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Einige Silbermasken wurden in den Abflußtunneln unter der Stadt entdeckt und mit Urts durch die langen Rohren getrieben, bis sie sich in den Fangnetzen an den Ausgängen fingen. Andere Frauen hatten in den Bergen außerhalb der Mauern Zuflucht gesucht, und diese wurden von wütenden Bauern wie Sleens gejagt, zusammengetrieben und schließlich in die Stadt gebracht.

Die meisten Silbermasken jedoch kamen in freier Entscheidung auf die Straße, als ihr Kampf verloren war. Sie ergaben sich auf die traditionelle Weise, indem sie hinknieten, den Kopf senkten und die Arme hoben, die Handgelenke für die Fessel bereit.

Das Pendel in Tharna war wieder in Bewegung geraten.

Ich selbst hatte vor dem goldenen Thron gestanden, als Lara den Befehl gab, die riesige Goldmaske, die hinter ihr hing, mit Speeren zu lösen. Nicht länger sollte das hochmütige Gesicht über den Thronsaal Tharnas herrschen.

Die Männer Tharnas hatten ungläubig zugesehen, wie sich die Riesenmaske gelockert hatte, wie sie langsam vornübergefallen und, von ihrem eigenen Gewicht gezogen, losgebrochen und klirrend die Thronstufen herabgefallen war, wo die hundert schimmernden Bruchstücke liegen blieben.

»Schmelzt die Maske ein«, sagte Lara. »Es sollen goldene Tarnmünzen daraus gegossen werden, Für die Armen, die am meisten unter unserer düsteren Zeit gelitten haben.

Und fügt den goldenen Tarnmünzen Silbermünzen hinzu, die aus den Masken unserer Frauen zu gießen sind! Von nun an darf in Tharna keine Frau mehr eine Maske tragen, sei sie aus Gold oder Silber, selbst wenn sie die Tatrix persönlich wäre!«

Da nach den goreanischen Traditionen ihre Worte Gesetz waren, hatte seit dem Tage keine goreanische Frau mehr eine Maske getragen. Kurz nach Beendigung der Revolte begannen in den Straßen Tharnas die goreanischen Kastenfarben zu leuchten. Die schimmernden Baustoffe der Kaste der Hausbauer, die in der Stadt lange als zu teuer und zu frivol verpönt waren, schmücken nun die Wände der Zylinder und auch die Mauern der Stadt. Kiesstraßen werden mit farbigen Pflastersteinen versehen — in Mustern, die das Auge erfreuen. Das Holz des großen Tors ist poliert worden. Frische Farbe leuchtet an den Brücken.

Das Geräusch von Karawanenglocken ist in Tharna nichts ungewöhnliches mehr, und Scharen von Händlern haben ihren Weg zu den Toren der Stadt gefunden, um diesen überraschenden Markt auszunutzen.

Hier und dort präsentiert sich ein Tarnkämpfer in goldenem Wams. Am Markttag sah ich einen Bauern mit einem Sa-Tarna-Sack auf dem Rücken, dessen Sandalen mit Silberschnur versehen waren.

Ich habe Privatwohnungen gesehen, in denen Vorhänge aus Ar leuchten, und unter meinen Sandalen haben schon zuweilen die weichen, kostbaren Teppiche aus dem fernen Tor gelegen.

Es mag ein winziges Detail sein, am Gürtel eines Kunstschmieds eine Schnalle zu entdecken, die nach dem Stil des gebirgigen Thentis geformt ist, oder den köstlichen Geschmack getrockneter Aale aus Port Kar zu genießen — doch diese Dinge, so gering sie erscheinen mögen, sprechen von einem veränderten Tharna.

In den Straßen hörte ich Rufe, Lieder und Lärm, wie er auf Gor nicht typischer sein kann. Der Marktplatz ist jetzt nicht mehr nur eine gepflasterte Fläche, auf der man düster seinen Geschäften nachgeht. Er ist zu einem Ort geworden, an dem sich Freunde treffen, Einladungen austauschen, über Politik diskutieren und Wetter, Strategie, Philosophie und die Bändigung von Sklavenmädchen besprechen.

Eine interessante Veränderung, mit der ich mich nicht recht anfreunden kann, ist die Tatsache, daß von den hohen Brücken Tharnas die Geländer entfernt worden sind. Ich hielt das für sinnlos und sogar gefährlich, doch Kron hatte gesagt: »Wer die hohen Brücken fürchtet, soll ihnen fernbleiben.«

Ich sollte vielleicht auch erwähnen, daß die Männer Tharnas nun am Gürtel ihrer Tuniken zwei gelbe Schnüre tragen, die je etwa fünfzig Zentimeter lang sind. Schon an dieser Einzelheit können die Männer anderer Städte nun einen Einwohner Tharnas erkennen.

Am zwanzigsten Tage nach dem Frieden in Tharna wurde das Schicksal der Silbermasken verkündet.

Sie wurden ohne Masken, ohne Schleier und in Halsfesseln in die Arena der Schauspiele von Tharna geführt. Dort sollten sie das Urteil ihrer Tatrix Lara hören. Sie knieten vor ihr nieder — einst stolze Silbermasken, jetzt hilflose Gefangene, in demselben schimmernden Sand, auf dem so oft das Blut der Männer von Tharna vergossen worden war.

Lara hatte lange über ihr Urteil nachgedacht und sich mit vielen beraten, darunter auch mit mir. Schließlich traf sie ihre Entscheidung allein. Ich glaube nicht, daß mein Urteil so hart ausgefallen wäre, doch ich muß zugeben, daß Lara ihre Stadt und die Silbermasken besser kannte als ich.

Ich wußte natürlich, daß es nicht möglich war, die alte Ordnung wiederherzustellen, was im übrigen nicht wünschenswert war. Auch machte ich mir klar, daß Tharna nach der Beseitigung langjähriger Traditionen gar nicht mehr darauf eingerichtet war, für freie Frauen in seinen Mauern zu sorgen. Beispielsweise hatte es seit vielen Generationen die Einrichtung der Familie nicht mehr gegeben, die von der Trennung der Geschlechter und den öffentlichen Kinderheimen abgelöst worden war.

Auch darf nicht vergessen werden, daß die tharnaischen Männer, die während ihrer Revolution auf den Geschmack gekommen waren, nun ein Recht auf die Frauen geltend machten. Kein Mann, der eine Frau in einem Tanzkleid gesehen oder das Geräusch ihrer Glöckchen gehört oder ihr langes Haar gesehen hat, vermochte sein altes Leben wiederaufzunehmen.

Auch schien es nicht realistisch, den Silbermasken die Alternative des Exils zu bieten, denn das wäre gleichbedeutend gewesen mit Tod oder Sklaverei.

So war Laras Urteil unter den gegebenen Umstanden durchaus barmherzig — obwohl es von den gefesselten Gefangenen mit lauten Entsetzensschreien begrüßt wurde.

Jede Silbermaske erhält sechs Monate Frist. In dieser Zeit kann sie frei in der Stadt wohnen und sich von öffentlichen Mitteln ernähren, so wie es vor der Revolution geschehen ist. Doch in diesen sechs Monaten soll sie sich einen Mann Tharnas suchen, dem sie sich als Freie Gefährtin vorschlägt.

Wenn er sie nicht nimmt — und wenige Männer Tharnas werden Lust haben, einer Silbermaske die Privilegien einer Freien Gefährtenschaft zu gewahren —, mag er sie ohne weiteres als seine Sklavin nehmen oder sie völlig ablehnen. Wenn sie abgelehnt wird, kann sie sich in gleicher Weise anderen Männern Tharnas anbieten.

Nach Ablauf der sechs Monate jedoch — vielleicht hat sie sich ja gar keinen Herrn gesucht — wird ihr die Initiative abgenommen, und sie gehört dem ersten Mann, der ihr das dünne Band der Sklavenschaft um den Hals legt. In diesem Falle wird sie nicht anders behandelt als ein Mädchen, das auf dem Rücken eines Tarn aus einer fernen Stadt geraubt wurde.

Angesichts der Stimmung unter den Männern Tharnas gibt Laras Urteil den Silbermasken eine Zeitlang Gelegenheit, sich einen Herrn auszusuchen und dann anschließend selbst als Sklavin genommen zu werden. So wird jede Silbermaske nach Ablauf der Frist einem Manne gehören.

Viel mehr ist nicht zu berichten.

Kron bleibt in Tharna, wo er im Rate der Tatrix Lara einen hohen Rang bekleidet.

Andreas und Linna wollen die Stadt verlassen; er sagt, es gibt viele Städte auf Gor, die er noch nicht kennt, und er hofft, auf einem dieser Wege das Lied zu finden, nach dem er immer gesucht hat. Ich hoffe aus ganzem Herzen, daß seine Suche erfolgreich ist.

Das Mädchen Vera aus Ko-ro-ba wird zunächst in Tharna wohnen — als freie Frau. Da sie nicht aus Tharna stammt, ist sie von den Beschränkungen befreit, die den Silbermasken auferlegt wurden. Ob sie in der Stadt bleiben wird, weiß ich nicht. Sie ist eine Ausgestoßene wie ich und alle anderen Bürger aus Ko-ro-ba, und solche Menschen finden es zuweilen schwer, sich in einer fremden Stadt einzugewöhnen. Manchmal ziehen sie die Gefahren der Wildnis dem Schutz fremder Mauern vor. Auch mußte in Tharna die Erinnerung an Thorn für sie übermächtig sein.