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DER BOTSCHAFTER ARACHNAS

Im Gelben Nebel hatte sich die Sicht sehr verkürzt. Bis auf fünfzig Schritt konnte man die Gegenstände noch irgendwie unterscheiden, doch was weiter lag, verschwand im trüben Dunst, und das wirkte beklemmend. Die Welt eines jeden Menschen war jetzt sehr klein geworden. Was sich jenseits dieser winzigen Welt zutrug, konnte man nur noch an den Tönen erraten, die herüberdrangen, doch auch diese wurden durch den Nebel verzerrt. Man konnte eine menschliche Stimme für das Krächzen eines Raben halten und das Schlagen von Pferdehufen mit Trommelwirbel verwechseln. Alles, was die Menschen umgab, schien jetzt seltsam und ungewöhnlich. Man hielt den Gelben Nebel für eine Naturerscheinung, ahnte nicht, daß es eine Zauberei Arachnas war, und hoffte, daß das Übel bald vergehen werde. Daß das Atmen im Gelben Nebel gesundheitsschädlich war, kam den Einwohnern des Zauberlandes nicht sofort zu Bewußtsein. Erst einige Tage später, als sie sich an die ungewöhnliche Lage anzupassen begannen, stellte sich Husten ein. Die winzigen Nebelteilchen reizten die Lungen, und dieser Reiz verstärkte sich mit jedem Tag. Husten erfüllte das ganze Zauberland. Es husteten die Menschen, die Hirsche und Elche, die Bären im Walde und die Eichhörnchen in den Baumkronen. Es husteten die Vögel, wenn sie ruhig dasaßen, und wenn sie flogen, erstickten sie fast vor Husten. An einem dieser schlimmen Tage ging ein rotbäckiges, dickliches Männlein auf die Fähre zu, mit der Reisende, die nach der Smaragdenstadt wollten, den Kanal überquerten. Der Mann, der sich in ausgezeichneter Stimmung befand, bat die Fährleute kichernd, ihn auf die andere Kanalseite zu befördern. Als der Kahn sich vom Ufer löste, sagte das Männlein zu den Holzköpfen, die die Seilwinde drehten: „Nun, wie fühlt ihr euch, Kumpel, bei diesem Sauwetter?" „Ganz gut", erwiderte einer der Fährleute, der Arum hieß. „Die Menschen klagen über den Nebel, doch uns macht er nichts aus." Das stimmte, den Holzköpfen machte der Gelbe Nebel wirklich nichts aus, denn sie atmeten nicht. Von allen Einwohnern des Zauberlandes fühlten sich nur die Holzköpfe, die hölzernen Boten, und was es sonst noch an Geschöpfen hier gab, die das Zauberpulver Urfins belebt hatte, ganz normal. Natürlich konnte der Gelbe Nebel auch dem Scheuch und dem Eisernen Holzfäller nichts anhaben, denn sie hatten ja auch keine Lungen. Als die Fähre am Stadtufer anlegte, stieg der Reisende aus und zog dreimal die Glocke vor dem Tor. Das Fenster ging auf, und in der Öffnung zeigte sich der Kopf Faramants, des Wächters und Torhüters, der immer auf seinem Posten war. Den Fremden erkennend, fragte er überrascht: „Ruf Bilan! Was willst du in unserer Stadt?" Ein quälender Husten verschlug ihm die Sprache, während Bilan ruhig antwortete: „Ich bin in einer sehr wichtigen Angelegenheit gekommen und möchte bitten, mich zu seiner Exzellenz, dem Herrscher der Smaragdeninsel, zu führen!" „Gehen wir", knurrte Faramant. „Ich geleite dich zum Weisen Scheuch, doch vorerst muß du eine grüne Brille aufsetzen." „Ihr tragt immer noch die grünen Brillen? Wozu braucht ihr sie denn in diesem Nebelbrei, wo man auch ohne Brille nichts erkennen kann?" „Gesetz ist Gesetz, um so mehr, wenn es vom Großen Goodwin erlassen wurde!" sagte Faramant streng.

Trotz aller Einwände Bilans, setzte ihm der Hüter des Tores eine große Brille auf und verschloß sie am Nacken mit einem kleinen Schnappschloß. Die Sicht verringerte sich sofort bis auf drei, vier Schritt, und Bilan kam sich wie in stockfinsterer Nacht vor. Tastend folgte er seinem Führer, und wenn er die Richtung nicht verfehlte, so hatte er es nur dem Umstand zu verdanken, daß er in der Smaragdenstadt geboren und aufgewachsen war. „Wie soll ich dich dem Weisen Scheuch anmelden?" fragte Faramant trocken, als sie den Palast betraten. Die Hände in die Seiten gestemmt, sagte Ruf Bilan: „Ich bin der Botschafer ihrer Gnaden, der mächtigen Zauberin Arachna!"

„Ach, der Person, der wir damals den Pflasterstein verpaßt haben!" sagte Faramant bissig.

„Das kommt euch jetzt auch teuer zu stehen!" erwiderte Ruf Bilan. Der Hüter des Tores verstand den Sinn dieser Worte nicht, doch er sagte nichts und ging den Besucher anmelden. Der Scheuch ließ den Boten sofort rufen. Im Thronsaal hatte sich wie gewöhnlich der Stab versammelt: der Langbärtige Soldat Din Gior, der Hüter des Tores Faramant und die Krähe Kaggi-Karr. Auf dem kleinen Tisch stand der Fernseher, der jetzt blind war.

„Was hast du uns mitzuteilen?" fragte der Scheuch. „Ich habe eine sehr wichtige Mitteilung", sagte der Botschafter dreist. „Ihr sollt nämlich wissen, daß der Gelbe Nebel, unter dem ihr, wie ich sehe, alle so schwer leidet, von meiner Gebieterin Arachna über das Zauberland ausgestreut wurde, um die Völker dieses Landes zur Botmäßigkeit zu zwingen." Bilans Erklärung fand keinen Glauben.

„Womit kannst du das beweisen?" fragte Din Gior hustend. „Womit? Mein Ehrenwort wird euch wohl genügen, oder irre ich mich?" Die Mitglieder des Stabes lachten, doch ein Husten unterbrach ihr Gelächter.

„Das Ehrenwort eines Verräters? Beim Thron des Großen Goodwin, eine solche Frechheit habe ich noch nie gehört!" empörte sich Faramant.

„Das hab ich von euch erwartet", sagte Bilan gleichmütig. „Vielleicht geruht ihr aber, mein blühendes Aussehen wahrzunehmen? Fällt euch nicht auf, daß ich nicht huste wie ihr alle? Womit erklärt ihr euch das?" „Du hast dich wahrscheinlich an einem Ort aufgehalten, der vor dem Gelben Nebel geschützt ist", meinte Din Gior, seinen Bart streichelnd, den er selbst unter den schwierigsten Verhältnissen nicht zu pflegen aufhörte. „Du hast es erraten", gab Bilan zu. „Doch dieser geschützte Ort ist sehr groß, zu ihm gehören die Besitzungen Arachnas, in denen es überhaupt keinen Nebel gibt."