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    "Mignon!" rief hierauf eine angstvolle Stimme und das junge Mädchen trat aus den Büschen hervor, von jähem Schreck wie erstarrt stehen bleibend, als sie das Raubtier vor sich erblickte. Die gewaltige Katze zog sich vor der hellgekleideten Gestalt knurrend etwas zurück, ihre Beute verlassend, kauerte nieder und schlug mit dem langen Schweife die Erde, während ihre grünlichen Lichter unheimlich funkelnd auf das Mädchen gerichtet waren. Das Tier bemaß den Sprung.

    Da hob sich Alonzos Büchse - entlud sich und durch den Kopf geschossen lag die Bestie regungslos da, nur ein krampfhaftes Zittern durchlief ihren Leib.

    Der Schreckensruf eines Mannes ließ sich hören; ein alter Herr in dem Anzug der wohlhabenden Hacienderos des Landes tauchte aus den Büschen auf und kam zur rechten Zeit, um das zum Tod erschreckte Mädchen vor dem Umsinken zu bewahren. Sein Blick fiel bald auf die ihre Glieder von sich streckende Bestie, bald auf das bleiche Gesicht des Kindes. Er rief um Hilfe, um Wasser, und zwei Peons eilten herbei, die mit nicht geringem Staunen den toten Jaguar sahen.

    Alonzo, der Jägerregel folgend, lud seine Büchse und trat dann aus den Büschen, so nah, daß er des Mädchens Angesicht sehen konnte, das bleich mit geschlossenen Augen an des alten Mannes Brust ruhte.

    Niemand achtete seiner, denn alle Aufmerksamkeit galt dem ohnmächtigen Kinde. Mit leuchtenden Augen schaute Alonzo die Kleine an, ein Engel deuchte sie ihm in ihrer kindlichen Schönheit.

    Da öffnete sie die Augen und ihr Blick traf auf den des Knaben, der sie so bewundernd anstarrte, schlossen sich aber dann wieder.

    Die Peons liefen nach Wasser, eine ältere Sennora und ein dienendes Mädchen, eine Mulattin, eilten herbei - alle umdrängten das Kind.

    Alonzo, um den sich niemand kümmerte, der bei der Erregung aller kaum bemerkt zu werden schien, warf noch einen Blick auf das Mädchen, nahm die Büchse in den Arm, ging zurück zu seinem Maultier, stieg in den Sattel und ritt langsam mit überaus glücklichem Gesicht nach Norden zu. Ein Zeltlager, das er in kurzer Entfernung erblickte, sagte ihm, daß hier eine vornehme Familie die Waldeinsamkeit aufgesucht habe.

    Nach einiger Zeit hörte er den Galopp eines Pferdes hinter sich und gleich darauf erschien einer der Peons, die er eben gesehen hatte.

    "Warte doch, Bursche," rief der Mann schon in einiger Entfernung, "was reitest du denn davon?"

    Alonzo hielt und wandte dem Mann sein ernstes, stolzes Gesicht zu, denn der Ton, in dem er ihn anredete, mißfiel ihm.

    "Vorwärts, du mußt gleich zurückkommen, Sennor will dir danken. Beeile dich, Bursche, man läßt keinen Sennor warten."

    Alonzo maß ihn ernsten Blickes von Kopf bis zu den Füßen.

    "Sage deinem Sennor, daß er mir keinen Dank schuldig ist, und daß ich ihm rate, künftig höflichere Diener mit Botschaften auszusenden."

    Alonzo hatte außer der Haltung und dem kühnen, stolzen Ausdruck des Gesichts nichts vom vornehmen Herrn an sich, sein zerrissener Poncho, der vom Regen arg mitgenommene Hut, die rauhe Fußbekleidung deuteten mehr auf den Bettler als den Caballero.

    Der verblüffte Peon erwiderte: "Du bist ja wohl nicht recht gescheit, du Estupido, du?"

    Unter dem drohenden Blick der dunklen Augen Alonzos war dem Diener doch nicht recht wohl. Alonzo sagte aber ruhig: "Empfiehl mich der Sennorita, und ich machte ihr das Jaguarfell zum Geschenk. Fort!" herrschte er den Diener an, als dieser zögerte, und eingeschüchtert wandte der sein Roß und galoppierte zurück.

    Alonzo ritt weiter, immerfort an das zarte Kind denkend, das er vor dem wilden Tiere beschützt hatte.

    Er rastete während der Mittagshitze und setzte dann seinen Weg nach Norden weiter fort, bis die Sonne sich zu senken begann.

    Er betrat ein Tal, lieblich und lauschig. Malerische Felsgruppen engten es ein, auf denen Wachs- und Fächerpalmen wuchsen; einige mächtige Ceiba- und Terebinthenbäume bildeten eine Gruppe in dessen Mitte. Blühende Sträucher ringsum, auf denen Kolibris und Schmetterlinge gaukelten, erfreuten das Auge.

    Staunend hielt er an - fast erschreckt. Er blickte sich um - an drei Stellen der felsigen Einfassung rauschte in kleinen Kaskaden silberhell das Wasser der Berge herab.

    Einem Blitze gleich zuckte es durch seine Seele - schaudernd erkannte er, daß er an der Stätte weile, an der seine Lieben den jähen Tod durch Mörderhand fanden. Ein unendliches Weh zog durch sein Herz. Das war das Tal der drei Quellen.

    Endlich fand er Worte für den unsäglich herben Schmerz.

    "O Vater, Mutter, o ihr Lieben alle!" entrang es sich seinen Lippen. "O warum muß ich leben und die Unglücksstätte sehen, die euer Herzblut trank?"

    Der ganze Schrecken jener Stunde stand vor seiner Seele. Er sank vom Maultier auf die Knie, betete und weinte herzbrechend. Es war lange her, daß Tränen seine jungen Augen gefeuchtet hatten.

    Langsam ließ die furchtbare Erregung seiner Seele nach.

    "Ihr seid im ewigen Himmelslicht und seht auf mich herab. Bittet für mich am Thron des Ewigen."

    Alonzo stand endlich auf.

    Er beschloß, die Nacht an diesem ihm so schreckenvollen und doch für ihn geheiligten Ort zuzubringen.

    Er nahm sein Maultier am Zügel und sah sich nach einer Lagerstatt um. Während er noch so stand, ritt ein Mann, der aus den Bergen kommen mußte, langsam durch das Tal der Ebene zu.

    Er war auf der anderen Seite der Gruppe von Ceibabäumen hervorgekommen, und sah Alonzo nicht. Ein Schuß hallte an den Felsen wider, der Mann wankte und neigte sich nach vorn über.

    Alonzos Auge überflog, trotz der jähen Überraschung, hierbei die umbuschte Felswand, sah den Pulverdampf und glaubte eine Gestalt in blau gestreiftem Poncho dort zu erkennen.

    Ohne sich zu besinnen, nahm er seine Büchse zur Hand und lief auf den verwundeten Mann zu, der sich nur mühsam im Sattel hielt.

    Während er ihn mit der linken Hand zu stützen suchte, schaute er nach der Stätte, woher der Schuß gekommen und legte mit der Rechten seine Büchse in dieser Richtung an. Doch nichts zeigte sich seinem Auge.

    "Seid ihr verletzt?" fragte er dann den Mann, dessen runzelvolles, graubärtiges Gesicht sich über ihn neigte.

    "Ja, und es wird für dieses Leben genug sein."

    "Das möge ein gütiges Geschick verhüten!"

    "Fort, oder wir bekommen den zweiten Schuß."

    Alonzos Falkenblick glaubte eine Bewegung in den Büschen, von wo aus der Schütze gefeuert haben mußte, wahrzunehmen, und schoß nach der Stelle hin. Eine stärkere Bewegung zeigte dem Jüngling an, daß der Schütze noch da sei.

    "Hast du gesehen? Getroffen? Wer war es?"

    Alonzo sagte dem Verwundeten, warum er geschossen und was er bemerkt habe.

    "Du bist ein entschlossener Knabe. Es wird einer von den farbigen Schuften gewesen sein."

    "Gebt mir eure Büchse." - Der Alte trug sie auf dem Rücken.

    "Nimm sie, sie ist geladen -"

    Alonzo nahm dem Mann die Waffe vorsichtig ab und bemerkte, daß Blut sein Hemd auf dem Schulterblatt rötete.

    Die Büchse schußfertig in der Hand, die Büsche im Auge, führte er rückwärts gehend das Pferd, an dessen Hals sich der Verwundete klammerte, aus dem Bereich des Waldes heraus.

    Als sie einige einsam in der Ebene stehende Palmen erreichten, half er dem Manne aus dem Sattel.

    "Erlaubt, daß ich nach eurer Wunde sehe." Alonzo lüpfte des Mannes Hemd.