„Birelija-turelija, buridakl-furidakl, es röte sich der Himmel, es grüne das Gras - Kästchen, Kästchen, bitte zeig uns das: Zeig uns die Hexe mit dem Zauberteppich!"
Auf dem Schirm begann es zu flimmern, dann erschien vor dem Hintergrund des Himmels ein Teppich, auf dem eine riesige Frau saß. Bei ihrem Anblick wurde es nicht nur den Stabsmitgliedern, sondern sogar dem Scheuch unheimlich. Grausig war das Aussehen der Hexe mit dem langen blauen Gewand, dem grimmigen roten Gesicht und dem Büschel pechschwarzer Haare auf dem Scheitel. Zu ihren Füßen kauerte eine kleine Figur, in der der Scheuch und seine Gefährten sofort Ruf Bilan erkannten. „Oh, da ist ja auch der Verräter!" rief Faramant überrascht aus. „Völlig unverständlich, wie der zur Hexe gekommen und ihr Kumpan geworden ist!" „Lump zu Lump gesellt sich gern", schnarrte die Krähe wütend. „Es soll mich nicht wundern, wenn irgendwo in der Nähe auch der ehrsüchtige Urfin Juice auftaucht. Ist doch auch einer von dieser Sorte..." Im Scheuch erwachte die Neugier.
„Laßt uns sehen, wo das Früchtchen steckt. Einen Feind soll man beobachten, sooft man nur kann. Ich habe zu selten Stellas Geschenk benutzt, ja diesen Vorwurf kann ich mir nicht ersparen." Er wandte sich dem Fernseher zu und sprach: „Birelija-turelija, buridakl-furidakl, es röte sich der Himmel, es grüne das Gras - Kästchen, Kästchen, bitte zeig uns das: Zeig uns Urfin Juice, wo immer er auch sein mag." Da erschien auch schon auf dem Bildschirm eine schöne Wiese mit einem schmucken Häuschen in der Mitte und Bauten im Hintergrund. Vorne stand in einem Gemüsegarten Urfin auf den Knien und jätete ein Gurkenbeet. Daneben hockte die Eule Guamoko. Der Scheuch und seine Gefährten hörten, was die beiden sprachen:
„... so, so, um nichts in der Welt?" sagte die Eule, die wahrscheinlich einen Satz beendete. „Um nichts in der Welt", bestätigte Urfin. „Sie tat alles, um mich zu überreden, doch ich blieb fest und wiederholte: Bei diesem Unfug mach ich nicht mit!"
„Buchstäblich so hast du gesagt, Herr?" „Buchstäblich!" „Und was hat sie darauf erwidert?"
„Sie hat mit den Füßen getrampelt und gebrüllt, daß die Höhle erzitterte und beinahe einstürzte. Ich, kreischte sie, bin eine mächtige Zauberin, ich, kreischte sie, zerdrücke dich wie eine Fliege, wenn du nicht gehorchst und nicht in meine Dienste trittst!" „Und du?"
„Ich sagte nur: Auch wenn Ihr mich zerdrückt, gegen mein Volk ziehe ich nicht! Ich habe ihm genug Böses zugefügt..." „Und was tat die Hexe dann?" „Sie fuchtelte mir mit der Faust vorm Gesicht, und ich muß dir sagen, diese Faust war fast so groß wie mein Haus..."
Der Scheuch und seine Freunde blickten sich verdutzt an. Es war fast nicht zu glauben, daß das derselbe Urfin war, der sich zweimal zum Herrscher des Zauberlandes aufgeworfen hatte. Natürlich wußten die Zuhörer nicht, daß dieser ehemalige König bei der Wiedergabe seines Gesprächs mit Arachna reichlich übertrieb und daß er gehörig auflegte, als er von den Drohungen der Hexe erzählte. Doch im wesentlichen stimmte es schon, was er sagte, im wesentlichen sprach er die Wahrheit! Denn hätte er dem Drängen der Hexe nachgegeben, würde er jetzt wohl doch neben ihr auf dem fliegenden Teppich sitzen und nicht in seinem fernen Garten auf dem Gurkenbeet Unkraut jäten. Urfin und die Eule sprachen jetzt über etwas anderes, doch der Scheuch hatte genug gehört. Er wußte nun, daß Urfin kein Feind, sondern eher ein Verbündeter war, und daß er allem Anschein nach den Menschen helfen würde, wenn sie ihn riefen. Der Scheuch stellte den Fernseher ab. Jetzt wußten er und sein Stab, mit wem sie es zu tun hatten. Sie verspürten aber keine große Angst. Sie erinnerten sich, wie sie die Smaragdenstadt gegen Hunderte Holzköpfe Urfins und ein ganzes Marranenheer verteidigt hatten... Diesmal war der Feind nur eine Person, freilich von gewaltigem Wuchs und ungeheurer Kraft, aber immerhin nur eine Person, denn Ruf Bilan zählte ja nicht. Bis zur Ankunft Arachnas würden noch ein Tag und eine Nacht vergehen, das war klar, und die Einwohner gingen ungesäumt daran, Verteidigungsanlagen zu bauen. Von den Vögeln hatten die Militärführer der Stadt bereits erfahren, daß die Hexe einen ganzen Obsthain vertilgt hatte, woraus man schließen konnte, daß sie sehr hungrig sein mußte. Man ergriff also Maßnahmen, damit sie keine Nahrungsmittel bekam. Alle Farmen der Umgebung leerten sich. Ein Teil des Viehs wurde in die Stadt getrieben, der andere an Orten versteckt, die selbst ein geschickter Detektiv nicht hätte aufspüren können. Auf den Stadtmauern tauchten wieder große Wasserkessel auf, unter denen Reisigfeuer brannten. Hinter den steinernen Zinnen verbargen sich Schützen mit Pfeil und Armbrust, und Din Gior, der seinen Bart auf den Rücken gelegt hatte, stellte die Schleudern auf, mit denen man gewaltige Steine abschießen konnte. Als Arachna sich der Smaragdeninsel näherte, ahnte sie nicht, daß ein Mann am Zauberkasten jede ihrer Bewegungen verfolgte. Selbst ihr Gespräch mit Ruf Bilan gab der Bildschirm Wort für Wort wieder: „Wir werden uns nachts heranschleichen", sagte die Hexe vertraulich zu ihrem Gefährten. „In der Stadt weiß man natürlich nichts von meinem Vorhaben, und die Einwohner werden ruhig schlafen. Ich aber werde über die Stadtmauer steigen, in den Palast eindringen und ihren Herrscher, diesen Strohmann, packen, über den aus unerfindlichen Gründen Legenden umgehen. Dann wollen wir sehen, ob seine Untertanen sich mir entgegenzustellen wagen... "
Ruf Bilan bezweifelte sehr, daß man in der Smaragdenstadt nichts über das Nahen der Hexe wußte. Aber er behielt seine Zweifel wohlweislich für sich. Faramant, der am Fernseher Dienst hatte, bog sich vor Lachen bei der Vorstellung, wie die riesige Arachna sich anstrengen würde, ihren Leib durch die Türen des Palastes zu zwängen, die doch nur normale Menschen passieren konnten.
„Du sollst was erleben, du Angeberin! Wir werden dir mit unseren Fackeln einen geziemenden Empfang bereiten", brummte Faramant, die Faust vor dem Bildschirm schüttelnd. Die Hexe wartete ab, bis die Nacht hereinbrach, und pirschte sich dann an die Smaragdenstadt heran. Wie überrascht war sie aber, als sie diese von einem breiten Kanal umgeben sah, über den keine Brücke führte. Allerdings war eine Fähre da, doch die lag am anderen Ufer. Das hinderte die Hexe, ungesehen in die Stadt einzudringen.