich nur noch ein Spiegelbild und nur noch einen riesigen, grotesken Schatten im Saal der goldenen Maske.

Thorn lag mir zu Füßen.

Ich trat ihm das Schwert aus der Hand und drehte den Körper mit dem Fuß herum. Thorns Brust zuckte unter der befleckten Tunika; sein Mund schnappte nach der Luft, als versuchte er sie aufzuhalten. Sein Kopf rollte zur Seite.

»Du hast gut gekämpft«, sagte ich.

»Ich habe gesiegt«, entgegnete er, und er spuckte die Worte in einer Art Flüstern heraus, ein verzerrtes Grinsen auf dem Gesicht.

Ich fragte mich, was er meinen mochte.