"Don Alonzo, der junge Alcantara von Otoño?"
"Ja, ja, ermordet. Die Peons und Vaqueros Sennor Vivandas jagen durchs Land und verkünden es; ich hörte es und bin davongejagt, es weiter zu sagen."
"Nun," sagte Tejada, "es wäre schrecklich, Mann, wenn du die Wahrheit sagtest; wann ist das geschehen, ich komme von Otoño und habe mich erst gestern mittag von Don Alonzo verabschiedet."
"Gestern abend - sie haben ihn gräßlich ermordet."
Tejada wurde jetzt in solcher Nähe der Hacienda unheimlich zu Mute. Daß der Verbündete der Flußpiraten sich so rasch seines Auftrages entledigen werde, hatte er nicht gedacht - doch sagte er mit vieler Ruhe: "Ja, das ist ein großes Unglück für alle, besonders für meine werten Freunde Vivanda. O, wie bedaure ich, daß mich ernste Pflichten nach Bogotá zurückrufen. Weiß man nichts Näheres über dieses schreckliche Verbrechen? Ist es vielleicht ein Racheakt der Leute der Hacienda?"
"Wo denkt Ihr hin, Sennor? Die waren Don Alonzo alle auf Tod und Leben ergeben."
"Wie gern würde ich nach Otoño umkehren, aber die Interessen des Staates gehen jedem persönlichen Interesse vor - wie leid tun mir seine sorgsamen Pflegeväter."
Er verabschiedete sich von dem Posadero und ritt langsam, gefolgt von Maxtla, davon, um erst in einiger Entfernung seinem Pferde die Sporen zu geben.
"So, Don Carlos, jetzt bist du mir fünftausend Pesos schuldig," murmelte er vor sich hin.
Hätte er einen Blick auf das düstere Gesicht seines Peons geworfen, dessen Blicke mit einem Ausdruck furchtbaren Hasses auf ihn ruhten, würde er sich weniger rosigen Zukunftshoffnungen hingegeben haben.
In des Indianers Seele wogte es heftig. Er zweifelte nicht an der Kunde, die der Llanero gebracht und machte sich bittere Vorwürfe. Er hatte Tejada während ihres Aufenthaltes mehrmals außer acht gelassen, wenn dieser die Umgebung durchritt und seine Wachsamkeit auf Alonzo beschränkt.
Sollte der verworfene Caldas, der vielleicht von Bogotá geflüchtet war, ihm auf einem dieser Ritte in den Weg gekommen und doch von ihm für das Verbrechen gewonnen worden sein?
Es war schwer denkbar.
Näher lag es, daß dieser ein Sendling von Bogotá war. Hatte de Valla außer diesem noch einen Bandido auf dem Wege gehabt?
So wogten seine Gedanken hin und her. Er wäre bei der ersten Kunde von Alonzos Geschick sofort nach Otoño umgekehrt, um sich auf die Spur der Mörder zu setzen, wenn er nicht in dem vor ihm reitenden Manne den Mitschuldigen vermutet hätte, von dem Aufschlüsse über die Tat zu erlangen waren.
Der Weg, den sie ritten, war einsam.
Einige Gehölze grenzten den Horizont an verschiedenen Stellen ein und Maxtla wußte, daß auf Leguas weit kein Haus sich erhob.
Er löste den Lasso vom Sattel seines Tieres und legte ihn bereit zum Wurfe.
Tejada, der Gewissensbisse nicht kannte und dem immer behaglicher zu Mute wurde, je weiter er sich aus der gefährlichen Nähe Otoños, wo seine Maske durchschaut war, entfernte, lächelte selbstzufrieden vor sich hin, als ein mit großer Sicherheit geschleuderter Lasso ihn umschlang und ein kräftiger Ruck ihn aus dem Sattel auf den Boden brachte, den er recht unsanft berührte.
Betäubt von der jähen Unterbrechung seiner Zukunftsträume, wie von dem jähen Sturz lag er, kaum seiner Sinne mächtig, da. Der Lasso schnürte ihm die Arme an den Leib. Die Augen öffnend sah er mit ebensoviel Staunen als Schreck Maxtlas drohendes Gesicht über sich gebeugt und die blinkende Machete in dessen Hand, deren Spitze seiner Kehle sehr nahe war. Mit ungemeiner Geschicklichkeit nahm Maxtlas linke Hand das Doppelpistol aus Tejadas Tasche, das Messer aus dessen Gürtel und warf beides fort, dann band er des verblüfften Mannes Hände.
Erst jetzt fand der Bandit, den der Lasso noch immer hielt, Worte: "Was tust du, Juan, willst du mich berauben? Ich will dir alles geben, was du haben willst, binde mich nur los."
"Maxtla ist kein Dieb," erwiderte finster der Indianer.
"Was habe ich dir getan? Willst du mich ermorden?" fragte zitternd Tejada.
"Nicht jetzt. Der Sargento wird den Teniente, der ihn vor den Soldados schlug, später töten."
Tejada wußte nicht, was er aus dem Benehmen und den Worten des Indianers, der ihn so unvermutet überfallen, schließen sollte, denn daß er vor Jahren einmal, während er als Offizier unter d'Alcantara diente, einen indianischen Sargento geschlagen vor den Augen der Soldaten, hatte er längst vergessen, wie auch das Gesicht Maxtlas.
Ihm kam der Gedanke, der Mann sein geistesgestört.
"Ich verstehe dich nicht, Juan, was willst du?"
"Don Sancho wird noch alles verstehen. Er ist von Excellenza ausgeschickt, um Don Alonzo zu töten, und Maxtla, um Don Sancho die Machete durch die Kehle zu ziehen."
Der gebundene Bandit sah ihn mit namenlosem Entsetzen an.
Vom Lasso umschlungen, sank Tejada aus dem Sattel.
Hatte er in dem stumpfsinnigen Indio den Henker vor sich, den ihm de Valla nachgesandt, um ihn hinwegzuräumen nach geschehener Tat? Nein, das war zu ungeheuerlich - und doch? - Kaltblütig untersuchte jetzt Maxtla Tejadas Taschen, nahm eine dicke Brieftasche und einen Beutel mit Geld und steckte beides in seine Ledertasche. Der Indianer hätte Tejada am liebsten gleich an der Posada verhaftet, aber kannte seine rechtlose Stellung einem Weißen gegenüber, kannte das Mundwerk Tejadas und mußte fürchten, daß man dort die Partei des Caballero ergreifen würde; so hatte er gewartet, bis er mit ihm allein war.
Er holte jetzt Tejadas Pferd herbei, befahl ihm aufzusteigen und half ihm in den Sattel, nachdem er ihn vom Lasso befreit hatte. Dann band er ihm die Füße unter dem Bauche des Pferdes zusammen.
Tejada, der einsah, daß es nicht auf seine augenblickliche Ermordung abgesehen war, schöpfte neuen Mut.
Maxtla legte seinen Lasso um des Pferdes Hals, bestieg sein Maultier und wandte dessen Kopf der Posada zu.
"Wo führst du mich hin?"
"Ihr alles erfahren, Galgen hier wie in Bogotá."
Das Pferd an der Fangschnur, das dieser ängstlich folgte, galoppierte er jetzt auf dem Wege zurück, den sie gekommen waren.
Tejada, der in seinem wüsten Leben schon in mancher dringenden Gefahr gewesen war, gewann Zeit zur Überlegung, auch hoffte er auf eine baldige Begegnung mit Weißen. Wer war dieser Indio, und was wollte er mit ihm beginnen? Wessen konnte man ihn überhaupt beschuldigen? Daß er Tejada sei, mußte noch bewiesen werden. Alonzo, der davon wußte, war tot und dieser Indio war als Zeuge belanglos. Hätte der ihn in die Wüste geführt, stand es schlimm um sein Leben, aber er führte ihn bewohnten Stätten zu. Die Frechheit Tejadas gewann wieder die Oberhand, was wollte man gegen ihn vorbringen?
Nach kurzer Zeit sahen sie Reiter sich entgegenkommen, es war der Majordomo von Otoño mit drei Vaqueros.
"O, du hast ihn schon, mein braver Indio," rief er Maxtla entgegen und hielt gleich darauf vor den beiden.
"Ah, welch ein Glück, daß Sie kommen, Sennor," sagte Tejada zungengewandt, "dieser Mensch hat mich heimtückisch auf dem Wege überfallen und mich beraubt. Ich stelle mich unter Ihrem Schutz, lassen Sie mich rasch losbinden."
"Später, Sennor. Ich habe da einen Haftbefehl auf Sancho Tejada, genannt Molino, ausgestellt von dem Alkalden dieses Territorio, verdächtig des Mordes an Don Alonzo d'Alcantara, den wollen wir erst vollstrecken. Ich verhafte Euch im Namen des Gesetzes!"