"Ich hoffe, mich unter den Schutz Euer Excellenza stellen zu dürfen, denn ich komme, um Euer Gnaden einen Dienst zu leisten."
"Ich hätte große Lust, Sie durch meine Lanceros festnehmen zu lassen," und de Vallas Hand bewegte sich unter dem Rocke.
Wie ein Blitz fuhr aber Tejadas Doppelpistole empor und richtete sich auf den Minister. "Lassen Euer Gnaden ja stecken, ich kenne Ihre Fertigkeit im Gebrauche dieser Waffe wohl -, aber ich verstehe sie ebenfalls zu handhaben."
"Pah, laß die Torheiten, Bursche," sagte de Valla verächtlich, "wenn ich dich nicht von den Lanceros niederstechen lasse, verdankst du es nur der Erinnerung an frühere Kriegskameradschaft."
Dabei zog er aber doch die Hand unter dem Rocke hervor.
"Excellenza würden dies auch bereuen, denn ich bin in der Tat Überbringer wichtiger Nachrichten," sagte Tejada mit einem Grinsen der Befriedigung.
"Also, was willst du? Was bedeutet das, was du mir durch den Diener sagen ließest?"
"Ich bin glücklich," sagte Tejada, der jetzt seine Sicherheit wieder gewann, "daß Excellenza unsere frühere Kameradschaft erwähnten, denn mich hat nur Anhänglichkeit an Eure Person hierhergeführt und der innige Wunsch, dem ehemaligen Gefährten zu seinen außerordentlichen Erfolgen meinen Glückwunsch darbringen zu können."
"Laß das Geschwätz und komm zur Sache."
"Euer Gnaden entsinnen sich wohl noch aus früheren Zeiten eines Mannes namens Gomez?"
Trotz der Gewalt, die de Valla über sich hatte, zuckte es in seinem Gesichte auf.
"Nun?"
"Ich bin der Erbe dieses Mannes geworden -"
"Er ist also tot?"
"Er starb und hinterließ mir einige Briefe von Ew. Excellenza Hand, die ein ganz absonderliches Licht auf die Vorgänge im Tale der drei Quellen vor zehn Jahren werfen. Die Häupter der liberalen Partei würden mir für diese Briefe viel Geld geben, ich zog es aber alter Kameradschaft wegen vor, sie Ew. Excellenza zu überbringen."
de Vallas Gesicht zeigte wiederum steinerne Ruhe.
Dann sagte er langsam: "Das heißt, du willst mir die wertlosen Schreibereien verkaufen?"
"Ob sie wertlos sind, mögen andere entscheiden; böswillige Menschen möchten herauslesen, daß Excellenza dem Morde an den d'Alcantaras nicht fern gestanden haben."
Der Minister wurde etwas blässer und seine Hand zitterte leicht.
"Du bist von einer unglaublichen Frechheit, Bursche!"
"Weil Anhänglichkeit an Eure Person mich trieb, Euch einen Dienst zu leisten? O, Excellenza sind undankbar. Ew. Gnaden haben ungewöhnliches Glück gehabt und sind sogar der Erbe der reichen d'Alcantaras geworden. In Don Pedro, der das Unglück hatte, unter der Hand räuberischer Aimaràs zu fallen, schwand auch der gefährliche politische Gegner dahin, ja, Excellenza hatten Glück und ich bin ein armer Teufel geblieben, der ein ruheloses Leben führt, wenn ihm nicht ein mächtiger Gönner ersteht, der ihm den Weg zu einem behaglichen Dasein ebnet. Ew. Excellenza haben es verstanden, in den Wirren der Zeit sich die verschiedenen politischen Strömungen dienstbar zu machen, gar manches andere trug zu Ew. Excellenza Erhöhung bei, die gewiß wohl verdient ist, und nicht zuletzt auch der Unglücksfall im Tale der drei Quellen."
de Valla, der in seinem von Parteien zerrissenen Vaterlande von einer zur anderen übergegangen war, immer nur seinen Vorteil im Auge, schwankte zwischen Grimm und Besorgnis bei diesem Hohne des vor ihm stehenden Bandidos. Die Briefe, die Tejada im Besitze haben wollte, hatte er vor ungefähr zehn Jahren geschrieben, er entsann sich also deren Inhaltes nicht mehr genau. Tatsache war, daß er seinen gefährlichen politischen Gegner, den gefeierten Pedro Alcantara, einen der edelsten Männer des Landes, aus seinem Wege hatte räumen wollen, und es war zwischen ihm und Gomez, der eines seiner Werkzeuge war, der Plan geschmiedet worden, d'Alcantara in die Hände der Aimaràs zu liefern, damit ihn die in ihren Schlupfwinkeln als Gefangenen bewahrten. Daß die Blutgier der Wilden kein Leben, auch das unschuldiger Kinder nicht schonte, hatte außer de Vallas Berechnung gelegen. Ihm hätte es genügt, wenn Pedro d'Alcantara auf einige Jahre von der politischen Schaubühne verschwand. Carlos de Valla hatte eine wilde Vergangenheit hinter sich, doch einen nutzlosen Mord zu begehen, war er nicht der Mann. Die entsetzliche Katastrophe hatte ihn damals tief erschüttert, doch im politischen Treiben, von ruhelosem Ehrgeiz getrieben, hatte sich sein Gewissen verhärtet. War es auch nicht auf den Tod d'Alcantaras abgesehen gewesen, noch weniger auf die Vernichtung der Seinen, so konnten die Briefe an Gomez, die er als das einzig mögliche Verständigungsmittel gezwungen schrieb, und dabei voraussetzte, daß dieser sie, seiner selbst willen, vernichten würde, immerhin Stellen enthalten, die eine schlimme Deutung zuließen, und in der Hand politischer Gegner gefährlich werden. Seinen Grimm bezwingend sagte de Valla ruhig: "Laß mich einmal die Briefe sehen."
"Excellenza sollen sie sehen, doch Excellenza begreifen, daß sie sehr wertvoll sind und -"
"Schwatz nicht, sind's meine Briefe, kaufe ich sie dir ab, obgleich nichts darin stehen kann, was nicht jeder Unbefangene lesen könnte."
Tejada zog ein Päckchen vergilbter Papiere aus der Tasche und hielt sie vorsichtig de Valla hin, so daß der die Schriftzüge erkennen konnte und in der Tat sofort seine Handschrift erkannte.
"Wie viel Briefe sind es?"
"Vier."
de Valla entsann sich nicht, wie viel Briefe er damals an Gomez geschrieben hatte, aber die Zahl vier mochte stimmen.
"Was verlangst du dafür?"
"Leider sind meine Finanzen sehr zerrüttet und unter 600 Pesos(etwa 2500 Mark) möchte ich sie nicht hergeben."
"Sei es!" de Valla ging zu einem Schreibsekretär, entnahm diesem eine Anzahl der schweren Goldstücke, die man Unzen nennt, einige Geldscheine und übergab sie Tejada, der sie schmunzelnd in die Tasche steckte und dem Minister die Briefe einhändigte. Erleichtert atmete dieser auf.
"So, das wäre abgemacht," sagte der verkommene Verkäufer der Briefe, der im stillen fürchtete, daß de Valla jetzt, wo er im Besitz der verdächtigen Papiere war, seine Macht ihm gegenüber geltend machen würde, "und nun will ich meinem verehrten Gönner, an den mich immer noch die frühere Anhänglichkeit kettet, erst recht einen Freundschaftsdienst erweisen."
de Valla, der eifrig in die Briefe gesehen hatte, schaute auf und fragte mit gerunzelter Stirne: "Was willst du noch, du Spitzbube? Vergiß nicht, daß Lanceros draußen meines Winkes harren."
Der Bandit zuckte zusammen und brachte trotz seiner Frechheit mit etwas bebender Stimme hervor: "Es wird für Excellenza gewiß von Interesse sein, zu erfahren, daß der Erstgeborene Pedro d'Alcantaras dem Blutbade damals entgangen ist und noch lebt."
Mit einem Gesicht, das tödlichen Schrecken verriet, sprang de Valla von seinem Sessel auf und starrte Tejada an.
"Was soll das? Was soll das Märchen?"
"Kein Märchen, Alonzo d'Alcantara lebt und Excellenza werden das bald erfahren."