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    Ringsum herrschte das tiefste Schweigen, das Schweigen des Hochgebirges. Die Sonne war über den Berggipfeln erschienen und sandte ihre wohltätig wärmenden Strahlen auf die Flüchtlinge.

    So ritten sie eine Stunde einher, und neue Lebenskraft strömte durch die Adern der Männer, die eine so grauenhafte Sturmnacht hinter sich hatten.

    Vor ihnen schien der Weg eine Biegung zu machen. Alonzo ließ seine Gefährten halten, gab den Zügel seines Tieres dem Kreolen und ging vor, um zu spähen.

    Bald kam er zurück zu den seiner harrenden Gefährten.

    "Sie sind vor uns am Wege, sie haben Feuer angezündet und lagern," sagte er ganz ruhig.

    Fernando und Antonio erschraken in der Tiefe ihrer Seele; so war also der entscheidende Augenblick gekommen. Doch waren beide keine schwächlichen Menschen, und nach Überwindung des ersten Schreckens, den die zwar nicht unerwartete, aber doch immer überraschend kommende Nachricht wachgerufen, kehrte die Entschlossenheit zurück.

    Es war immer noch besser, im Licht der Sonne mit den Waffen in der Hand zu sterben, wenn es denn gestorben sein mußte, als wehrlos unter dem Messer der gefühllosen Wilden.

    Mit Bewunderung sahen die beiden erregten Männer auf den Knaben vor ihnen, der gleichem Schicksal ausgesetzt wie sie doch durch keinen Zug verriet, daß die nahende Gefahr ihn bewege.

    "Nun ist die Stunde da, sie soll mich als Mann finden," sagte Fernando.

    Sein Auge war feucht, als er fortfuhr: "Doch du, mein heldenhafter Knabe, wer heißt dich unser Geschick teilen? Geh - du vermagst dich zu retten - du hast genug für uns getan."

    Mit einem Ausdruck so ruhig und entschlossen und so würdevoll zugleich, daß er dem jugendlichen Gesicht Alonzos den Schimmer echter Seelengröße lieh, sagte er: "Wir kämpfen und sterben zusammen, wenn es sein muß."

    "Herzensjunge, kommen wir davon, ich will es dir vergelten. Aber was tun wir? Sage es. Sollen wir über sie herfallen? Überraschung ist halber Sieg."

    "Es wäre vergeblich," erwiderte ernst der Knabe. "Wir könnten einige töten, aber die anderen würden sich in den Hinterhalt legen, uns erwarten und gleich Rehen niederschießen. Ich will dir sagen, was wir tun müssen. Während ihr hier harrt, will ich drüben in die Felsen klettern und mich den Aimaràs zeigen, ich glaube, sie werden mir begierig folgen. Diesen Augenblick benützt ihr und jagt auf dem Wege, der dort durch ein Wiesental führt, weiter. Bald seid ihr wieder von Felsen umgeben und der Weg ist eng, dort könnt ihr euch wehren, wenn sie euch folgen. Harret mein, da, wo der Weg wieder in ein grünes Tal mündet, das ein Bach durchfließt, ich werde über die Berge gehen und zu euch stoßen."

    "Das ist verwegen, mein junger Freund - du setzest dein Leben auf das Spiel."

    "Nein - ich klettere gleich einem Bergschafe und die Indios nehmen es darin nicht mit mir auf - für mich ist keine Gefahr. Folgen sie mir aber nicht alle, so müßt ihr hervorbrechen und euch durchschlagen. Nur mein Pferd dürft ihr nicht zurücklassen."

    Der Plan des Knaben war verwegen, aber ausführbar, größer konnte die Gefahr dadurch nicht werden. Man beschloß danach zu handeln, obgleich die beiden jungen Männer nicht verkannten, daß der hochherzige Knabe sich von neuem für sie in große Gefahr begab.

    Alonzo führte seine Gefährten jetzt vorsichtig weiter. Als sie einem Felsvorsprung nahten, wurden die Tiere an Sträucher angebunden, und auf dem Boden kriechend, bewegten sie sich, vorsichtig Deckung hinter Felsgestein suchend, vor, bis sie einen Ausguck in das Tal hatten.

    In einiger Entfernung gewahrten sie etwa ein Dutzend Indianer um ein Feuer sitzend, während ihre Tiere grasten; die Wilden saßen ganz sorglos da.

    "Von hier aus sollt ihr die Aimaràs beobachten. Ich zeige mich ihnen drüben auf den Felsen," er wies auf die Stelle; "sind sie mir gefolgt, reitet eilig voran, nur vergeßt mein Pferd nicht." Er zeigte ihnen auch die Schlucht, in der der Weg weiter lief.

    "Nun gib mir deinen Poncho, Don Fernando, und deinen Hut, sie müssen mich für einen von euch halten."

    Bereitwillig gab ihm der Kreole beides. "Gebt acht und behaltet vorsichtig eure Deckung; die Indios haben scharfe Augen."

    Alonzo nahm seine Büchse und ging zurück, um eine geeignete Stelle zu suchen, die ihm gestattete, jenseits des Tales zu gelangen.

    In tiefer seelischer Aufregung blieben die anderen allein, ungeduldig dessen harrend, was kommen würde.

    Die Aimaràs, die wohl ihrer Pflicht vollkommen genügt zu haben glaubten, auch wohl der Ansicht sein mochten, daß ein Passieren des Wächterhäuschens unmöglich sei, gaben sich nach der unheilvollen Nacht der Ruhe hin. Einige hatten sich niedergestreckt, andere saßen und rauchten.

    Immer länger wurde den Lauschern die Zeit, immer angstvoller harrten sie des Erscheinens des Knabens auf den bezeichneten Felsen.

    Nur flüsternd wagten sie, trotz der Entfernung der Feinde, sich zu unterhalten und kaum sich zu bewegen, auch lauschten sie angstvoll auf jedes Geräusch.

    So vergingen wohl zwei Stunden, der Weg des Knaben mußte schwierig sein.

    "Seht dorthin -" flüsterte endlich der Mestize in fieberhafter Erregung - "dort ist er!"

    Ja, erkennbar kletterte dort auf den Felsen jenseits des Tales ein Mensch in Poncho und Sombrero einher. Die Aimaràs gewahrten ihn nicht.

    Die Augen Fernandos und Antonios waren auf Alonzo, auf die Wilden gerichtet. Noch immer wurde der Knabe nicht entdeckt.

    Da rutschte er aus, eine Strecke hinab und mochte wohl Steine ins Rollen gebracht haben. Jetzt erhoben sich die Aimaràs wie ein Mann und starrten nach den Felsen.

    Alonzo schien in Todesangst dort einherzuklettern. Der größere Teil der Aimaràs lief auf die Felsen zu mit einem Triumphgeheul, das bis zu den Lauschern drang. Drei blieben zurück, wohl um die Pferde zu bewachen.

    Diejenigen, die Alonzo nachsetzten, waren verschwunden. Alonzo ebenfalls. Die zurückgebliebenen Indios schauten hinauf zu den Felsen. 

 Der Mestize legte seine Büchse an die Wange und schoß.

Jetzt war die Gestalt des kühnen Knaben wieder sichtbar. Die unten schrieen, Alonzo schlüpfte hinter einen Felsen.

    Zitternd vor Aufregung sahen Fernando und der Halbindianer dem zu.

    "Jetzt vorwärts," sagte Antonio, "es ist Zeit!"

    "Ja, wir wollen es wagen!"

    "Nehmt das Pferd des Knaben, Don Fernando, ich will schießen."

    "Ja."

    Eilig bestiegen sie die Mulos. Antonio ritt, die Büchse in der Hand, voran, Fernando folgte, das Pferd Alonzos am Zügel führend. Die Aufmerksamkeit der drei zurückgebliebenen Aimaràs war so ganz auf die Felsen gerichtet, daß sie das Erscheinen der Flüchtlinge nicht bemerkten. Wieder zeigte sich der verwegene Knabe an einer anderen Stelle -, er gewahrte die Freunde und war gleich darauf nicht mehr gesehen.

    Jetzt wandte sich einer der Aimaràs um, und sein gellender Schrei belehrte die Flüchtenden, daß sie entdeckt waren. Sie waren bereits in Schußweite und der Mestize riß, dies erkennend, die Büchse an die Wange und schoß auf den, der geschrieen hatte. Er mußte getroffen haben, denn der Mann wankte und fiel ins Gras nieder. Die beiden anderen verschwanden mit großer Geschwindigkeit hinter den weidenden Pferden.

    "Vorwärts! Vorwärts!" schrie Antonio; sie trieben die Tiere an und erreichten, das Tal rasch durchreitend, bald den engen Felspfad, der sie weiter führen sollte.